Planungskarte des Parks der IGA aus dem internet
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"Blumen - Phantasie - Meer" - Kommt die IGA wirklich nach Rostock?

Von April bis Oktober 2003 soll in Rostock-Schmarl die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) stattfinden. Für dieses Großprojekt werden ca. 4 Millionen Besucher erwartet. Rostock gewinne mit der IGA schon im Vorfeld ein Image, das die Stadt als "zukunftsorientierten Standort" (Karina Jens in NNN v. 23.09.98) ausweise. Geworben wird seitdem auf Rostocker Straßenbahnen und auf Plakatwänden für die Weltausstellung, um die Rostocker Bürger und Unternehmer von dem Projekt zu überzeugen. "Die IGA ist für alle das Beste!" wird so die alles beherrschende Meinung in der Stadt. Eine demokratische Auseinandersetzung findet nicht mehr statt. In der Stadtverwaltung wird auf kritische Nachfragen gereizt reagiert und sich verbeten, die IGA schlecht zu reden. Es wird wieder nur, wie zu besten DDR-Zeiten, "nach vorne diskutiert", oder, wie es Karina Jens formulierte, "was noch nicht paßt, muß passend gemacht werden"(OZ vom 10.03.00). Ob das überhaupt noch möglich ist, erscheint zweifelhaft. Eine kritische Bestandsaufnahme, verbunden mit der Frage nach dem Sinn von solchen Großprojekten, erscheint daher als zwingend.

Die Idee

entstand Mitte der 90iger Jahre. Damals wurde, zur Entlastung des Innenstadtverkehrs, eine Warnowquerung als Autobahnzubringer geplant. Die Verbindungsstraße sollte durch Schmarl und Groß-Klein verlaufen. Da weder damals noch heute ausreichend Geld für dieses Prestigeobjekt von Alt-OB Schröder vorhanden war und ist, sollte die Warnowquerung privat finanziert werden. Folge davon ist eine Maut von mindestens 3 DM; eine Gebühr, von der nach bisherigen Kundgaben viele Rostocker meinen, daß sie sie nicht bezahlen werden und doch eher durch die Stadt fahren. Der verkehrspolitische Effekt erscheint also fraglich. Des weiteren wird die notwendige vierspurige Ausgestaltung des Zubringers, versehen mit überdimensionierten Schallschutzwänden - man munkelt von über sechs Metern Höhe -, als trennende Barriere zwischen Schmarl und Groß Klein erscheinen. Die Stadt war sich dieser Problematik bewußt. Um einer Ghettoisierung entgegenzuwirken, sollte ein Park im angrenzenden, zur Zeit noch brachliegenden Gebiet als Ausgleich geschaffen werden. Mit der Hoffnung auf eine Finanzierung mittels reichhaltiger Fördertöpfe wurde aus dem Park zunächst eine BUGA und, als die anderweitig vergeben wurde, eine IGA. Ausschlaggebend für den Zuschlag an Rostock - Mitbewerber waren u.a. Städte aus Japan und Bayern -, waren dann im Jahre 1996 vor allem sich ehemals am Ostblock orientierende Entwicklungsländer. Mit dem Motto "Blumen, Phantasie und Meer" wird jetzt für einen Aufenthalt in Rostock im Jahre 2003 geworben, um Mecklenburg-Vorpommern als Tourismusland endgültig zu etablieren.

Wie soll´s aussehen?

Auf dem zukünftigen IGA-Gelände sind neben den Nationengärten schwimmende Gärten auf Pontons, die den geographischen Standortvorteil - "Blumen und Meer" - einer Gartenausstellung in Rostock unterstreichen sollen, geplant. Damit verbunden wurde mittlerweile die Neuerrichtung einer Landesmesse auf dem gleichen Gelände. Vorgesehen ist eine multifunktionale Halle, die nicht nur für die IGA und Messen nutzbar ist, sondern auch für Sportveranstaltungen, Konzerte, Tagungen und ähnliches. Weiterhin ist ein neues Gewerbezentrum - "Hamburger Tor" - direkt neben dem Lütten Kleiner Bahnhof in der Projektierungsphase. Die IGA und die Messe sollen aber nicht nur kompensierend für die räumliche Trennung des Zubringers wirken, sondern auch zu einer Aufwertung der Neubauviertel Schmarl und Groß Klein führen und damit identitätsstiftend für die Bewohner wirken. Gleichzeitig dient die IGA mit der Deadline April 2003 als Katalysator für eine Vielzahl weiterer infrastruktureller Maßnahmen im Stadtgebiet. Der Umbau des Lütten Kleiner S-Bahnhofs, die Warnowquerung, die Untertunnelung des Hauptbahnhofs, die Straßenbahnerweiterung in den Nordwesten und die Neuerrichtung eines Messestandortes sind zeitlich an die IGA gebunden und sollen bis zur Eröffnung abgeschlossen sein. Rostock konzentriert sich also nicht nur auf eine Weltausstellung, sondern plant im Zusammenhang damit eine Reihe anderer Großprojekte. Parallel dazu wird das Ostseestadion umgebaut und eine Reihe von verkehrsinfrastrukturellen Maßnahmen, wie der Umbau des Schutower Rings, der Neubau der Innenstadttangente Saarplatz - Steintor, der Umbau des Autobahnkreuzes Rostock-Ost und die Anbindung an die A 20, realisiert. Dadurch drängt sich fast zwangsläufig die Frage nach der

Finanzierung

dieser Vorhaben auf. Vorweg muß gesagt werden: Die Finanzplanungen sind ein wunderbares Beispiel, wie Kosten "schön" gerechnet werden, ohne daß die genaue Rechnung für Laien und Abgeordnete der Bürgerschaft durchschaubar bleibt. Für die IGA gab es einen Bürgerschaftsbeschluß (NNN 4.11.99), der die Kosten für die Stadt auf 100 Mio DM beschränken sollte. In diesem waren ursprünglich auch die Kosten für die Messehalle, damals noch als IGA-Halle, in Höhe von 30 Mio DM enthalten. Durch die nun erfolgte Trennung der IGA von der Messe werden sich die Kosten für die IGA ohne Halle auf 70 Mio DM beschränken. Die Messehalle wurde als Projekt Landesmesse ausgegliedert, und ist so eine weitere Belastung für den Haushalt der Stadt. Diese entsteht aus den Erschließungskosten (50 Mio DM) und den Hochbaukosten (70 Mio DM). Leider ist nur die Erschließung durch das Land förderungsfähig, wobei auch hier ein obligatorischer Eigenanteil für die Stadt anfällt. Die Hochbaukosten muß die Stadt alleine tragen. Hierfür will die Verwaltung 50 Mio DM aus dem Vermögenshaushalt aufbringen und 20 Mio DM sollen über Kredite, die dann auf die laufenden Betriebskosten aufgeschlagen werden (siehe Problem Wirtschaftlichkeit der Messehalle), finanziert werden. Bis hier entstehen also Kosten für die Stadt:

a) IGA: 70 Mio DM

b) Messehalle (Hochbau) 70 Mio DM

c) Messehalle (Erschließung/ Eigenanteil) 10 Mio DM (20 %)

gesamt: 150 Mio DM

die weit über die ursprünglich veranschlagten 100 Mio DM hinausgehen. Weitere 7-10 Mio DM stehen noch für die Warnowquerung an; für den Umbau des Lütten Kleiner Bahnhofs (3 Mio DM) und des Hauptbahnhofs muß die Stadt ihren Eigenanteil aufbringen. Durch geschicktes Ein- und Ausplanen von Teilprojekten wurden also die Kosten für die IGA gehalten, für die Stadt aber sind reale Mehrkosten von ca. 60 Mio DM enstanden. Für das "reine" Projekt IGA geht das Land von einem Gesamtumfang von 291 Mio DM aus; die 100 Mio DM von Rostock abgezogen, sollen die restlichen Gelder durch den Bund (55 Mio DM), das Land (71 Mio DM), durch Eintrittsgelder (45 Mio DM) und durch die Betreiber (20 Mio DM) aufgebracht werden. Die für die Stadt entstehenden Kosten sollen aus dem Vermögenshaushalt gedeckt werden, der durch den Verkauf der Anteile an den Stadtwerken und der Stadtentsorgung um ca. 80 Mio DM aufgestockt werden soll. Der Verwaltungshaushalt soll aber durch die Kosten, die dann allein bei der Durchführung der IGA entstehen, nicht belastet werden; der finanzielle Bedarf soll dann durch die Einnahmen gedeckt werden, was voraussetzt, daß die erwartete Besucherzahl auch erreicht wird.

Wirtschaftlichkeit der Messehalle

Das Problem der Wirtschaftlichkeit der Messehalle stellt einen weiteren unkalkulierbaren Faktor in der ganzen Rechnung dar. Um die Förderung der Erschließungskosten durch das Land (und die EU) zu erhalten, muß die Messehalle sich selbst tragen. Hierzu wird eine eigene Rechnung erstellt, die davon ausgeht 12(!) verschiedene Messen im Jahr durchzuführen. Desweiteren sind Konzerte, Tagungen und Kongresse geplant, die hypothetisch in die Wirtschaftlichkeitsstudie einfließen. Sollte sich aber herausstellen, daß die Messehalle sich nicht trägt, muß die Förderung von 50 Mio DM an Brüssel zurückgezahlt werden. Nun arbeitet aber zur Zeit einzig und alleine die Messe in Hannover selbstragend.... Diese enormen Kosten, die in den nächsten drei Jahren entstehen, verursachen eine starke Verengung des finanziellen Handlungsspielraums der Rostocker Stadtverwaltung; aufgrund der Unkalkulierbarkeit der letztendlich zu begleichenden Kosten und der immer noch ungeklärten Finanzierung stellt sich die Frage nach der Realisierbarkeit der Projekte und damit nach dem möglichen

Scheitern der IGA.

Anhaltspunkte dafür gibt es genug. Allerdings werden diese in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Es drängt sich der Eindruck auf, daß sich das Projekt IGA zu einem Selbstläufer entwickelt hat. Aufgrund der Unbestimmtheit der mit der IGA verfolgten Ziele und der Desinformationspolitik der Stadtverwaltung ist eine öffentliche und somit demokratische Auseinandersetzung mit den weitreichenden Folgen dieses Vorhabens kaum möglich. Diese erscheint aber aufgrund der vielfältigen Probleme unabdingbar. So birgt die Verbindung der drei Großprojekte Warnowquerung, IGA und Messe eine Vielzahl von Gefahren vor allem für die zeitliche Realisierung in sich. Der IGA-GmbH verbleiben noch drei Jahre; der für Ende letzten Jahres geplante symbolische erste Spatenstich verschob sich auf den März. Ursprünglich sollte auch die Messehalle schon im Oktober 2000 eröffnet werden, ein Termin, der sich mit Sicherheit noch weit nach hinten verschieben wird. Die Warnowquerung stellt aber ein weitaus größeres Problem dar. Baubeginn sollte schon im November sein. Schon da war der Zeitplan sehr eng berechnet. Das Problem besteht in der Nutzung von IGA-Flächen durch die Warnowquerungsgesellschaft (WQG) zur Zwischenlagerung von Aushub. Eine Lösung für diese Problem scheint in dem Vertrag zwischen IGA-GmbH und WQG über die zeitliche Abfolge gefunden zu sein. Ob diese Planungen überhaupt technisch realisierbar sind, ist für Außenstehende nicht überprüfbar. Damit nicht genug, bis heute ist die Grundstücksfrage noch ungeklärt. Bis jetzt konnte die Stadt nur dreiviertel der Flächen zur Nutzung der IGA-GmbH übergeben; ein Viertel steht noch im Privateigentum; eine Einigung mit den Eigentümern konnte bis heute nicht erzielt werden, obwohl Dieter Schörken das Problem schon seit 1996(!) bekannt ist. Auch für die Warnowquerung ist die Grundstücksfrage noch nicht vollständig geklärt. Der Vertrag mit der WQG sieht einen Baubeginn erst ab Klärung der Grundstücksfrage vor. Eine -schnellere - Enteignung ist aber nur möglich, wenn die Baumaßnahmen schon begonnen haben. Um dennoch anfangen zu können, hat die Bürgerschaft jetzt beschlossen, die Haftung für eventuelle Verzögerungen, die aufgrund der ungeklärten Grundstücksfrage entstehen, zu übernehmen. Vermutet wird eine mögliche Belastung von 50.000,- DM täglich (!!!). Woher diese dann kommen sollen, ist völlig unklar, aber zumindest kann die WQG jetzt bauen. Die eventuell entstehenden Verzugskosten sind aber nicht die einzigen

ungeklärten Finanzierungslücken.

Der Förderbescheid vom Land bezüglich der Messehalle liegt aufgrund fehlender Unterlagen immer noch nicht vor, worauf Schwerin schon mit Schreiben vom 28.05.1999 hinwies. Im März 2000 war Rostock immer noch nicht in der Lage, diese nachzureichen. Eine Bedingung für eine Förderbewilligung ist die "Erläuterung des Betreibermodells" und ein "verbindliches Betreiberkonzept" für die Messehalle. Teil eines verbindlichen Betreiberkonzeptes ist eine Wirtschaftlichkeitsstudie, welche der Stadt anscheinend noch Schwierigkeiten bereitet, zu erstellen. Auch über die Zusammensetzung der Betreibergesellschaft herrscht zur Zeit Clinch in Rostock, wie die Auseinandersetzungen der letzten Wochen zeigten. Fragwürdig war auch die Art und Weise der dementsprechenden Ausschreibungen. Auch die Gespräche mit den privaten Sponsoren beginnen erst jetzt. Und welche "Geschenke" noch an die WQG gemacht werden müssen (bisher ist von einer Gesamtsumme von 45 Mio die Rede - trotzdem wird noch von einem privat finanzierten Projekt gesprochen), damit die Warnowquerung auch rechtzeitig zur IGA fertig ist, bleibt ebenfalls abzuwarten. Aber auch die

Nachnutzung

will finanziert werden. Messen sind allgemein Zuschußprojekte. In ganz Deutschland trägt sich wohl nur die Hannover-Messe selber. Um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, ist daher eine hohe kommerzielle Auslastung anzustreben. Sämtliche Großveranstaltungen (ob Sport- oder, wie angedacht, Reitveranstaltungen, Kongresse u.ä.) müssten dann dort stattfinden. Dafür gibt es aber aufgrund des relativ geringen natürlichen Einzugsbereichs von Rostock nur begrenzten Bedarf. Im übrigen würde die Messehalle dann mit der, auch im kommunalen Eigentum stehenden, Stadthalle konkurrieren, und sie über kurz oder lang in den Ruin treiben. Ein Abriß wäre dann unausweichlich. Aber auch andere Tagungsorte haben sich schon über die neue Konkurrenz beschwert. Zugkräftige Ideen für die Nachnutzung des IGA-Geländes gibt es nicht, mal abgesehen davon, daß ein wohl recht ansehnlicher Park in diesem Gebiet bestehen bleibt. Ein Blick nach Schwerin verheißt nichts Gutes für die IGA 2003 in Rostock. Der frühere Ministerpräsident B. Seite hielt die IGA immer "eine Nummer zu groß" für Rostock - "wir haben andere Probleme" (NNN v. 11. Juni 1998), womit er auch recht hatte. Aber auch die neue Landesregierung ist nicht ganz bei der Sache. Obwohl es üblich ist, daß das Land sich einen Posten in der Betreibergesellschaft sichert, um die Entwicklung und Projektierung direkt kontrollieren und beeinflussen zu können, hat Schwerin bis heute daran kein Interesse gezeigt. Das Gerücht, daß schon Gespräche über eine mögliche zeitliche Vorverlagerung der BUGA Schwerin 2009 auf 2003 geführt worden sind, falls die IGA in Rostock scheitert, sprechen auch für eine weit verbreitete Skepsis in der Landeshauptstadt. Im übrigen wird es sich wohl schlecht verkaufen lassen, daß das ärmste Bundesland sich innerhalb von vier Jahren zwei Gartenausstellungen leisten kann. Zusammenfassend muß man sich fragen,

warum das alles?

Das Projekt ist mittlerweile zum Selbstläufer geworden; eine kritische Auseinandersetzung oder sogar die Diskussion über ein Ausstiegsszenario sind nicht möglich; zu hoch wird der Imageschaden für Rostock eingeschätzt. Auch wenn alles dafür spricht, die IGA abzusagen, wird daran festgehalten und jegliche Kritik abgeblockt. Parallelen zu der Volksweisheit "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" drängen sich auf. Denn auch die Frage nach dem

Nutzen der IGA

kann nicht positiv beantwortet werden. Jegliche positiven Folgeentwicklungen - Impulse für die Tourismusregion Mecklenburg-Vorpommern und den "Standort Rostock" - sind "im Projektzeitraum nicht überprüfbar und also auch nicht kritisierbar" und somit nur für die Schaffung einer positiven Grundstimmung in der Bevölkerung geeignet. In diesem Zusammenhang wird auch das Arbeitsplatzargument strapaziert. Eine Baustelle für ca. zwei Jahre schafft Arbeit. Außerdem muß die IGA noch durchgeführt und die - hoffentlich - zahlreichen Besucher unterhalten und verpflegt werden; Arbeit, die in Rostock gerne von Studenten oder Jobbern gemacht werden; Auswirkungen auf die Arbeitslosenstatistik sind dagegen nicht zu erwarten. Die negativen Folgen sind aber schon abzusehen. Ein, höchstwahrscheinlich sehr schöner, aber millionenschwerer Park wird als unkalkulierbare Größe noch auf Jahre hinaus den ohnehin schon überstrapazierten städtischen Haushalt belasten. Diese haushaltspolitische Prioritätensetzung wird nicht ohne Folgen bleiben. Dabei braucht Rostock viel nötiger an ganz anderen Stellen Geld. Wie Maxi Malzahn in den NNN vom 03. März 1999 richtig bemerkte, ist die Sanierung der Rostocker Schulen eine dringende Aufgabe, die schon seit Jahren nur unzureichend angegangen wird; aufgrund der prekären Finanzlage aber in den nächsten Jahren nicht gelöst werden wird. Auch im Jugend- und Sozialbereich bedarf es dringender Korrekturen. Davon mal abgesehen, daß es für einen Teil der freien Träger notwendig wäre, feste, von der Stadt finanzierte Stellen einzurichten - nach 10 Jahren ABM-, 249h- und SAM-Stellen -, um kontinuierliche Arbeit zu gewährleisten, wurden die Gelder auch dieses Jahr gekürzt. Die Stadt denkt aber noch weiter: um zu sparen, sollen kommunale Stellen abgebaut werden. Dafür ist unter anderem vorgesehen, kommunale Jugendklubs und damit auch die dort beschäftigten Sozialbearbeiter in freie Trägerschaft zu überführen. Das Bürgerhaus in der KTV - finanziert bis Ende 1999 über URBAN-Mittel - wurde danach auf ein finanzielles Niedrigniveau von der Stadt zurückgefahren; dies aber erst nach lauten Protesten seitens der Macher und Nutzer. Notwendige, für die Zukunft der Stadt viel wichtigere Arbeit wird verhindert, um ein Blumenmeer zu finanzieren, deren positive Folgewirkungen nur vage sind. Für Schmarl und Groß Klein, beides Stadtteile, von denen befürchtet wird, daß durch eine "Spirale nach unten" eine "soziale Homogenisierung nach unten" bewirkt wird (Jürgen Geerdes in einer bisher unveröffentlichten Studie über Rostock-Schmarl), sind andere Probleme dringender. Um diesem Trend entgegenzuwirken und eine Identitifizierung der Bewohner mit ihrem Stadtteil zu erreichen, wird in der eben zitierten Studie vorgeschlagen, Kommunikationsorte und -strukturen zu schaffen sowie einen Kommunikationsprozeß zwischen den verschiedenen Akteuren in den Stadtteilen zu initiieren und zu steuern. Von den Mietern wird insbesondere das Fehlen von kulturellen Einrichtungen (48% der Befragten) und Nachbarschaftstreffs (35%) beklagt. Eine Finanzierung derartiger soziokultureller und jugendpolitischer Ansätze und Projekte wäre wirksamer, und auch billiger, als eine Internationale Gartenausstellung. Ausgerechnet die Sonnenblume - das brennende Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen steht für die schwersten rassistischen Angriffe im Nachkriegsdeutschland - soll "als gutes Zeichen für die IGA 2003 in der Hansestadt" (Karina Jens) die Bevölkerung auf das bevorstehende Großereignis einstimmen und das internationale Bild von Rostock neu bestimmen. Von solchen Geschmacklosigkeiten mal abgesehen eignet sich die IGA, wenn man ihre mittlerweile 7jährige Vorbereitungszeit betrachtet, nicht sonderlich dafür, Rostock als "zukunftsorientierten Standort" auszuweisen. Statt dessen zeichnet sich das Bild einer großen Blamage für die Rostocker Stadtverwaltung ab. Die vielen Pannen und Peinlichkeiten in der Vorbereitung, aber auch die immer mehr auftretenden Probleme finanzieller und zeitlicher Art, lassen bei der Durchführung der IGA ein großes Fiasko erwarten. Eine kritische Betrachtung der IGA sollte daher unter den oben aufgeworfenen Problemen, unter Einbeziehung möglicher Alternativen und unter Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit, erfolgen.

Björn Kluger, Christian Oschwald, Peer Stolle

(der Artikel ist der Rostocker Zeitschrift Stadtgespräche entnommen und leicht redaktionell bearbeitet)


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