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"Gespart wird immer da, wo sowieso wenig vorhanden ist"

Ein Interview mit Marita Koch von der Allgemeinen Sozialen Beratung der CARITAS

Was macht die Caritas?

Die Caritas ist einer der größten Wohlfahrtsverbände die wir haben. Aufgabe der Caritas ist es im Rahmen der Wohlfahrt tätig zu sein, das heißt sich um Belange von Menschen zu kümmern. Ein Slogan der Caritas ist zum Beispiel “Menschen brauchen Mitmenschen”. Das drückt aus, was für ein Konzept , was für eine Grundeinstellung wir haben: Da zu sein für die Menschen und versuchen ihnen die Hand zu reichen und nicht als Behörde angesehen zu werden. Caritas gibt’s seit über 100 Jahren. Sie ist gegründet worden in Freiburg. Da ist einmal der Deutsche Caritas-Verband, der die politische Vertretung übernimmt, und Caritas-Verbände wie auch andere Verbände, die unabhängig sind, aber in diesem Oberbau sich bewegen. Neben dem Caritas-Verband gibt es zum Beispiel INDIA, das ist ein Projekt für Mädchenarbeit.

Was machen Sie konkret in Greifswald?

Wir haben in Greifswald sehr viele Angebote. Und zwar gibt es die Schuldnerberatung, die Ehe- Familien- und Lebensberatung, die Allgemeine soziale Beratung, es gibt die Schwangerschaftsberatung, die Hilfe zur Erziehung. Wir haben im Haus ein Freiwilligenbüro. Das war ein Modellprojekt in ganz Deutschland und wurde von der Caritas und dem Bund finanziert. Der Tauschring ist ein Projekt des Freiwilligenzentrums. Die haben verschiedene Sachen angeschoben, zum Beispiel auch die Car Sharing-Geschichte. Wir haben die Teestube für Jugendliche und außerhalb des Hauses haben wir noch eine Aussiedlerberatung. Die Kollegin sitzt in der Spiegelsdorfer Wende. Alle Angebote sind kostenlos, es können gerne Spenden hinterlassen werden, aber bezahlen braucht man nichts. Wir haben auch noch eine Tauschbörse für Babysachen.

Das sind ja eine Menge Projekte. Wie finanzieren sich die Angebote?

Im Bundessozialhilfegesetz steht explizit drin, daß auch die freien Wohlfahrtsverbände hinsichtlich der Beratung berücksichtigt werden sollten. Und da wir in einigen Dingen Aufgaben des Staates übernehmen, kriegen wir zum Teil eine Refinanzierung vom Staat. Dann gibt es auch eine Eigenfinanzierung von seiten der Kirche, Spendenmittel, Projektmittel und EU-Mittel. Das sind also ganz verschiedene Töpfe. Hilfen zur Erziehung zum Beispiel geht über das Jugendamt, das sind Aufgaben des Jugendamtes, die wir wahrnehmen, wo über das Jugendamt auch Fachleistungsstunden gewährt werden.

Wer kommt zu Ihnen zur allgemeinen sozialen Beratung?

Allgemeine Soziale Beratung ist ein ganz weites Feld. Ich sag immer, daß ist wie beim praktischen Arzt das Auffangbecken. Ich hab´ dann darauf zu schauen: Gibt es Spezialisten für diese Dinge. Es kommen Jung und Alt. Es kommen Bürger die Fragen haben zur Sozialhilfe zum Beispiel oder überhaupt zum Umgang mit Behörden, die Schwierigkeiten haben oder einfach auch nur Nachfragen hinsichtlich Arbeitsamt, hinsichtlich Rente. Die Leute kommen aus allen Schichten. In die Allgemeine Soziale Beratung fällt auch noch die Kur- und Erholungsvermittlung. Es gibt Kinderkuren, Mutterkuren und Mutter-Kindkuren. Da kommen Menschen von Frau Professor bis durch alle Bereiche. Es ist auch nicht immer so, daß es um finanzielle Dinge geht. Es geht manchmal auch um Informationen. Oder sei es eine Vorsorge-Vollmacht, wie formuliere ich eine Vorsorge-Vollmacht. Das spielt da alles mit hinein. Wobei ich sagen muß, daß einige Dinge von mir weitergeleitet werden. Da achtet CARITAS sehr drauf, daß wir eine gute Beratung machen, daß die Ausbildung eine gute ist. Wenn jetzt jemand mit erheblichen finanziellen Problemen kommt und sich im Schuldenbereich befindet, schick´ ich ihn natürlich zum Schuldnerberater. Oder wenn jemand mit erheblichen persönlichen Problemen kommt, sei es im Bereich der Partnerschaft, dann kann ich ihn weiterleiten zur Kollegin, die Lebensberatung macht.

So ein bißchen sind sie ja schon in die Problembereiche rein gegangen. Mit welchen Hauptproblemen werden sie denn so bei der Beratung konfrontiert?

Es ist auch wie in den vergangenen Jahren so ein Hauptproblem: Die Frage nach den Sozialhilfemöglichkeiten. Da Greifswald ja ein Ort ist, der strukturell ein bißchen vernachlässigt ist und es wenig Arbeitsplätze gibt, sind Finanzen ein großes Thema. Man kann oft ganz schwer sagen, eine Person kommt wegen dem oder dem Problem. Oftmals verbirgt sich auch einiges dahinter. Frauen kommen und sagen, sie möchten eine Kur, was ihnen den Einstieg erleichtert. Während wir uns unterhalten, was die Voraussetzungen sind und wie das ganze aussieht mit einer Kur, kommen dann ganz viele andere Probleme, wo man dann noch mal schauen muß. Da wir ja sehr auf Anonymität und Datenschutz achten, das heißt z.B. das die Sekretärin keine Namen eingibt bei den Terminen, weiß ich anfangs auch nie, um was es geht. Ich denke es ist dann manchmal auch legitim zu sagen, tut mir leid, da muß ich mich erst mal informieren. Aber wichtig ist zu wissen, was wird in der Stadt angeboten, wer ist Ansprechpartner, wie sieht es mit dem Rechtlichen aus. Wobei wir keine Rechtsberatung machen dürfen.

Wie schätzen sie die sozialen Leistungen vom Staat ein? Wenn das Hauptfeld Sozialleistungen oder finanzielle Probleme sind, glauben sie, da gibt’s viel zu wenig, oder woran liegt es, das so viele kommen?

Daß so viele kommen liegt zum einen, daß sehr schwer zu überblicken ist, was steht mir zu. Das erlebe ich selber. Da ist ständig was neues und es ändert sich ja auch ständig was. So daß viele kommen, was ich auch sehr gut finde, um sich einfach zu informieren. Die andere Sache, inwieweit der Staat soziale Leistungen anbietet, ist ja bißchen schwierig. In Zeiten der leeren Kassen ist immer wieder zu beobachten, daß überall gespart wird. Gespart wird immer da, wo eigentlich sowieso schon wenig vorhanden ist. Ich mache hier ja noch die Schwangerschaftsberatung, da ist sehr deutlich zu spüren, was für einen Wert Familie und Kinder eigentlich haben. Zum Beispiel die Sache mit dem Kindergeld: Es war zum Beispiel das erste mal, das im Jahr 2000 die Kindergelderhöhung nicht bei Sozialhilfeempfängern als Einkommen angerechnet wurde. Bislang war es so, daß Sozialhilfeempfänger von der Erhöhung nichts hatten. Da wäre einiges mehr zu machen. Und es ist zum Beispiel Unterstützung des Landes für Familienurlaub weggefallen. Es gibt aber ganz viele Familien, die gar nicht in den Urlaub fahren können ohne diese Unterstützung. Der Informationsbedarf ist sehr, sehr groß. Ich denke es werden auch wieder ganz andere Werte in das Bewußtsein hereinkommen, es müßte auch der Wert von Familie stärker beachtet werden. Denn ich erlebe viele Frauen, die sagen, ich kann mein Kind nicht bekommen, weil ich Angst hab meinen Arbeitsplatz zu verlieren, weil sie einen der wenigen Arbeitsplätze für Frauen haben. Das stimmt dann sehr traurig. Hier bin ich schon ein bißchen machtlos.

Wie ist das mit den Behörden, die sind doch eigentlich zur Beratung verpflichtet, warum funktioniert das nicht?

Woran das bei den Behörden liegt kann ich nur mutmaßen. Eine Mutmaßung ist: In Zeiten der leeren Kassen gibt es auch gewisse Schwierigkeiten so zu beraten, wie der ein oder andere es möchte. Ich kann mir schon vorstellen, das es da einfach Vorschriften gibt. Hinzu kommt, deshalb haben wir die Beratungsstellen auch, daß die Vielfalt der Gesetze, die sich täglich ändert, so immens ist, daß viele in ihrem Aufgabengebiet sehr kompetent sind, aber gar nicht mal wissen, wie sieht es in einem anderen Aufgabengebiet aus. Anderseits ist es auch die Zeit. Wir versuchen schon, jedem genügend Zeit entgegen zu bringen. Es besteht die Möglichkeit von Seiten der Ämtern und Behörden an die Wohlfahrtsverbände zu verweisen. Ich verstehe es auch nicht ganz, aber ich denke das es manchmal auch eine Blindheit ist, daß man mit einem Problem tagtäglich konfrontiert wird... Ich will da auch niemand zu nahe treten, denn es gibt ganz tolle Leute die sich wirklich absolut bemühen, wie in jedem anderen Beruf. Bei engagierten Personen ist das so, bei anderen wieder nicht. Zum Beispiel gibt es eine Stiftung “Hilfe für Frauen mit Familie”, wo schwangere Frauen vor Geburt ihres Kindes Geld beantragen können, wenn sie nicht über sehr große finanzielle Mittel verfügen. Aber die Beantragung muß vor der Geburt geschehen. Es ist vereinzelt schon so, daß das Sozialamt sagt: „Gehen sie doch zu einer der beiden Schwangerschaftsberatungen in Greifswald, und fragen da nach!" Aber das ist nicht generell so. Wobei es natürlich auch noch ein Unterschied gibt, weshalb auch ein Teil der Leute zu uns kommt: Wir sind keine Behörde. Wir haben einen ganz strengen Datenschutz. Es ist auch untersagt im Haus, daß darüber geredet wird. Das ist für viele auch ganz wichtig, die vielleicht eine Frage haben, ob sie sich denn falsch verhalten haben und jetzt wissen möchten, was für Konsequenzen könnte denn das haben. Wenn ich das Gefühl hab´, ich bekomme vielleicht Sozialhilfe, ist die Schwelle vielleicht viel höher, zum Sozialamt zu gehen und sich dort einzureihen, weil da die unterschiedlichsten Menschen auf dem Flur sitzen und ich mich vielleicht als Betroffener oder Betroffene nicht damit identifizieren möchte und mich woanders erst mal erkundigen will. Das fällt fielen schwer, weil da auch eine Scham besteht.

Was würden Sie sich im sozialen Bereich wünschen?

´Ne ganze Menge. Ich hab so das Gefühl, hier wird ein Loch gestopft und da wird ein Loch gestopft, und dafür wird woanders wieder eins aufgerissen. So ein bißchen, daß wirklich der Mensch gesehen wird und nicht nur der Mensch als Problem, wenn er irgend wo hinkommt. Und daß es vielfach möglich ist am Anfang etwas zu machen. Ich find es schon schwierig, wenn bei Kindern angesetzt wird, um dort zu sparen. Ein Großteil der Kinder in Deutschland leben unterhalb der Armutsgrenze. Das hat Auswirkungen auf die ganze Zukunft, das hat Auswirkungen auf ihr Verhalten als Erwachsene. Geld wird eher in anderen Bereichen ausgegeben, weil diese Armut sieht man ja nicht. Armut ist meistens verdeckt. Da wünschte ich mir schon, daß auch die Untersuchungen, die von Caritas und der Diakonie angestellt wurden in den neuen Bundesländern, offenere Ohren finden.

Wo sehen Sie die Perspektive, wer soll die sozialen Leistungen bezahlen?

Ich denke, jeder müßte sich bescheiden. Arbeit anders einzutakten, Arbeitszeiten anders zu teilen, Modelle in der Richtung zu entwickeln. Ich sehe da im Moment nicht viel, was da so entwickelt wird. Ich denke auch immer diese netten Steuerreformen. Also, so ganz hab ich noch nicht gesehen, daß diejenigen, die eigentlich wenig haben, bevorteilt werden. Jemand der sowieso keine Steuern bezahlt, hat auch nichts davon, wenn er aufgrund irgendwelcher Freibeträge irgendwas wieder bekommt. Ich könnte mir auch vorstellen, daß andere Besteuerungen stattfinden, zum Beispiel von Vermögen. Es kann nicht sein, daß jemand einige Millionen im Jahr hat und dann das alles abschreiben kann. Gut, da hat sich schon etwas geändert. Oder daß soziales Engagement anders honoriert wird. Ich hab da auch nicht die Super-Lösung. Ich merke halt, wie wirklos ich manchmal bin, gerade wenn es finanzielle Anfragen sind. Nicht nur ich sehe das Problem. Ich erlebe auch heute, daß ganz viele Menschen daran arbeiten oder sich damit beschäftigen, aber man weiß voneinander gar nichts. Da kommt jemand mit einem Problem zu mir, und ich versuche mit demjenigen Wege zu finden und weiß aber gar nicht, das derjenige sich noch bei anderen Beratern aufhält. Das kann sein, daß das kontraproduktiv wird. Ich bin dann ganz erstaunt, wenn dann kommt: „Der hat mir aber das erzählt." Es sind verschiedene Personen, die alle Geld kosten. Wenn sie das bündeln würden, dann wäre es was anderes. Klar brauchen wir die Informationsvielfalt, aber man sollte sich dann doch festlegen, wo man hingeht.

Ja damit wären wir am Ende des Gesprächs, und ich bedanke mich bei Ihnen dafür.

Gern geschehen, ich hoffe Sie kriegen da was Passendes bei raus.

Gespräch und Bearbeitung Frank Effenberger

Die Caritas befindet sich in Greifswald in der Bahnhofsstraße 16, Tel.: 7983-0


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