Rezensionen

Zeitschrift Ö-Punkte: Direkte Aktionen, Berichte aus anderen Ländern, konkrete Tips und Theorie

"Ein Mann": Ein Buch von Oriana Fallaci

Publicity für die Illegalen: Manu Chao und "Clandestino"


Zeitschrift Ö-Punkte

Zeitschrift Ö-Punkte: Direkte Aktionen, Berichte aus anderen Ländern, konkrete Tips und Theorie

Mitten drin in den Umwelt- und politischen Bewegungen, in der Diskussion um Aktionsformen, Praxis und Weiterentwicklung von Strategien zeigen sich die aktuellen Ö-Punkte mit ihrem Frühjahrsheft 2001. AktivistInnen aus dem neuen Direct-Action-Netzwerk haben 16 Seiten mit Ideen zu direkten Aktionen wie Kommunikationsguerilla, Reclaim-the-Streets und Beispielen sowie zu Widerstandsbewegungen in Italien und anderen Ländern zusammengestellt. In weiteren Texten geht es um kritische Reflexion früherer Events und den Umgang mit Angst bei Aktionen. Neben dem Schwerpunktthema finden sich weitere spannende Texte in den Ö-Punkten. Im Diskussionsforum wehren sich Freiwirtschaftler gegen den Vorwurf rechter Gesinnung und neoliberaler Ideen. Aktuelle Entwicklungen aus Kommune- und Häuserprojekten, aus der Kampagne "Ökostrom von unten", zu Castor- und internationalen Aktionen sowie Aktivitäten gegen marktwirtschaftliche Ökologiekonzepte werden dokumentiert. Zudem prägen die bewährten Rubriken von Anti-Atom über Umweltbildung, Naturschutz und Energie bis zu Widerstand und Verkehr das Heft. Viele Seiten voller Informationen, Debatten, Termine und Hintergrundtexte.

Redaktion Ö-Punkte, Ludwigstr. 11 35447 Reiskirchen


 

 

"Ein Mann": Ein Buch von Oriana Fallaci

Griechenland Ende der 60-er Jahre. Das Land wird diktatorisch regiert von Georgios Papadopoulos. Der griechische Widerstandskämpfer Alekos Panagoulis verübt ein Attentat auf ihn. Es mißglückt. Er wird festgenommen und verbringt 5 Jahre unter stärksten Sicherheitsmaßnahmen im Gefängnis. Nach diversen Fluchtversuchen wird er aufgrund starkem internationalen Druck freigelassen und geht nach Italien ins Exil. Nach dem „Umsturz„ des griechischen Regimes kehrt er zurück und wird Angehöriger im Parlament. In dieser Zeit findet er Dokumente, die die dunklen Machenschaften des Regimes beweisen und den sogenannten „Umsturz„ als Farce entlarven. Er will sie veröffentlichen, doch bevor es dazu kommt, stirbt er bei einem mysteriösen Verkehrsunfall. Die Autorin, Oriana Fallaci, Geliebte des Protagonisten verbindet ihre eigene Liebesgeschichte mit der Lebensgeschichte eines Mannes, der zu einer Symbolfigur des griechischen Widerstandes geworden ist. Außerdem wirft sie einen Blick auf die damaligen politischen Zustände. Ihre Art zu schreiben bringt die meisten LeserInnen wahrscheinlich in Verwirrung, da sie teilweise sehr wenig von sich preisgibt und eher dokumentarisch über den „Mann„ erzählt. Dann überkommt einem das Gefühl einer gewissen Unvollständigkeit. Es fehlen von ihr persönliche Reaktionen, Emotionen. Oft wirken ihre Aktionen unerklärlich und werden von einer, doch recht emanzipierten und selbständigen Frau nicht erwartet. Es scheint, als hätte sie sich von den Krakenarmen eines politischen Fanatikers einfangen lassen, aus denen sie sich nur schwer wieder befreien kann. Vielleicht ist es gerade der Fanatismus, der sie so fesselt, denn sie beschreibt begeistert „ die Einsamkeit des Individuums, das ablehnt, katalogisiert, schematisiert, von der herrschenden Mode, der Ideologie, der Gesellschaft, der Macht in bestimmte Schablonen gezwängt zu werden„. Die Einsamkeit, die schwer zu ertragen ist und jeden Menschen, so stark er zu scheinen mag, auf Dauer zerstört. Das beweist eindeutig dieses Buch. Da Oriana Fallaci die einzige Ansprechpartnerin für Alekos Panagoulis in dieser Zeit war, weiß sie es sehr treffend zu erzählen. Mehr über die Autorin Oriana Fallaci wurde 1929 in Florenz geboren. Sie stammt aus einer Schriftsteller- und Journalistenfamilie. Ihre ersten Artikel schrieb sie schon mit 17 Jahren in einer Tageszeitung. Weltberühmt wurde sie durch ihre Portraits der Mächtigen dieser Welt. Dabei gilt sie als eine der profiliertesten und eigensinnigsten Journalistinnen Europas.

ASB

Oriana Fallaci: „Ein Mann”, FischerTaschenbuch Verlag,1982, ISBN 3-596-25204-0


 

Manu Chao: Clandestino
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Publicity für die Illegalen: Manu Chao und "Clandestino"

Manu Chao gelang im vergangenen Jahr auch in Deutschland mit seinem bereits 1998 von der französischen Plattenfirma Virgin produzierten Album "Clandestino" der Durchbruch. Der Titel "King of the Bongo" wurde zum Sommerhit. Der erste Eindruck von Unbeschwertheit, Naivität und guter Laune trügt freilich. Das Album ist den mexikanischen Zapatisten gewidmet, beschäftigt sich mit der Situation illegaler Einwanderer, zitiert Mitschnitte von Reden des Subcomandante Marcos und eine Ansage des Staatlichen Rundfunks der UdSSR. Auf dem Cover ist eine Reminiszenz an den progressiven lateinamerikanischen Schriftsteller Eduardo Galeano zu finden. Schon 1999 waren weltweit eine Million Exemplare der CD verkauft worden- ohne Tournee, Manager, Vermarktungsstrategie. Die Hörerbewertungen für "Clandestino" beim Internet- Versand Amazon lauten "einmalig", "großartig", "genial", "fantastisch anders", "Superklasse". Musikkritiker (u.a. "spex") und Studentenzeitungen zeigten sich nicht minder begeistert. Der 1961 geborene hispano- französische Sänger, Komponist und Texter Manu Chao, bis 1994 Mitglied der Independent- Rockband "Mano Negra" ("Schwarze Hand"), verarbeitete in "Clandestino" seine Eindrücke einer Südamerikareise, die ihn unter anderem nach Mexiko und Brasilien führte. Seine Texte, französisch, spanisch und englisch, sind ebenso einfach wie ironisch- hintergründig. Es geht um die sans- papiers, wie die Flüchtlinge ohne Papiere in Frankreich genannt werden ("Clandestino"), um (politische) Lüge und Ungerechtigkeit ("Todos es mentira"), Auswirkungen des Tourismus in Lateinamerika ("Welcome to Tijuana"), aber auch um Liebeskummer ("Je ne t´aime plus"), und Einsamkeit ("Can´t you hear me mama call"). Gesungen ohne Glamour, Pathos, ohne revolutionäre Pose, mit kräftiger, heller Stimme und deutlichem Akzent in den englischen Passagen. Weiß der Teufel, wie es Manu Chao fertigbringt, trotz einer experimentierfreudigen Instrumentierung, einer Fülle elektronischer Collage- Effekte und wohlüberlegter Duette und Choreinsätze, die Unmittelbarkeit von Straßenmusik zu vermitteln. Wohl durch diesen ersten Eindruck einer an Einfalt grenzenden Unkompliziertheit und Lebensfreude hat er die meisten seiner Zuhörer überwältigt. Die- beim wiederholten Hören- nicht umhinkamen, düstere Stimmungen und bittere Botschaften zu bemerken. Jemand fühlte sich durch das Album an Rio Reiser und "Ton, Steine, Scherben" erinnert. Aber die Melancholie, die "malegria" von Manu Chao ist keine deutsche Sentimentalität, egal welcher Schattierung- auch Reicher- Leute- Kinder- Trübsal à la Tocotronic liegt trotz existentialistischer und rebellischer Anwandlungen fern. Manu Chaos Lieder über Unglück, soziale Misere und mögliche Alternativen werden mit dem tänzerischen Gestus der armen südlichen Völker dargeboten. Scheinbar fatalistisch, scheinbar übermütig, immer wach für den Augenblick.

Cristina Fischer

Manu Chao: Clandestino, Virgin, Paris (1998), 29.98 DM


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