Mehr als 7000 BürgerInnen demonstrierten am 14. Januar 2001 gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz
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Die rechtsextreme NPD mußte am 14. Januar 2001 durch braunen Mist laufen
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Greifswald: Zone der Angst?

“Die Hansestadt Greifswald ist eine bunte und weltoffene Stadt!” So wurde es in Greifswald seit Monaten, ich möchte sagen endlich, von vielen Menschen gesagt. Jetzt kommt ein Hamburger Journalist der Wochenzeitung „Die Woche„, schaut sich Greifswald an und schreibt einen großen Artikel über die Stadt als eine „Zone der Angst„. Dieser Artikel, der in Greifswald verständlicher Weise für viel Aufsehen sorgt, sollte kein Grund sein, den Autor zu verteufeln oder ihm typisches Ost-Westdenken zu unterstellen. Dennoch hat der Artikel tatsächlich Fehler. Nicht, dass der Autor ein vollkommen falsches Bild von Greifswald zeichnet. Nein, viele der angeführten Situationen sind Tatsache. Doch der Autor Herr Seils hat zwei Fehler begangen. Der erste ist, dass er dem Neonazi Maik Spiegelmacher auf dem Leim gegangen ist. Er hat Greifswald so beschrieben, wie Spiegelmacher es in Zusammenarbeit mit einem parteilosen Neonazi aus Stralsund über verschiedene Propagandaorgane versucht darzustellen. Greifswald wurde als braune Hochburg betitelt, die von Neofaschisten erfolgreich unterwandert worden ist. Genau diesen Eindruck versucht Spiegelmacher zu verbreiten. Da er dies auf der Straße nicht schafft, versucht er es mit Hilfe von Internetseiten. Mit mäßigem Erfolg. Greifswald ist deshalb noch lange keine Neonazihochburg. Doch einem Hamburger Journalisten, der die Situation in Greifswald nur ausschnittsweise erlebte, musste es sich so darstellen, da er auch auf derartige Quellen zurück griff. Es muss beachtet werden, was der Autor mit seinem Artikel erreichen wollte. Er wollte den Menschen die Augen öffnen, ihnen zeigen, dass in Greifswald faschistische und rechtsextreme Gedanken und deren Verkörperungen in gewisser Weise salonfähig gemacht worden sind. So muss sich die Hansestadt tatsächlich fragen lassen, wieso der führende Neonazi der Stralsunder und Greifswalder Neonaziszene, nur wenige Tage nach der Demonstration mit 7000 Menschen gegen den NPD Aufmarsch, ins Rathaus eingeladen werden kann. Dies ist ein Ding der Unmöglichkeit und ein fataler Fehler der verantwortlichen Stellen, was den Autor in seiner Sicht natürlich bestärkte. Somit hat Herr Seils wirklich einen Problempunkt in Greifswald richtig analysiert. Wer den Neonazis derart die Türen öffnet, braucht sich über negative Presse nicht zu wundern. Der andere Fehler des Journalisten ist, dass er den mittlerweile breiten Widerstand gegen Rechtsextremismus und Neonazis in Greifswald beinahe ignorierte. Eine Stadt, in der seit langer Zeit viele Organisationen und Einzelpersonen antirassistisch und antifaschistisch tätig sind, in der ein Bündnis gegen Rechts seit Jahren antifaschistischen Widerstand aufbaut und organisiert, und in der vor kurzem weit über 7000 Menschen gegen einen Aufmarsch der NPD demonstrierten, viele sich an Sitzblockaden beteiligten und damit sogar polizeiliche Räumung in Kauf nahmen, kann man nicht als brauen Hochburg abstempeln. Dieser Widerstand verdient mehr Beachtung, gerade in so einem Artikel. Diese Aktionen und diese Bewegung der Menschen in Greifswald ist die Hoffnung der Hansestadt. Sie muss noch stärker werden und darf sich nicht von einem derartigen Artikel entmutigen lassen, sondern ihn als Herausforderung ansehen, die „braune Hochburg Greifswald„ zu widerlegen. Noch ist der Satz „Die Hansestadt Greifswald ist eine bunte und weltoffene Stadt!„ mehr eine Forderung als eine Feststellung. Dies gilt es zu ändern! In diesem Sinne sollten wir den Artikel der Zeitung „Die Woche„ als eine Warnung verstehen. Als eine Warnung vor einem Greifswald, wie es sein kann und sein wird, wenn wir nicht entschieden dagegen kämpfen.

M. Schubert

Betreff: Artikel „Zonen der Angst„ über Greifswald, erschienen in der Wochenzeitung „Die Woche„ aus Hamburg, sowie den darauf Bezug nehmenden Artikel der „Greifswalder Zeitung„ vom 14.02.01


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