Rezensionen

zypresse Nr. 5 - Magazin für Kultur & ZielgruppenFahndung

Der Kosovo-Konlikt - Wege in einen vermeidbaren Krieg

Gerhard Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott - Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA


 

zypresse Nr. 5: Magazin für Kultur & ZielgruppenFahndung; Postfach 101328, 17019 Neubrandenburg, 68S., 4DM

Seit Juni ist eine neue Ausgabe der zypresse im Handel. In dem Heft wird aus unterschiedlichen Sichtweisen und mit unterschiedlichen Meinungen rund um Ordnung und Sicherheit diskutiert. Der Bogen spannt sich weit über Sozialarbeit, Nummern, Erziehung sowie über Vorstellungen und Mythen der Sicherheitspolitik. Allen gemeinsam ist Kritik an bestehenden Sicherheits- und Ordnungsvorstellungen. Dies geht bei einigen bis zu einer für mich nicht nachvollziehbaren absoluten Abneigung gegen Ordnung und Sicherheit. Interessant waren trotzdem vor allem für mich die Einblicke in die Funktion der Sozialarbeit. Das Heft wird durch zahlreiche Beiträge zu neuen Filmen, Ausstellungen, Büchern, Comics und Musik abgerundet. Rezensionen, von denen wir im Likedeeler nur träumen können...


 

 

Der Kosovo-Konlikt - Wege in einen vermeidbaren Krieg; Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 2000, 39 DM

Die Rechtmäßigkeit des NATO-Krieges gegen Jugoslawien bleibt auch weiterhin umstritten. Heinz Loquai, General a.D. und ehemaliger Mitarbeiter der OSZE, hatte in seiner damaligen Position eine hervorragende Möglichkeiten Quellen aus erster Hand zu studieren und zu bewerten. In seinem Buch “Der Kosovo-Konflikt-Wege in einen vermeidbaren Krieg” untersucht er unter anderem die zentralen für den Krieg ins Feld geführten Argumente, wie das Massaker von Racak und den Hufeisenplan und weist auf ihre Unhaltbarkeit hin. Er beschreibt die Zeit von November 1997 bis zum März 1999. Ohne die Subjektivität, die bei allen Untersuchungen nicht zu verhindern sind, zu verschweigen, ist der Autor bemüht ein möglichst zutreffendes Bild der Wirklichkeit zu zeichnen. Loquai mußte aufgrund seiner kritischen Haltung zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien seinen Dienst bei der OSZE quittieren. Während das Auswärtige Amt eine Weiterarbeit in der OSZE mit Loquai wünschte, betonte das Verteidigungsministerium , Loquai habe sich durch sein Verhalten “selbst disqualifiziert” und seine Behauptungen entbehrten “jeder Grundlage” (Berliner Zeitung, 23.6.00). Für sein friedenspolitisches Engagement erhielt Heinz Loquai von der IPPNW die Clara-Immerwahr-Auszeichnung. Frank Effenberger


 


Gerhard Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott - Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA (PapyRossa Verlag, 2000; ISBN 3-89438-207-4; DM 28,00)

"Es ist gewiß eine schwierige Intrige, die es hier zu entwirren gilt und deren Schlüssel vermutlich in einer spezialisierten Organisation, wahrscheinlich jenseits der Grenzen liegt. Es handelt sich dann auch darum, zu sehen, welchen Anteil unsere Politiker daran haben, mit welchem Grad von Bewußtheit und Initiative." Dieser Intrige, auf die Aldo Moro, der "Allende Italiens", in Aufzeichnungen während seiner Geiselhaft vom 16. 03. - 10. 05. 1978 hinweist, geht Gerhard Feldbauer nach. Er wertet dabei zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema aus, beleuchtet die historischen Hintergründe und benennt die Verantwortlichen und Drahtzieher: "Die Regie führt die CIA, ihre italienische Zentrale ist die P2, die neofaschistische Bewegung mit ihrer 400.000 Mitglieder zählenden MSI-Partei an der Spitze spielt die Rolle eines Stoßtrupps, die Fäden halten Andreotti und Gelli in der Hand. Als ausführendes Organ nutzen sie die Brigate Rosse, deren Haß auf das herrschende Regime der Democrazia Cristiana und ihren Bündnispartner im Historischen Kompromiß, die IKP, sie durch V-Leute, Agenten und Provokateure in die gewünschte Richtung lenken und sie in eine ausweglose Situation treiben, die geradezu zwangsläufig mit der Exekution der Geisel enden muß." Wenn der politisch interessierte Leser eine historisch brisante Abhandlung, einen Spionage-Thriller, einen Polit-Krimi erwartet, so werden seine Erwartungen weit übertroffen. All diese Ansprüche erfüllt das Buch, führt die einzelnen Elemente zusammen in einer konzentrierten Darstellung der historischen Gegebenheiten und der politischen Interessen, stellt minutiös die Abläufe der Entführung dar, benennt Auftraggeber und Ausführende bei der Beseitigung von Beweismitteln und der Liquidierung von Zeugen. Gerhard Feldbauer verdeutlicht am "Fall Aldo Moro" exemplarisch die Durchsetzung des Weltherrschaftsanspruches der USA mit allen Mitteln, bis zu geplantem Staatsstreich und Anzettelung von Bürgerkriegen. Vom Staatsterrorismus über geheimdienstlich geführte Terrororganisationen der NATO (Gladio) oder der Neofaschisten bis zur Infiltration der Roten Brigaden oder der RAF, neuerdings auch der Gründung "linksextremer" Gruppierungen, die mit "rotem" Symbol faschistische Ziele durchsetzen sollen, reicht die breite Palette derer, die lauthals von Demokratie, Menschenrechten und Selbstbestimmungsrecht der Völker reden. Der Prozeß gegen die Mörder Aldo Moros ist noch nicht beendet. Der Drahtzieher und Staatsmann Andreotti wurde im Frühjahr 2000 freigesprochen. Die Lektüre führt uns bis in die jüngste Geschichte, gibt auch Einblicke in das gewachsene Bewußtsein der italienischen Bevölkerung, deren Reaktion auf den NATO-Krieg gegen Jugoslawien das Kriegsbündnis fast scheitern ließ. Bereits während der Lektüre wünschte ich mir eine Übersicht der Personen mit ihren zahlreichen Querverbindungen und Verstrickungen in Verbrechen weltweit, notwendig für das Gedächtnis der Völker. Vielleicht präsentiert sie der Autor demnächst.

Sonja Ryll


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