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Die Farben der Romakinder

Farben? United Colours of Benetton. United Nations? IG Farben? Bunt statt braun?

Eine Geigerin, "CINCA PANNA" steht auf ihrem Arm, Blumen bedecken ihr Haar und ihre Kleidung, spielt mit entrücktem Gesicht und weit aufgerissenen Augen auf ihrem Instrument, um das Vögel schwirren. Ihre Nase sieht aus wie ein Violinschlüssel, ihr Mund wie ein Herz, ihre Augen ähneln Noten. Das Bild ist großformatig. Der Zeichenlehrer der Kinder von Jarovnice sagt: "Sie sind talentiert und kreativ, werden aber weder studieren noch arbeiten." Jarovnice ist ein kleiner Ort im Osten der Slowakei. Von 3200 Einwohnern sind 2200 Roma. Sie hausen abgesondert in einer Elendssiedlung. Für "weiße" und Roma- Kinder gibt es zwei getrennte Schulen. Auf einem der ausgestellten Fotos posieren Roma- Jungen lachend in Boxerhaltung, ausgestattet mit Plastiktüten, vielleicht Geschenken ihrer Besucher. Auf einer steht riesig das Logo DR. OETKER. Im Hintergrund verfallene Hütten. Der größte Teil der europäischen Roma- 6,5 Millionen von insgesamt etwa 8,5 Millionen- lebt in Osteuropa. Die meisten, fast anderthalb Millionen, findet man in den Gebieten der ehmaligen jugoslawischen Föderation, in Bulgarien (800 000), Ungarn (600 000) und der Slowakei (500 000). Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in diesen Ländern waren Roma und Sinti die ersten, die aus den Betrieben geworfen wurden, ihre Wohnung verloren, in Gettos und Reservate gedrängt, Opfer rassistischer Gewalt wurden. Bildungsmisere, Prostitution und Drogensucht ("Schnüffeln") gehören zu ihrem Alltag . Das sieht man nicht auf den Bildern der Roma- Kinder. Ein blonder Mann mit schwarzem Schnurrbart und grünem Hut lenkt Peitsche schwingend eine bunte Kutsche mit bunten Rädern und buntem Zugpferd. Neben ihm eine schöne Frau mit langem schwarzen Haar, goldenen Kreolen, im Arm ein gewickeltes lilagesichtiges Baby. Ihr Blick ist aus großen Augen skeptisch gen Himmel gerichtet. Verschiedene Arten von Lachen zeigen die weißgestreifte Katze, das sich aufbäumende Pferd, dessen Reiter sich erschrocken mit roten Händen festklammert, und die schiefmündige gelbe Sonne. Ein grüner Hund mit weißen Punkten, ein großer grüner Schmetterling, ein blühender Baum und ein Pferd mit einem Geiger auf dem Rücken vervollständigen die Szenerie. Rote und blaue Pferde recken auf einem Bild des 15jährigen Jozef Husár unter karminrotem Himmel und einem großen weißen Mondball ihre Hälse. In langen Fäden ist die Tusche am Blatt heruntergelaufen. Von technischer Perfektion keine Spur. Die Umrisse werden mit dicker schwarzer Tusche gezeichnet, dann mit leuchtenden Farben, oft Grundfarben, flächig ausgemalt. Motive: Märchen, Folklore, Porträts, Landschaften. Die Menschen sind meist blond und blauäugig. 1938 erschien Himmlers Erlaß über die "Lösung der Zigeunerfrage aus dem Wesen der Rasse heraus". "Zigeunergesetze" waren in der Bundesrepublik bis in die 70er Jahre hinein gültig. In den sozialistischen Ländern, so der Ausstellungskatalog, seien Sinti und Roma zur Seßhaftigkeit, zur Assimilation gezwungen, ihre Kultur sei unterdrückt worden. Wenn dargestellt wird, wie sehr sich die Lage der Roma nach der "samtenen Revolution" in der Tschechischen und Slowakischen Republik verschlimmert hat, folgt daraus allerdings, daß es ihnen vorher besser ging. Von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und gesellschaftlicher Ausgrenzung waren sie frei oder sollten sie zumindest, dem gesellschaftlichen Vorsatz gemäß, frei gewesen sein. In der DDR wurden alle Sinti seit Mitte der 60er Jahre als Verfolgte des Naziregimes anerkannt und erhielten Verfolgtenrenten. Die Erzählung "Ede und Unku" der Schriftstellerin Alex Wedding über die Freundschaft zwischen einem Berliner Arbeiterjungen und einem Sinti- Mädchen in den 30er Jahren war eines der bekanntesten Kinderbücher der DDR. Wie zäh rassistische Formeln sind, habe ich noch selbst als Kind in der DDR erlebt: "Zick- zack, Zigeunerpack" gehörte beim Gummi- Twist zum von den Großmüttern überkommenen eisernen Repertoire der Zählreime. Die wunderbaren Bilder der Roma- Kinder aus Jarovnice wurden in Deutschland, in der Schweiz, Frankreich, Österreich, Ungarn und in den USA gezeigt. Sie erhielten Auszeichnungen in der Tschechischen Republik, in Indien, Japan und von UNICEF. Die Ausstellung, die derzeit in Deutschland zu sehen ist, wurde vom MitOst e.V.- einem Verein für Sprach- und Kulturaustausch mit mittel- und osteuropäischen Ländern- konzipiert und organisiert. Neben den Kinderzeichnungen sind Fotos über das Leben der Kinder in Jarovnice und Informationstafeln zur Geschichte, Kultur und zur aktuellen Situation der Roma in Osteuropa zu sehen. Die Exposition kann zu günstigen Konditionen ausgeliehen werden. Spenden kommen der Roma- Schule von Jarovnice zugute, an der der Zeichenlehrer Ján Sajko mit bunten Farben so unerschütterlich gegen das seinen Schülern zugedachte Los ankämpft.

Cristina Fischer

Ausstellungskatalog 16 Seiten, farbig, (A4) Kontakt: MitOst e.V: Thomas Büttner, Berlin, t.buettner@gmx.net Spendenkonto: Kennwort: Roma, MitOst e.V. Deutsche Bank München, BLZ 700 700 10, Kt. 9518 481


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