Markt in Kirgistan
klicke auf's BildII

Markt in Kirgistan
klicke auf's BildII

Komperative Kostenvorteile
klicke auf's BildII


"Terms of Trade"
klicke auf's BildII

Einführung in den Welthandel

In jeder Diskussion über die Auswirkungen des derzeitigen Weltwirtschaftssystems auf Entwicklungsländer spielt der Begriff „Welthandel" eine zentrale Rolle. Von den einen als alle Probleme lösender Heilsbringer gepriesen, sehen andere im zunehmenden Umfang des Welthandels die Wurzel allen Übels. Beide Seiten sind schnell mit Theorien, Statistiken oder Fallbeispielen zur Hand, mit denen sie ihre jeweilige Position zu untermauern versuchen. Obwohl das angesprochene Problem Gegenstand zahlreicher Untersuchungen ist, wird es wohl keine einfache, verläßliche Antwort geben. Der Hauptgrund dafür dürfte die Komplexität der Frage sein:

- Weder gibt es einen Konsens darüber, was denn eigentlich „gut" für die Entwicklungsländer ist (Stichwort: Export unseres westlichen Lebensstils), noch gibt es einen monokausalen Zusammenhang zwischen Welthandel und den für gut befundenen Entwicklungszielen (z.B. Beseitigung der Armut).

- Der Welthandel ist nur ein ökonomischer Einflußfaktor neben anderen - zu nennen wären hier Verschuldung, Produktion, Bildung, natürliche Ressourcen, Technologieentwicklung, Entwicklungshilfe, etc.

- Neben den ökonomischen spielen auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle - beispielsweise die politische Situation eines Staates, historische Abhängigkeiten oder natürliche, klimatische Gegebenheiten.

Daher soll im Rahmen dieses Textes nicht versucht werden, die Auswirkungen des Welthandels umfassend zu beurteilen. Vielmehr soll ein erster Überblick über die bestehenden ökonomischen Theorien und die historische und derzeitige Struktur des Welthandels gegeben werden.

Die Grundidee des freien Handels

Unter Handel läßt sich jeder Austausch von wirtschaftlichen Gütern, entweder als Naturaltausch oder als Tauschware gegen Geld, verstehen. Wichtig dabei ist, daß dieser Austausch freiwillig geschieht. Die Idee des Handels muß nun im Zusammenhang mit zwei anderen Vorgängen gesehen werden: der Arbeitsteilung und der Spezialisierung. Dadurch kommt es in vielen Bereichen der Ökonomie zu starken Produktivitätssteigerungen. Die genaueren Gründe dafür sind u.a. folgende:

- Unterschiedliche Begabungen und Interessen können stärker zur Geltung kommen.

- Mit fortschreitender Spezialisierung steigt das (Spezial-) Wissen.

- Arbeitsteilung erlaubt weitreichende Mechanisierung von Tätigkeiten.

- Es entfällt der mit Tätigkeitswechseln verbundene Aufwand.

Arbeitsteilung und Spezialisierung erfordern neben einem hohen Koordinationsaufwand auch die Verteilung der produzierten Güter1). Natürlich benötigt auch der hoch spezialisierte Wissenschaftler oder der Fließbandarbeiter nach wie vor eine Vielzahl verschiedener Güter. Die Verteilung übernimmt nun in der Marktwirtschaft der Handel. Erst durch ihn läßt sich die erhöhte Produktivität wirklich in Vorteile für alle Beteiligten (einschließlich der Händler) umwandeln. Nun scheinen diese Überlegungen zunächst vor allem für kleinere Gemeinschaften zu gelten, in denen jeder auf jeden angewiesen ist. Ob dasselbe auch für internationalen Handel gilt, muß genauer hinterfragt werden. Ein wesentlicher Punkt dabei dürfte sein, in welchem Maße eine internationale Arbeitsteilung zu starken Abhängigkeiten führen kann.

Gründe für den internationalen Handel

Bevor die Gründe für die Entwicklung von internationalem Handel mit Bezug auf die historische Situation dargestellt werden, sollen an dieser Stelle zunächst einige Begriffe unterschieden werden. Wenn man allgemein von Handel spricht, dann fallen darunter sowohl Binnenhandel (Handel innerhalb eines Nationalstaates) als auch Außenhandel (grenzüberschreitender Handel zwischen Nationalstaaten). Wenn man nun das Außenhandelsvolumen aller Länder addiert und durch zwei teilt (sonst werden Importe und Exporte doppelt gezählt), erhält man das Volumen des Welthandels. Der gesamte Welthandel läßt sich in Sachgüterhandel, Dienstleistungshandel, Finanzhandel und sonstiges (z.B. Arbeit) unterteilen. Im folgenden soll es nur um den internationalen Sachgüter- und Dienstleistungshandel gehen. Im Normalfall wird dabei Ware bzw. Dienstleistung gegen Geld getauscht, insbesondere devisenschwache Länder versuchen aber häufig, „internationale Tauschgeschäfte" durchzuführen. Dabei werden zwei verschiedene Tauschgeschäfte miteinander verrechnet, so daß weitgehend auf Zahlungen verzichtet werden kann. Der Anteil dieser Tauschgeschäfte am gesamten Welthandel wird auf 5% bis 20% geschätzt, diese Schätzungen sind allerdings recht ungenau.

Nicht-Verfügbarkeit von Gütern

Die Nicht-Verfügbarkeit von Gütern ist einer der intuitiv einleuchtendsten Gründe für internationalen Handel. Dabei lassen sich zwei Aspekte unterscheiden: Der Import von Rohstoffen sowie der Export hochwertiger Fertigwaren in andere Länder, in denen entsprechende Güter noch nicht produziert wurden. Historisch gesehen läßt sich der ab dem 15. Jahrhundert - in Folge der verschiedenen Entdeckungsreisen - aufkommende Überseehandel mit der Nicht-Verfügbarkeit von Gütern begründen (z.B. Tee oder Baumwolle). Auch das Handelsimperium der Hanse vom 13. bis zum 17. Jahrhundert beruhte teilweise auf diesem Grund. Zur Kategorie der Nicht-Verfügbarkeit von Gütern gehören aber auch Situationen, in denen bestimmte Ressourcen für Kriege verwendet werden und deshalb keine eigene Produktion bestimmter Güter möglich ist - genauso wie Fälle, in denen das Produktimage ausländischer Produkte dazu führt, daß eigene Produkte subjektiv nicht als gleichwertig angesehen werden.

Absolute Preisunterschiede

Auch Situationen, in denen bestimmte Güter in einem Land weniger kosten als in einem anderen Land (absolute Preisunterschiede), spielten bereits in Frühzeiten des internationalen Handels eine bestimmende Rolle. Solange die Transportkosten (oder allgemeiner die gesamten Transaktionskosten) niedriger als die Preisdifferenz der Produkte sind, ist eine Spezialisierung in Verbindung mit Außenhandelsbeziehungen sinnvoll. Als Beispiel ließe sich hier wiederum die Hanse anführen, ganze Kaufmannsgenerationen verdankten diesen Preisdifferenzen ihren Wohlstand.

Komparative Preisunterschiede

Erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde vom englischen Ökonomen DAVID RICARDO (1772-1823) eine weitere Begründung für die Aufnahme internationaler Handelsbeziehungen ins Feld geführt. In seinen Modellen versuchte er zu zeigen, daß sich internationale Arbeitsteilung und Handel selbst dann lohnen, wenn ein Land alle Produkte absolut billiger herstellen kann als ein zweites Land. Nach RICARDO kommt es in diesem Fall zu Wohlfahrtssteigerungen, wenn sich das zweite Land auf die Herstellung der Produkte spezialisiert, die es relativ am billigsten herstellen kann ("komparative Kostenvorteile" - siehe InfoBox 1). Es muß an dieser Stelle festgehalten werden, daß die Verteilung der durch die Spezialisierung entstehenden Wohlfahrtsgewinne stark von der Verhandlungsmacht abhängt. Wenn ein Land stark von einem anderen abhängig ist, besteht die Gefahr, daß sämtliche Wohlfahrtsgewinne vom stärkeren Verhandlungspartner in Anspruch genommen werden. Auf weitere Einschränkungen der Außenhandelstheorie RICARDOs wird weiter unten eingegangen.

Intra-Industrieller Handel

In die Kategorie intra-industrieller Handel fällt ein Großteil des Handels zwischen Industrieländern. Es geht dabei um Fälle, in denen ähnliche industrielle Produkte jeweils von beiden Handelspartnern exportiert und importiert werden. Ein Paradebeispiel dafür dürfte der PKW-Handel zwischen den USA, Japan und der EU sein. Diese Form des Handels spielt erst in neuerer Zeit (seit dem 20. Jahrhundert) eine wesentliche Rolle. Eine Ursache dafür sind die niedrigen Transportkosten. Einen weiteren Grund kann man spieltheoretisch herleiten: Für keinen der Akteure ist es sinnvoll, einseitig auf den Export zu verzichten. In diesem Fall würden die eigenen Marktanteile zurückgehen, da keine Exportmärkte mehr bestehen, auf dem heimischen Markt aber nach wie vor ein starker Konkurrenzkampf herrscht. Mit Blick auf die Entwicklungsländer spielt der intra-industrielle Handel nur eine untergeordnete Rolle.

Exporte zur Finanzierung notwendiger Importe

Vor allem wirtschaftlich schwache Länder mit wenig Devisenreserven sind vielfach auf die Exporterlöse angewiesen, um wichtige Importe finanzieren zu können. Für diese Finanzierungsfunktion sind die „Terms of Trade" von großer Bedeutung. Unter den Terms of Trade versteht man das Verhältnis von Exportpreisniveau zu Importpreisniveau. (Siehe InfoBox 2 „Terms of Trade").

Vor- und Nachteile internationalen Handels

Die Vorteile internationalen Handels wurden zum Großteil bereits in den vorangehenden Abschnitten dargelegt, sie sollen hier nur kurz zusammengefaßt werden. Durch internationale Spezialisierung kommt es zu Produktivitätssteigerungen und höherer Effizienz. Von diesen globalen Effizienzgewinnen profitieren durch freien Handel alle beteiligten Ländern. Einige Autoren führen zusätzlich ins Feld, daß durch verstärkte internationale Zusammenarbeit die Gefahr politischer Krisen verringert werde. Es gibt aber auch eine Reihe von Problemen und potentiellen Nachteilen des freien internationalen Handels. Die folgende Aufzählung erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Mobilität von Produktionsfaktoren:

Die oben kurz dargestellte Theorie RICARDOs geht davon aus, daß die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit nicht mobil sind, d.h. sie verlassen nicht ihr Herkunftsland. Zu RICARDOs Zeiten war diese Annahme realistisch, im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ist aber insbesondere der Faktor Kapital sehr mobil geworden. Der Mausklick, mit dem Milliarden in Sekundenschnelle rund um den Globus verschoben werden können, ist schon fast sprichwörtlich. Aber auch die Arbeitskräfte sind deutlich mobiler als im 19. Jahrhundert, die Debatte um die „Green Card" zeigt dies sehr deutlich. Bei hoher Faktormobilität besteht die Tendenz, daß der fragliche Produktionsfaktor in Richtung des produktiveren Landes abwandert. Dafür wurden die beiden Begriffe Kapitalabflucht und „brain drain" (Abwanderung gebildeter Arbeitskräfte) geprägt. Wenn es zu diesen Phänomenen kommt, gelten die Schlußfolgerungen RICARDOs nicht mehr. „Marktmachteffekt": Wenn ein Land auf die Produktion eines Gutes verzichtet, kommt möglicherweise ein anderes Land zu einer Monopolstellung bei der Produktion dieses Gutes. Auch im internationalen Handel hat ein Monopolist eine größere Marktmacht und kann leichter höhere Preise durchsetzen. Dieses Problem taucht insbesondere dann auf, wenn die Umstellung der Produktion sehr teuer ist - es ist dann schwierig, die Arbeitsteilung rückgängig zu machen.

„Dynamik des Weltmarktes":

Bei sich ändernder Nachfragestruktur auf dem Weltmarkt sind stark spezialisierte Länder potentiell stark gefährdet. Für die Entwicklungsländer kann sich beispielsweise eine sinkende Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen verheerend auswirken.

„Dynamische Effekte von Spezialisierung":

Wenn von der Produktion technologie- und wissensintensiver Produkte neue Entwicklungsimpulse für die wirtschaftliche Entwicklung ausgehen, dann kommt es zu einer positiven Rückkopplung für die entsprechenden Länder. Da die vergangenen Jahrzehnte gezeigt haben, daß solche Rückkopplungen tatsächlich auftreten und es entsprechende Entwicklungsimpulse durch die Rohstoffproduktion o.ä. nicht gibt, droht eine Festschreibung bestehender Entwicklungsunterschiede.

„Verteilung der Wohlstandszuwächse":

Die wirtschaftliche Ausgangssituation, die ToT, aber auch politische Verhandlungsmacht haben einen Einfluß auf die Verteilung der Wohlstandszuwächse. Wie bereits am Beispiel der ToT gezeigt (siehe InfoBox 2 „Terms of Trade"), kommt es in der Realität zu einer Ungleichverteilung zugunsten der reichen Länder.

„Gefahr des Leistungsbilanzdefizites":

Die Leistungsbilanz eines Landes mißt die Differenz zwischen Exporten und Importen (monetär bewertet). Sie besteht aus zwei Teilbilanzen, der Handels- und der Dienstleistungsbilanz. Wenn ein Land ein Leistungsbilanzdefizit hat (die Importe also größer als die Exporte sind), muß dieses Defizit durch eigene Devisenreserven oder die Aufnahme von Krediten (Auslandsverschuldung) finanziert werden. Diese Auslandsverschuldung muß nicht unbedingt staatlich sein, bei dauerhaft auftretenden Leistungsbilanzdefiziten drohen aber letztlich Verschuldungsprobleme.

„Umweltprobleme":

Wenn die durch Transporte bedingten Umweltbeeinträchtigungen nicht von den Transportunternehmern bezahlt werden, führt das zu einem gesamtwirtschaftlich gesehen nicht-optimalen Handels- und Transportvolumen. Solche Umweltbeeinträchtigungen fallen unter den Begriff der „externen Kosten". Zu diesen gehören alle Kosten, die nicht über Marktpreise abgegolten werden. Freier Welthandel birgt die Gefahr in sich, daß einige Länder systematisch solche Umweltbeeinträchtigungen in Kauf nehmen, um ihre Produktionskosten zu senken - es besteht die Gefahr des Umweltdumping.

„Krisenverschärfung":

Freier Handel kann durchaus zu Verschärfungen politischer Krisen führen, da mit den Exporterlösen Kapital für Aufrüstung zu Verfügung steht.

Freihandel oder Protektionismus

In der Praxis gibt es einen weiteren wichtigen Diskussionspunkt im Zusammenhang mit internationalem Handel. Es handelt sich dabei um die Frage, ob Freihandel oder Protektionismus vorteilhafter ist. Unter Protektionismus versteht man die Politik eines Landes, mit der gezielt die ausländische Konkurrenz zum Wohl der eigenen Wirtschaft behindert wird. Viele Länder subventionieren beispielsweise Exporte, schützen aber die heimatliche Industrie vor Importen. Diese Haltung entspricht den Idealen des Merkantilismus, der bis ins 19. Jahrhundert vorherrschenden nationalökonomischen Denkweise. Der Merkantilismus hatte ein positives Leistungsbilanzsaldo zum Ziel. Heute gilt dieses Ziel als überholt, der zentrale Begriff ist nunmehr das nationale Wohlfahrtsniveau. Es gibt zwei grundlegende Varianten für protektionistische Maßnahmen: Zölle und sogenannte „nicht tarifäre Handelshemmnisse". Zölle sind Geldbeträge, die beim Import von Gütern an den Staat abgeführt werden müssen. Dadurch werden ausländische Produkte verteuert, so daß die inländische Wirtschaft konkurrenzfähiger ist. Neben dieser Schutzfunktion haben Zölle aber auch eine Ertragsfunktion. Sie erhöhen die Staatseinnahmen, was insbesondere in vielen Entwicklungsländern mit schlecht funktionierendem Steuersystem wichtig ist. In den Industrieländern spielte die Ertragsfunktion vor allem historisch eine große Rolle - beispielsweise waren Zölle in den USA um 1850 die größte staatliche Einnahmequelle (KOCH 1997). Zu den „nicht tarifären Handelshemmnissen" gehören eine ganze Reihe von staatlichen Maßnahmen, etwa Mengenbeschränkungen für Importe, nationale Normen und Standards, administrative Behinderungen, etc. Diese Maßnahmen haben heute eine viel größere Bedeutung als Zölle, und ihre Abschaffung ist oft das Ziel von WTO (Welthandelsorganisation)-Vereinbarungen. Es ist allerdings umstritten, ob die uneingeschränkte Liberalisierung für alle Länder von Vorteil ist. Es liegen häufig Fälle vor, in denen es vom Standpunkt eines Landes wirtschaftlich vorteilhaft sein kann, einen Zoll zu erheben. Wenn aber alle Länder so handeln, dann kommt es schnell zu einem Ergebnis, in dem die Vorteile des Handels nicht genutzt werden können. Gegen eine zeitlich befristete Phase des Protektionismus, in der die inländische Industrie konkurrenzfähig gemacht wird, ist nur wenig einzuwenden. Durch dieses Vorgehen werden die großen sozialen Probleme und Abhängigkeiten vermieden, die aus dem Zusammenbruch einer plötzlich internationaler Konkurrenz ausgesetzten, nicht weltmarktfähigen Wirtschaft resultieren.

Historische Entwicklung des Welthandels

Die historische Entwicklung des Welthandels läßt sich in mehrere Phasen unterschiedlicher Zeitdauer einteilen. Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts war die weltwirtschaftliche Integration stark ausgeprägt. Die Jahre von 1870 bis 1913 werden auch als „golden age" bezeichnet. Die starke wirtschaftliche Verflechtung insbesondere zwischen den entwickelten Ländern Europas, der USA und Japan muß vor dem Hintergrund der damals vorherrschenden Freihandelstheorie und des Liberalismuskonzeptes gesehen werden. In der Tabelle hier sind die Exportquoten (Anteil des Exportes an der gesamten Wertschöpfung eines Landes) der entwickelten Marktwirtschaften im historischen Vergleich dargestellt. In der Phase von 1913 bis 1950 ging der Welthandel stark zurück. Ursachen dafür sind die beiden Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise 1929. Nach den Erfahrungen dieser Krisen betrieben viele Länder eine Politik der Abschottung gegenüber anderen Staaten. Nach 1950 nahm der Umfang des Welthandels wieder kontinuierlich zu. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen. Dabei wurde der Stand von 1913 von den Industrieländern erst in den 60er und 70er Jahren erreicht. Großbritannien hat bis heute nicht dieses Niveau erreicht. Im Laufe der 80er Jahre wurde das Wort „Globalisierung" für die zunehmende internationale Verflechtung geprägt. Dabei ist die ökonomische Globalisierung nur ein Aspekt neben anderen: Daneben existieren kulturelle Globalisierung, politische Globalisierung, etc. Die heutige wirtschaftlich internationale Verflechtung unterscheidet sich von der „golden age"-Phase zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem hinsichtlich der Struktur der Beziehungen. So hat u. a. eine Verschiebung vom intersektoralen zum intrasektoralen Handel stattgefunden (HÜBNER 1998). Die heute herrschende Meinung in der Ökonomie besagt, daß Freihandel segensreich für alle Länder ist - WTO, IWF (Internationaler Währungsfond) und Weltbank agieren auf Grundlage dieser Prämisse. Es wird aber auch vielfach Kritik geäußert. Dazu gehören die Forderung nach einer stärkeren Rolle der Politik und die Proteste der Zivilgesellschaft wie 1999 in Seattle.

Gegenwärtige Struktur des Welthandels

Hier soll kurz die derzeitige Struktur des Welthandels in Hinblick auf die Lage der Entwicklungsländer dargestellt werden. Dabei sollen keine umfangreichen Tabellenwerke verwendet, sondern nur die Grundstruktur beschrieben werden. Für genauere Daten sei auf OECD (1996) verwiesen. Der Anteil der einzelnen Ländergruppen am gesamten Welthandel geht aus Tabelle 2 hervor. Anhand dieser Tabelle wird schon ein Grundproblem einer stark aggregierten Darstellung deutlich: Besonderheiten einzelner Länder werden vernachlässigt. Die Gruppe der Entwicklungsländer ist hinsichtlich des Handels keineswegs homogen. Je genauer aber klassifiziert wird, desto unübersichtlicher werden die Ergebnisse. Zu den Zahlen sei hinzugefügt, daß die asiatischen Entwicklungsländer etwa 3/4 des Handelsvolumen aller Entwicklungsländer abwickeln. Aus den eben angeführten Daten läßt sich noch nicht die Bedeutung des Außenhandels für die einzelnen Ländergruppen entnehmen. Dazu müssen die jeweiligen Exportvolumen ins Verhältnis zur Wertschöpfung gesetzt werden. Bei einer solchen Betrachtungsweise stellt sich heraus, daß die Entwicklungsländer stärker vom Außenhandel abhängen als die Industrieländer. Das gilt insbesondere für die asiatischen Entwicklungsländer, aber auch für die afrikanischen (Tabelle 3). Eine weitere aussagekräftige Kenngröße ist das Leistungsbilanzsaldo (siehe oben). Im langjährigen Mittel hatten die Entwicklungsländer in den vergangenen dreißig Jahren ein negatives Leistungsbilanzsaldo, während insbesondere die europäischen und asiatischen Industrieländer stark positive Salden aufwiesen. Wie bereits erwähnt, können dauerhaft negative Leistungsbilanzsalden zu Verschuldungsproblemen führen. Eine genauere Darstellung der Handelsstruktur nach Regionen, Handelspartnern, Gütergruppen, etc. findet sich z.B. in OECD (1996).

Anmerkung: 1) Der Aufwand für die Verteilung zählt zu den Transaktionskosten. Allgemein definiert sind Transaktionskosten als solche Kosten, die bei der Übertragung von Verfügungsrechten entstehen. Dazu zählt man u.a. Informationskosten (wer bietet was wann wo zu welchem Preis an?), Verhandlungskosten oder Absicherungskosten.

Christian Bartholomeus

Literaturquellen

BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) (1999): Journalistenhandbuch. 23. Auflage Berlin.

HÜBNER, K. (1998): Der Globalisierungskomplex. Grenzenlose Ökonomie - grenzenlose Politik? Edition Sigma, Berlin.

KOCH, E. (1997): Internationale Wirtschaftsbeziehungen. Band 1 Internationaler Handel. 2. Auflage, Verlag Vahlen, München.

OECD (1996): Historical Statistics. Paris.

SAMUELSON, P. A. & Nordhaus, W. D. (1998): Volkswirtschaftslehre. 15. Auflage, Ueberreuter, Wien.

ZWEIFEL, P. & HELLER, R. H. (1997): Internationaler Handel. Theorie und Empirie. 3. Auflage, Physica-Verlag, Heidelberg.

Der Beitrag ist auch im internet unter www.greifswald-online.de/hp/bartolom/seminar veröffentlicht

Fotos: Markt in Kirgistan, H. Koksch

Infobox 1:

Komparative Kostenvorteile - RICARDOs 2 Länder/2 Güter-Modell (nach ZWEIFEL 1997)

Beispiel: 2 Länder: Deutschland, Frankreich und 2 Produkte: Tuch, Weizen

  maximale Produktionsmengen nationale Tauschrelationen
  Tuch Weizen Tuch/Weizen Weizen/Tuch
Frankreich 100 50 2/1 1/2
Deutschland 200 150 4/3 3/4


Frankreich könnte also entweder 100 Einheiten Tuch oder 50 Einheiten Weizen oder Kombinationen aus beiden (bei Verzicht auf eine Einheit Weizen können zwei Einheiten Tuch zusätzlich produziert werden) herstellen. Deutschland kann zwar insgesamt mehr von beiden Gütern herstellen, Frankreich hat allerdings bei der Produktion von Tuch einen komparativen Vorteil. Für die Produktion einer Einheit Tuch muß Frankreich nur auf eine halbe Einheit Weizen verzichten, Deutschland muß dagegen für die Produktion einer Einheit Tuch auf eine 3/4-Einheit Weizen verzichten. Für Frankreich bietet sich deshalb folgendes Vorgehen an: Es verzichtet auf die Produktion einer halben Einheit Weizen, die es für die Ernährung der Bevölkerung benötigt, produziert stattdessen eine Einheit Tuch. Anschließend tauscht es diese eine Einheit Tuch in Deutschland gegen eine 3/4-Einheit Weizen. Es hat letztlich eine 1/4-Einheit Weizen gewonnen. Spiegelbildlich dazu hat Deutschland natürlich einen komparativen Vorteil bei der Produktion von Weizen. Deutschland hat also einen Vorteil davon, wenn es etwas mehr Weizen produziert und diesen gegen Tuch aus Frankreich tauscht. Die Tendenz geht also dahin, daß Frankreich Tuch nach Deutschland exportiert und Deutschland Weizen nach Frankreich exportiert.

Infobox 2:

Terms of Trade

Der Begriff der Terms of Trade (ToT) soll hier am Beispiel eines Rohstoffe exportierenden Landes dargestellt werden. Es sei weiter angenommen, daß dieses Land hochwertige Industriegüter importiert. Wenn jetzt gegenüber dem Vorjahr die Weltmarktpreise für die Rohstoffe um 5% sinken, die Preise für die Importgüter dagegen konstant bleiben, dann sinken auch die Terms of Trade (Quotient aus Exportpreisen durch Importpreise) um 5%. Das besagte Land muß also mehr exportieren, um die selbe Menge importieren zu können. Für ein anderes Land, das Rohstoffe importiert und Industriegüter exportiert, ändern sich die ToT natürlich spiegelbildlich. In der Realität haben sich die Weltmarktpreise für Rohstoffe (oder allgemeiner für die Exportgüter von Entwicklungsländern) tendenziell so wie im obigen Beispiel verhalten. Ursachen dafür sind in der Zunahme rohstoffunabhängiger Wirtschaftsaktivitäten in den Industrieländern sowie in einer Angebotszunahme auf dem Weltmarkt zu sehen. Die Entwicklung der Terms of Trade läßt sich als System mit eingebauter positiver Rückkopplung beschreiben: Mit sinkenden Rohstoffpreisen müssen rohstoffexportierende Länder größere Mengen auf dem Weltmarkt anbieten, um ihre Deviseneinnahmen konstant halten zu können. Mit einem zunehmenden Angebot auf dem Weltmarkt sinkt allerdings der Weltmarktpreis nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage weiter. Die einsetzende Spirale wird noch dadurch verschärft, daß z.B. durch die Verschuldungskrise weiterer Devisenbedarf entsteht, der wiederum nur durch Exporte gedeckt werden kann.


Tabelle 1: Exportquoten im historischen Vergleich (nach HÜBNER 1998)

 
1890
1913
1929
1938
1950
1970
1992
USA
6,7
6,4
5,0
3,7
3,8
4,0
7,5
Westeuropa
14,9
18,3
14,5
7,1
13,4
17,4
21,1
Japan
5,1
12,6
13,6
13,0
6,8
9,7
8,8

Tabelle 2: Aufteilung des Welthandels 1996 (nach BMZ 1999)

 
westliche Industrieländer
Entwicklungsländer
osteuropäische Staaten
 
Mrd. US$
%
Mrd. US$
%
Mrd. US$
%
Importe
3655
66,7
1616
29,5
210
3,8
Exporte
3594
67,4
1535
28,8
201
3,8

Tabelle 3: Verhältnis der Exporte zum Bruttoinlandsprodukt 1987 (nach ZWEIFEL 1997)

 
Welt
Industrieländer
Entwicklungsländer (EL)
EL in Afrika
EL in Asien
EL in Lateinamerika
Export/BIP in %
14,9
13,9
22,4
24,2
32,6
8,8

 


  zurück zur Ausgabe 6 zurück zur Hauptseite