Stefan Rochow und Axel Möller in trauter Zweisamkeit am Rande der Demonstration der NPD-Schülerinitiative am 2. Juni in Greifswald
klicke auf's BildII


II


Scharnier oder Schnittmenge?

Welche Rolle spielen Greifswalder Burschenschafter in der Naziszene?

Bei aller Heterogenität, die Studentenverbindungen in Deutschland aufweisen, ist es unbestritten, daß rechtskonservative bis rechtsextreme Ansichten bei diesen studentischen Männerbünden weit verbreitet sind. Für gemeinhin heißt es, daß einige Burschen - und Turnerschaften eine Scharnierfunktion zwischen gesellschaftlich akzeptierten rechtskonservativen Tendenzen bzw. Positionen und organisiertem Rechtsextremismus einnehmen würden. Der Rechtsradikalismus ist in ihren Aussagen (siehe Likedeeler Nr.4) nicht vordergründig, sogar häufig nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Oft ist er hinter schwammigen Formulierungen und populistischen Floskeln verborgen. Doch viele Mitglieder haben den Status des „Scharniers“ längst hinter sich gelassen. So gewährte, z.B. die Münchener Burschenschaft Danubia einem Neonazi für eine Nacht Obdach, als dieser sich auf der Flucht vor der Polizei befand. Er hatte kurz zuvor mit anderen Rassisten einen 31-jährigen Griechen fast totgeschlagen (taz vom 22.Juni 2001). Aber warum in die Ferne schweifen, auch in Greifswald sind die Dinge oft nicht so durch - und überschaubar, wie es zuweilen scheinen mag. In einer Greifswalder Burschenschaft werden seit längerem rechtsradikale Strukturen vermutet. Grund genug dort mal näher hinzusehen. Die Grundsätze, die die Greifswalder Burschenschaft Rugia auf ihrer Seite präsentiert, unterscheiden sich sicher nicht sehr von denen anderer Verbindungen. Im Artikel 1 heißt es: „Die Greifswalder Burschenschaft Rugia fordert von ihren Mitgliedern: Unbedingtes Eintreten für die eigene Ehre, die Ehre des Bundes und der deutschen Burschenschaft. Unbedingtes Eintreten für persönliche, geistige, politische und akademische Freiheit. Das Wirken für ein freies, gleichberechtigtes und ungeteiltes deutsches Vaterland.“ Auch die Links gestalten sich so wie auf vielen Seiten von studentischen Verbindungen. Die abgebildeten Fotos sind da schon etwas interessanter. Auf einem großen Gruppenbild finden sich die Gesichter von zwei Namen, die in den vergangenen Jahren immer wieder im Zusammenhang mit rechtsradikalen Aktivitäten zu lesen waren. Stefan und Mathias Rochow lächeln uns da aus den hinteren Reihen an. Beide sind in der Greifswalder Neonaziszene keine unbeschriebenen Blätter. Welche Rolle spielen sie in der Burschenschaft Rugia bzw. in rechtsradikalen Strukturen? Die Seite der Rugia ist auf Mathias Rochow registriert. Mathias Rochow (Jahrgang 1976), der Luis Amplatz (ein Südtiroler Rechtsterrorist, der nach dem zweiten Weltkrieg für Angst und Schrecken in Norditalien sorgte) zu seinen Vorbildern zählt, nimmt derzeit die Funktion des stellvertretenden Kreisvorsitzenden der NPD in Greiswald ein. Am 14. Januar war er als Ordner der NPD-Demonstration tätig. Auch sonst ist er regelmäßiger Teilnehmer an Infotischen der NPD bzw. der sogenannten „Bürgerinitiative zur Wahrung der Grundrechte“. Für die Bürgerinitiative, die vor einiger Zeit noch „Aktion Zivilcourage“ hieß, war seine Telefonnummer das Kontakttelefon. Außerdem war er Mitorganisator der rassistischen Unterschriftensammlung „gegen den weiteren Zuzug von Ausländern nach Schönwalde II“. Nur vier Tage nach den Protesten gegen den Naziaufmarsch der NPD am 14. Januar in Greifswald wurde er zusammen mit Axel Möller, dem eigentlichen Initiator dieser Aktion, und Robert Krowas im Rathaus von Vertretern der Bürgerschaftsfraktionen und dem Bürgerschaftspräsidenten empfangen. Für den erst kürzlich gegründeten NPD Kreisverband Ostvorpommern ist sein Telefon wiederum die Kontaktnummer. Doch Mathias Rochow engagiert sich nicht nur in der Burschenschaft Rugia und der NPD. In der Pennalen Burschenschaft Theodor Fontane, wie die Rugia ebenfalls in der Robert-Blum-Str.4 angesiedelt, hat er die Funktion des Fechtwarts inne. Interessanter Weise ist Robert Krowas, ein weiterer Beteiligter an der ausländerfeindlichen Unterschriftenkampagne zu Beginn diesen Jahres, in dieser Burschenschaft der Schriftwart. Ein weiterer Rochow taucht in dieser Burschenschaft, in der Funktion des Altherrenvorsitzenden auf. Stefan Rochow (Jahrgang 1973) ist ebenfalls Mitglied der Burschenschaft Rugia und des Nationaldemokratischen Hochschulbundes (NHB), einer Unterorganisation der NPD. Er engagiert sich besonders in der Jungen Landsmannschaft Ostpreussen (JLO) in der Funktion des stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Bis vor gut einem Jahr war dies die Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreussen, einer stramm revanchistischen Vertriebenenorganisation, die die Grenzen Deutschlands gerne wieder gen Osten verschieben würde. Ihre Jugendorganisation, die JLO ist noch um einiges radikaler und macht überhaupt keinen Hehl aus ihrem Anspruch auf Ostpreussen. Das war selbst der Landsmannschaft zu dunkelbraun und auch der erzkonservative bayrische Innenminister Beckstein sah die JLO als rechtsextremistisch an. Die LO trennte sich darauhin von ihrem Jugendverband, der jetzt selbstständig agiert. Auch in Greifswald gibt es eine Gruppe der JLO, die für den diesjährigen Volkstrauertag am 18. November eine Heldengedenkfeier in Greifswald plant. Auf ihrer Homepage zeigt sich die JLO nicht gerade zimperlich. Ein Deutschritter reckt dem Besucher sein Schwert und Schild entgegen und auf einem Bild wird in Anlehnung an die berühmten Bilder vom 1. September 1939, auf denen Wehrmachtssoldaten polnische Grenzbäume niederreissen, von JLO Mitgliedern, unter ihnen übrigens auch Mathias Rochow, symbolisch eine weiß-rote Schranke zur Seite gedrückt. Links finden sich zu allen bekannten Naziseiten der Region und interessanterweise auch zur oben erwähnten Münchener Burschenschaft Danubia. Fazit: Ehrlich gesagt waren wir recht überrascht darüber, was für Leute sich in Greifswalder Burschenschaften so tummeln und wie deutlich sie in neonazistischen Strukturen agieren. Zweifellos stellt dies eine völlig neue Qualität von Rechtsradikalismus in unserer Region dar. Prägten bisher besonders dumpfe Gewalt und simple Stammtischpropaganda das Bild des Rechtsradikalismus in Mecklenburg-Vorpommern, so ist zunehmend ein gewisse Intellektualisierung im Auftreten und Agieren von Nazis festzustellen. Anläßlich des NPD-Landesparteitags letztes Jahr in Greifswald hielt zum Beispiel einer der beiden Rochows einen Vortrag zum Thema „Raumorientierte Volkswirtschaft“ vor den versammelten Nazis. Sie betreten Räume (wie beispielsweise die Universität) und versuchen, Themen zubesetzen (wie beispielsweise Friedenspolitik und die zunehmende Militarisierung der deutschen Außenpolitik), die früher als klassisch links galten. So soll versucht werden, Akzeptanz in der Bevölkerung jenseits brutalen und gewalttätigen Auftretens in der Öffentlichkeit zu schaffen. Studentische Verbindungen mit ihren oft streng konservativen Wertebildern und dem unkritischen Umgang mit rassistischen und nationalistischen Tendenzen in den eigenen Reihen bieten hierfür natürlich einen perfekten Aktionsraum. Von einer Scharnierfunktion kann keine Rede sein. Der mathematische Begriff der Schnittmenge beschreibt den Fakt, braune Füsse in die Mitte der Gesellschaft zu bekommen wohl am ehesten.

Sven Römer


  zurück zur Sondernummer zum 1. September zurück zur Hauptseite