Die Mauer in Berlin
klicke auf's BildII

Die beiden Gegenspieler in Kalten Krieg um Deutschland: Konrad Adenauer...
klicke auf's BildII

... und Walter Ulbricht
klicke auf's BildII


Zitatsammlung hierIII


Im Schatten des "Kalten Krieges" -

Das Ende der Einheitsträume im Nachkriegsdeutschland

- zum Mauerbau am 13. August 1961 -

In diesem Jahre jährt sich zum 40sten Mal der Bau der Mauer zwischen der Sowjetischen und den drei westlichen Besatzungszonen in Berlin. Um jedoch die Hintergründe, welche zur Trennung Deutschlands geführt haben zu beleuchten, ist es notwendig, weitere Jahre in die Vergangenheit zu schauen, denn die Grundsteine der Mauer wurden schon Ende der 40er Jahre gelegt.

Außenpolitische Konzeptionen für das Nachkriegsdeutschland

Am Anfang des Mauerbaus stand das Ende des Dritten Reiches und die Aufteilung Deutschlands unter den Siegermächten in vier Besatzungszonen: der Amerikanischen, Britischen, Sowjetischen und Französischen. Über Zukunft und außenpolitische Neuorientierung Deutschlands und Europas herrschte unmittelbar nach Kriegsende keine klare Vorstellung. In den Westzonen Deutschlands wurden in den Jahren 1945-49 verschiedenste Konzepte hierzu entworfen. Sie reichten von einer Politik der Neutralität (Zitat 1), über eine strikte Westanbindung Gesamtdeutschlands bis hin zur Teilung entlang der Grenze zum sowjetischen Sektor und Zugehörigkeit der westlichen Gebiete Deutschlands zum Westen (Zitat 2). Breite öffentliche Resonanz unter den Deutschen selbst fand der Vorschlag eines sozialistischen Landes und demokratischen Staates zwischen Ost und West als Deutschlands beste politische Möglichkeit (Zitat 3). Konrad Adenauer sah schon früh in einem Zusammenschluß der Amerikanischen, Britischen und Französischen BZ (Besatzungszone) mit enger Bindung an die westlichen Alliierten die einzige Möglichkeit der Sowjetunion, an deren friedliche Hegemonialpolitik er nicht glaubte, Paroli zu bieten.

Frühe Vorentscheidungen

Diese jedoch war schon nach 1946 nicht ohne große strukturelle Schwierigkeiten wiederherstellbar. Denn in der sowjetischen Besatzungszone waren „[...] Großgrundbesitz und Monopolkapital [...] rasch entmachtet worden. Dagegen wurde in Westdeutschland die Verfügungsgewalt der einflußreichsten Unternehmer über die Produktionsmittel zunächst lediglich eingeschränkt, keineswegs aber für immer aufgehoben. [...] Während im Einflußbereich der sowjetischen Besatzungsmacht eine Bodenreform durchgeführt worden ist, unterblieb sie im Westen [...]„ (*3). Durch die Ansichten des deutschen Volkes zu vielen dieser Fragen ging allerdings keine so deutliche Grenze, wie entlang der östlichen und westlichen Besatzungszonen. Volksabstimmungen, z.B. zur Vergesellschaftung des Eigentums an Bergbau, Eisen- und stahlerzeugender Industrien, sowie des an Schienen und Oberleitungen gebundenen Verkehrswesens in dem Jahr 1946, ergaben in Hessen und Sachsen jeweils über 70% Ja-Stimmen. Umgesetzt wurden diese Volksentscheide allerdings nur in der sowjetischen Besatzungszone.

Internationale Weichenstellung gegen ein einheitliches Deutschland

Auch international war die außenpolitische Zukunft Europas umstritten. Private europäische Organisationen, voran die schweizerische „Europa-Union„, versuchten, den Zusammenschluß Europas zu einer „Union der Europäischen Förderalisten – UEF„ voranzutreiben. Dieses war ein Versuch, Europa aus dem sich abzeichnenden Ost-West-Konflikt heraus zu halten. In den Jahren 1947 und `48 entwickelte sich in den Regierungskreisen der USA und Großbritanniens angesichts der Konsolidierung der sowjetischen Herrschaft über Mittel- und Osteuropa und der katastrophalen wirtschaftlichen Lage in Europa die Ansicht, daß die ökonomische und politische Union Westeuropas zwingend notwendig ist. Die darauf folgenden, unter Einschluß der westlichen Besatzungszonen abgeschlossenen, zwischenstaatlichen Verträge zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, erfüllten die Bedingungen der USA, an die die Vergabe der Wirtschaftshilfen des „Marschallplanes„ gebunden war. 1948 wurde die D-Mark in den westlichen Besatzungszonen eingeführt, die Löhne für einige Monate festgeschrieben und der Preisstopp für viele Konsumgüter aufgehoben – ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung der vom amtierenden Direktor für Wirtschaft Erhard favorisierten „freien„ oder „sozialen„ Marktwirtschaft. Die daraufhin einsetzende Blockade Westberlins durch die Sowjetische Besatzungsmacht gilt einerseits als Maßnahme gegen das „Hereinschwappen„ einer Zweitwährung in die Sowjetische BZ und andererseits als Machtdemonstration in Richtung der westlichen Alliierten. Sie war Antwort auf die Spaltung der deutschen Währung als Schritt in Richtung der Spaltung Deutschlands. Im August 1948 scheiterten auch die Versuche auf Interzonenkonferenzen der Gewerkschaften die Nationale Einheit zu sichern, da Gewerkschaftsführungen der amerikanischen, britischen und französischen BZ‘s der Westorientierung (u.a. Zustimmung zu Marshall-Plan) den Vorzug gaben.

Zwei deutsche Staaten – zwei politische und militärische Bindungen

Noch 1948 wurde den elf westdeutschen Ministerpräsidenten der Länder von den Militärgouverneuren Frankreichs, Großbritanniens und der USA vorgeschlagen, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, die Ländergrenzen zu prüfen und die Grundsätze eines künftigen Besatzungsstatus zu erarbeiten. Während des folgenden Jahres wird das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschlands erarbeitet, werden 1949 die Bundesrepublik Deutschland und wenige Wochen später die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Die Beziehungen beider deutscher Staaten waren in den folgenden Jahren geprägt durch den „Kalten Krieg„ zwischen den NATO-Bündnispartnern und der Sowjetunion, ab 1955 den Vertragspartnern des „Warschauer Paktes„. Für den von 1949 bis 1963 amtierenden deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer gab es keine Ostpolitik. „Im Osten stand der Feind, gegen den man sich abgrenzen mußte.„* 1 Schon 1950 löste der Korea-Krieg, die von Churchill am 11.08.1950 geforderte und von Adenauer unterstützte westeuropäische Koalitionsarmee unter Einbeziehung der westlichen Besatzungszonen eine emotionsgeladene Debatte über die westdeutsche Wiederbewaffnung aus. Die breite Öffentlichkeit sprach sich dagegen aus, u.a. da eine alleinige westliche Wiederbewaffnung den Vereinigungsgedanken gefährdete. Adenauer führte hiergegen die Überlegenheit der sowjetischen Truppen, die Aggressivität der UdSSR und die (para-?) militärische Ausbildung einiger Teile der ostdeutschen Bevölkerung ins Feld. Er war der Ansicht, daß erst ein militärisch starker Westen die UdSSR zu „vernünftigen Gesprächen„ bringen wird – seine „Politik der Stärke„. 1950 forderte die Bundesregierung die deutsche Wiedervereinigung durch freie gesamtdeutsche Wahlen. Durch die größere Wählerzahl im Westen war die Chance auf einen Sieg der westdeutschen Parteien und Niederlage der SED groß. Dieses könnte dann als Zustimmung zur Westanbindung der Sowjetischen BZ gesehen werden – was jedoch sowjetischen Sicherheitsbestrebungen widersprach. Eine ostdeutsche Reaktion kam erst nach dem Einsetzen der Debatte über die Westintegration der anderen Besatzungszonen. Verschiedene Vorschläge und Gegenvorschläge zur deutschen Wiedervereinigung wurden von der jeweils anderen deutschen Regierung abgelehnt. Zur gleichen Zeit wurden zwischen den westeuropäischen Staaten unter Einschluß der Bundesrepublik über eine „Europäische Verteidigungsgemeinschaft - EVG„ verhandelt. In der Schlußphase dieser Verhandlungen, 1952, machte Stalin Wiedervereinigungsangebote an beide deutsche Staaten und die Besatzungsmächte unter der Voraussetzung freier Wahlen. Adenauer sah hierin eine Verzögerung der westlichen Wiederbewaffnung und Störung der westlichen Vereinigung. Die USA wünschten ein geeintes Deutschland in der EVG und - da dieses im Moment nicht machbar war- keine Gespräche mit der Sowjetunion über die Deutschlandfrage (Zitat 4). Die deutsche Bevölkerung stand der Wiedervereinigung näher als der Westintegration. Auch während der Viermächtekonferenz über einen Plan zur deutschen Wiedervereinigung 1954 konnten zur Enttäuschung der deutschen Öffentlichkeit keine Fortschritte erreicht werden. Dieses führte zur Beschleunigung des Adenauer‘schen Kurses zur Westintegration: Wehrergänzung des Grundgesetzes und Erarbeitung eines Vertragswerkes zur Souveränität und Aufbau einer nationalen Armee und militärische Aufrüstung der Bundesrepublik mit Beitritt zur „WEU„- der Westeuropäischen Union und der NATO. Noch kurz vor Ratifizierung der Verträge im Jahr 1955 unterbreitete die UdSSR zur Verhinderung der sich abzeichnenden Westintegration Vorschläge zur deutschen Wiedervereinigung und zu gesamtdeutschen Wahlen, was allerdings keinen Einfluß mehr auf die Entscheidung im Bundestag hatte. Mit dem Inkrafttreten der „Pariser Verträge„ am 5. Mai 1955 erreichte die Bundesregierung ihre formale Souveränität. In den folgenden Verhandlungen erhob sie beharrlich den Gesamtvertretungsanspruch für Deutschland, also auch für die „sogenannte DDR„. Die UdSSR betonte demgegenüber die Existenz zweier souveräner deutscher Staaten und setzte sich international stark für die Anerkennung der DDR ein.

Das Wirtschaftswunder

Mit dem Jahr 1955 setzte auch der wirtschaftliche Boom in der Bundesrepublik ein, das „Wirtschaftswunder„, welches zu einem sprunghaften Anstieg des Wohlstandes in der Bundesrepublik führte. Zur gleichen Zeit ging in der sowjetischen Besatzungszone der erste 5-Jahr-Plan (1951-1955) seinem Ende entgegen – die sozialistische Planwirtschaft hatte sich etabliert. Die ungleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen in den Besatzungszonen - im westlichen Teil Deutschlands die Kernbereiche entwicklungsnotwendiger Grundstoffindustrien, wie Bergbau und Metallverarbeitung sowie die Finanzmittel des Marschallplanes, demgegenüber die geringeren und auch mehr zerstörten Industrieanlagen des Ostens sowie die zu leistenden Reparationen an die Siegermacht UdSSR – in Kombination mit unterschiedlichen Wirtschaftssystemen erzeugten in den folgenden Jahren ein deutliches Wohlstandsgefälle zwischen Ost- und Westdeutschland. Dieses und die Repressionen gegen die Kirche, selbstständige Gewebetreibende und Landwirte in der Sowjetischen BZ führten zu einer anschwellenden Fluchtwelle gen Westen.

Atomare Aufrüstung und "Disengagement"

Ein Jahr nach dem Eintritt der Bundesrepublik in die NATO am 9. Mai 1955 stand die Bundesregierung vor der Aufgabe der Umsetzung der neuen amerikanischen Verteidigungsdoktrien, undzwar dem Abbau konventioneller Streitkräfte zugunsten erhöhter atomarer Schlagkraft. Dieses mußte gegen einen breiten parlamentarischen und öffentlichen Widerstand durchgesetzt werden. Angesichts der atomaren Aufrüstung der Bundesrepublik unternahm die DDR zur Jahreswende 1956/57 einen Vorstoß, in dem sie die Bildung einer sozialistisch geprägten Konföderation beider deutscher Staaten anbot, was jedoch von den westdeutschen Parteien als indiskutabel abgelehnt wurde. Beweggründe für die Aufrüstung Westeuropas waren die Übermacht der Sowjetarmee an konventionellen Waffen und ihr „raketentechnologischer„ Vorsprung, welcher mit dem Start des ersten Satelliten in die Erdumlaufbahn sichtbar wurde. „Denn dieser Erfolg demonstrierte die Kapazität der sowjetischen Interkontinentalraketen.„(*3) Die Frage nach der wirklich von der UdSSR ausgehenden Gefahr eines Angriffs auf Westeuropa wird von verschiedenen Historikern unterschiedlich eingeschätzt. In Verhandlungen zwischen Deutschland und der UdSSR beteuerten beide Seiten unablässig ihren Willen zum Frieden... „[...] In der öffentlichen Diskussion ( in der Bundesrepublik) jedoch gewann die Frage an Bedeutung, ob nicht durch ein „Disengagement„ ein Auseinanderrücken der Blöcke und durch militärisch verdünnte Zonen ein Beitrag zur militärischen Entspannung und zur Wiedervereinigung geleistet werden kann.[...]„(*1) Diese Idee eines neutralen, entmilitarisierten Deutschlands und kernwaffenfreien Korridors in Mitteleuropa wurde auf breiter Basis in Deutschland aber auch auf internationaler Ebene durch Vorstöße von u.a. Polen (Rapacki-Plan) und der UdSSR weiterentwickelt. Doch die Bundesregierung unter Adenauer ging kaum auf diese Vorschläge zur Entmilitarisierung ein (Zitat 5). Beantragte Volksentscheide gegen die atomare Bewaffnung in Hessen wurden vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt (Zitat 6). Alle Bemühungen gegen die Stationierung von Atomwaffen scheiterten allerdings im März 1958 an dem Bundestagsbeschluß zur atomaren Aufrüstung, welcher mit den Stimmen von CDU/CSU und DP angenommen wurde.

Die Berlinkrise

Die Debatte über eine Vereinigung Deutschlands kam mit dem DDR-Vorschlag einer extrem sozialistisch geprägten Konföderation 1958 kurz wieder auf, stagnierte dann aber. Demgegenüber gewann die Diskussion über Berlin als 12 Land der Bundesrepublik und Hauptstadt der Bundesrepublik in den Jahren 1956-57 wieder an Schwung. Allerdings blieb es durch Intervention der westlichen Besatzungsmächte bei mündlichen Erklärungen zum potentiellen Hauptstadtstatus Berlins, aber keiner Regierungsverlegung. Im November 1958 richtete die Sowjetunion Noten an die Westmächte, die Bundesrepublik und die DDR, in denen sie für Berlin den Status einer freien und entmilitarisierten Stadt forderte und eine „einseitige sowjetische Aktion zur Beendigung des Viermächte-Besatzungsstatus in Berlin„ - eine Übergabe der Verwaltung an die Organe der DDR und Ausübung der Hoheit über Luft, Land und Wasser androhte. Jegliche Verletzung des DDR-Territoriums aber zöge ein Eingreifen des „Warschauer Paktes„ nach sich. Da die NATO nicht im geringsten an eine staatliche Anerkennung der DDR dachte, wies sie das sowjetische Ultimatum zurück. Im Januar 1959 reichte die Sowjetregierung den Entwurf eines Friedensvertrages nach, der den Vorschlag zweier entmilitarisierter und neutraler deutscher Staaten enthielt, demnach auf die Herauslösung der Bundesrepublik aus der NATO zielte. Für Konrad Adenauer kam eine zentraleuropäische Rüstungskontrollzone nicht in Frage ([...]„solange ich lebe [...]„), da Deutschland damit eine Sonderstellung in der NATO erhielt, ([...]„ein für immer zweitklassiger Staat„[...]), die NATO geschwächt werde und die UdSSR Mitspracherecht bei der westlichen Verteidigungsplanung erhielte. Diese russischen Vorstöße führten zu großen internationalen Spannungen, aber auch zu einem Abrücken der Bundesregierung von ihrer „Politik der Stärke„ sowie zur Verhandlungsbereitschaft der westlichen Alliierten gegenüber der UdSSR. In der NATO wurden neben einer Taktik des "Zeitgewinnens„ immer mehr auch Pläne für eine militärische Antwort auf eine mögliche erneute Abriegelung Westberlins durch die Sowjetunion entworfen und die Verstärkung der Kampfeinheiten in Deutschland angeordnet.

"Krieg in Sicht"

Die 1959 nach Genf einberufene Außenministerkonferenz der „Alliierten„ über Deutschland führte trotz beiderseitiger Kompromißbereitschaft zu keinem Erfolg. Zu der angesetzten zweiten Viermächtekonferenz reiste Chruschtschow zwar an, verlangte jedoch vor jedem Verhandeln eine amerikanische Entschuldigung, da am 1.Mai 1960 über sowjetischem Territorium ein US-Aufklärungsflugzeug abgeschossen wurde. Diese Entschuldigung bekam er nicht und der Gipfel endete, bevor er begann. Die Amerikanisch-sowjetischen Beziehungen verschlechterten sich 1960/61 mit den „Krisen„ in Kuba und dem Kongo zusehends. Beide Konfliktherde wurden vom Westen als Zeichen sowjetischer Expansionspolitik gewertet. Somit schlug der kompromißbereite Kurs der Alliierten in der Berlin-Frage unter der Führung der USA wieder in eine harte Gangart um. Mit der Machtübernahme in den USA durch J.F.Kennedy 1961 meldete Moskau erneut an, die Berlin-Frage durch weitere Verhandlungen zu lösen. Da man sich NATO-intern auf keine bis wenige Zugeständnisse an die Russen einigte, wurden die Planungen für den „Ernstfall„ militärischer Schritte v.a. von den USA weiter vorangetrieben, wenn auch unter fühlbarem deutschen Zögern, da man sich als „Kanonenfutter„ der Großmächte sah.

"Vielleicht bauen sie doch die Mauer..." (Adenauer)

Die frei zugänglichen Westsektoren Berlins wurden für die DDR zu einem immer gefährlicheren Schaufenster in das kapitalistische Wirtschaftssystem, die Besucher- und die Flüchtlingsströme in den Westen der Stadt ebbten nicht ab, gezielte Propaganda tat ihr übriges. In der Bundesrepublik hatten zu der damaligen Zeit alle beruflich gut ausgebildeten DDR-Flüchtlinge eine Chance, in der boomenden Wirtschaft Arbeit zu finden. Auch die Aussicht auf persönliche Freiheit und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten frei realsozialistischer Repression sorgten dafür, daß die DDR in unerträglichem Maße einen großen Teil ihrer fähigsten und dynamischsten Bewohner verlor. Diese Strategie, über einen „[...] ökonomischen Magnetismus der Westzonen [...]„ zu einem Rückzug der Sowjetunion aus der Sowjetischen BZ und der deutschen Wiedervereinigung zu kommen, wurde schon 1947 diskutiert (Zitat 7). 1961 hatte die Flucht aus der DDR einen Zustand erreicht, der nicht länger durch die SED-Führung zu dulden möglich war. Die jährlichen Flüchtlingszahlen in den 50ger Jahren schwankten zwischen über 100000 und 300000 (*2). Dem Mauerbau ging ein seit 1958 anhaltender „deutsch-deutscher Propaganda-Krieg„ voraus, in dessen Zentrum Berlin stand. Bei einem sowjetisch-amerikanischen Gipfeltreffen am 3./4. Juni 1961 übergab Chruschtschow ein erneutes Ultimatum von 6 Monaten und verwies darauf, daß die Übergabe der Zuständigkeit für die Zugangswege nach Westberlin an die DDR-Führung deren Abriegelung bedeutet. Kennedy warnte die sowjetische Regierung vor einseitigen Schritten und der NATO-Rat formulierte drei Grundbedingungen, deren Verletzung die Westmächte zum Eingreifen zwingen würden: militärische Präsenz der West-Alliierten in Westberlin, freier Zugang nach Westberlin, politische Freiheit und Lebensfähigkeit Westberlins. Im Hintergrund begannen hektische Kriegsplanungen im Falle einer Abriegelung Westberlins. Mahnende Diplomatenstimmen, dies sei ein unverantwortliches Spiel mit dem Atom-Krieg und die Sowjetunion wünsche nur die Konsolidierung des Ostblocks und nicht die „Demütigung„ Amerikas wurden laut und intern stellte man sich auch auf amerikanischer Seite auf Verhandlungen ein. In der ersten Augustwoche trat der „Warschauer Pakt„ zusammen und gab grünes Licht für die Abriegelung des Ostsektors. Alle diese Krisenzeichen erhöhte die Flüchtlingszahl aus dem Ostsektor auf über 30 000 allein im Juli 1961. Die Abriegelung des Ostsektors galt in dieser zugespitzten Lage nur als Vorbote sehr viel weitgehender militärischer Maßnahmen, aber da diese durch den Mauerbau nicht verletzt wurden, blieb es bei Verbalprotesten und Muskelspiel des Westens. In weiten Kreisen der Bundesrepublik sah man in der endgültigen Abriegelung der sowjetischen Besatzungszone den „Bankrott der Politik der Stärke„ und das Ende der Wiedervereinigungshoffnungen (Zitat 8).

Literatur

*1- Hrsg: Klaus-Jörg Ruhl: „Mein Gott, was soll aus Deutschland werden?„ – Die Adenauer Ära 1949-1963 Dokumente, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1985

*2 Hans –Peter Schwarz: „Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Die Ära Adenauer 1957-1964, Deutsche Verlags-Anstalt F. A. Brockhaus, 1983

*3 Georg Fülberth: „Leitfaden durch die Geschichte der Bundesrepublik„, PapyRossa Verlag, 1991

Alexandra Barthelmes

Zitatsammlung:

Zitat 1: Auszug aus dem Vorschlag des „Nauenheimer Kreises„ über die Neutralisierung Deutschlands, 1.8.1948: „[...] III. In unserer unbewaffneten Neutralität sehen wir die einzige Möglichkeit für die baldige, friedliche Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. Zur Verhütung jeglicher Rüstungsproduktion soll in Deutschland eine internationale zivile Kontrollkommission der vier Garantiemächte und der übrigen Nachbarstaaten eingesetzt werden.”

Zitat 2: Wilhelm Röpke, Prof. für Gesellschaftspolitik in Genf, Frühjahr 1945: “[...] Haben wir nun vorhin allgemein von einer Föderation aller autonomen deutschen Staaten gesprochen, so müssen wir nunmehr einstweilen der harten Realität des „Limes„ Rechnung tragen. Wir kommen dann zu dem Schluß, daß man unter den obwaltenden Umständen die föderative Neuordnung Deutschlands vorderhand auf das deutsche Hauptland, westlich der Elbe beschränken muß, indem man eine westdeutsche Konföderation schafft, an deren Spitze die westlichen Alliierten stehen [...]"

Zitat 3: Hans-Werner Richter, „Deutschland – Brücke zwischen Ost und West„, 1.10.1946 : „[...] Die Brückenbildung als sozialistisches Land und demokratischer Staat zwischen dem Westen und zwischen dem Osten, zwischen der Sowjetunion und den demokratischen Staaten ist Deutschlands politische Möglichkeit. Die junge Generation wird in ihrem Willen zum Sozialismus und zur größten europäischen Einheit diese Möglichkeit nicht übersehen [...]."

Zitat 4: Geheimes Protokoll einer Sitzung der leitenden Beamten des Amerikanischen Außenministeriums über das weitere Vorgehen in der Deutschlandfrage, 1.4.1952: “II. Taktische Überlegungen: [...] 2. Man war sich einig, daß Gespräche mit der Sowjetunion über Deutschland, wenn möglich, vermieden werden sollten. [...] Sollte es dennoch zu Gesprächen kommen, dann nur auf unterster Ebene. 3. Man war sich einig, daß die Propaganda in Deutschland verstärkt werden sollte. [...] Insbesondere Bohlen wies darauf hin, daß wir stärker auf die von der sowjetischen Armee ausgehende Gefahr für Deutschland hinweisen müssen.[...]”

Zitat 5: Der ehemalige deutsche Botschafter in London, Hans Schlange-Schöningen, 22.2.1958: “[...]Durch ihre bisherigen Methoden hat die deutsche Außenpolitik keinen einzigen echten Fortschritt in Richtung Wiedervereinigung erzielt. [...]Und weiter östlich warten unsere Nachbarn darauf, aus der Umklammerung von hüben und drüben und auch aus der Furcht vor uns erlöst zu werden. Selbst wenn diese atomwaffenfreie Zone zunächst nur symbolische Bedeutung haben mag, so darf man die Auswirkungen einer sich daraus ergebenden politischen und psychologischen Entspannung nicht unterschätzen. [...]Ich halte es nicht für sehr diplomatisch, bei jeder Gelegenheit den Russen vorzuhalten, daß man gar nicht mit ihnen verhandeln könne, da sie doch alle Verträge brächen, [...]. Aber wenn die Russen gegen uns aufrechnen, was wir an schweren Vertragsbrüchen in der allerjüngsten Vergangenheit [...] vollbracht haben, dann haben wir weiß Gott keinen Grund, uns als Pharisäer aufzuspielen. Wir sollten lieber, wie Walter Lippmann eine realistischere Untersuchung darüber anstellen, was für Verträge die Russen gehalten haben und welche nicht. [...]”

Zitat 6: Schreiben des Bundeskanzlers Konrad Adenauer an den hessischen Ministerpräsidenten August Zinn zur Abhaltung einer Voksbefragung über die Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen, 2.5.1958: “[...]Die in Frankfurt vorgesehene Volksbefragung bedeutet den Versuch, in unzulässiger Weise auf den Bundestag und die Bundesregierung Einfluß auszuüben. Sowohl die Verteidigung als auch die auswärtigen Angelegenheiten gehören zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. [...] Ich sehe mich daher genötigt, die Hessische Landesregierung zu ersuchen, die rechtswidrigen Beschlüsse der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung und des Frankfurter Magistrats [...] aufzuheben und die auf Grund dieser Beschlüsse getroffenen Maßnahmen rückgängig machen zu lassen.[...] Falls die Hessische Landesregierung bis zum 15. Mai 1958 keine Maßnahmen ergriffen hat, wird die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht anrufen. [...]”

Zitat 7: Aus Kurt Schumachers Rede auf der Konferenz des Parteivorstandes der SPD, 31.3 1947: “[...] Man muß soziale und ökonomische Tatsachen schaffen, die das Übergewicht der drei Westzonen über die Ostzone deklarieren, die das Leben im Westen als nützlicher und sinnvoller und angenehmer beweisen. [...] Es ist realpolitisch vom deutschen Gesichtspunkt aus kein anderer Weg zur Erringung der deutschen Einheit möglich, als diese ökonomische „Magnetisierung„ des Westens, die ihre Anziehungskraft auf den Osten so stark ausüben muß, daß auf die Dauer die bloße Innehabung des Machtapparates dagegen kein sicheres Mittel ist. [...]”

Zitat 8: Der Publizist Michael Mansfeld über die Heuchelei in der westdeutschen Außenpolitik, September 1961: “[...] Was am 13. August 1961 in Berlin geschah – die Abriegelung der DDR gegen den Westen – hätte an irgendeinem Tag, in irgendeinem Jahr geschehen können – es war vorauszusehen. Die Überraschung ist geheuchelt. Geheuchelt ist weiterhin die Empörung über das Ulbricht-Regime: wir wissen seit Jahren, mit welchen Methoden der Mann regiert. Geheuchelt ist die Empörung über die Sowjets: sie haben immer vorher gesagt, was sie nachher tatsächlich ausführten. Sie sagten vor Jahren, daß der Beitritt der Bundesrepublik in ein westliches Militär-Pakt-System das Ende der Wiedervereinigung sei, daß damit automatisch zwei Staaten entstehen würden – nun, sie haben Wort gehalten. [...]”


  zurück zur Ausgabe 6 zurück zur Hauptseite