Teil des Festivalplakats

An diesem heißen Tag war Abkühlung dringend nötig
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"Simply the best"
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Sänger der Band Korai Öröm
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Once upon a time in Greifswald ... (hier)

... dann leben sie noch heute. (hier)

Zwei Betrachtungen zum Festival gegen Rassismus in Greifswald am 29. Mai 1999

III

Die Gewalt gegen Ausländer und Linke in Deutschland nimmt immer beängstigendere Züge an. Mecklenburg- Vorpommern hat sich durch das Pogrom von Rostock- Lichtenhagen und andere Anschläge - zuletzt ging der Angriff auf die ghanaische Schriftstellerin Amma Darko durch die Presse- einen besonders finsteren Ruf erworben. Gerade kürzlich gab es wieder mehrere brutale Überfälle in Stralsund, Eldena und Karlsburg. Antifasche Initiativen in der Region versuchen, den Protest gegen die Strukturierung der Neonaziszene mit dem Aufbau einer Gegenkultur zu verbinden, die den Zusammenhalt in den eigenen Reihen fördert und neue Sympathisanten, gerade unter jungen Menschen, gewinnt. Aus einer solchen Position heraus hat der Stadtjugendring Greifswald in Zusammenarbeit mit der PDS, dem Jugendhaus „Pariser“, dem Bündnis gegen Rechts und verschiedenen städtischen Ämtern und Firmen am 29. Mai das erste „Festival gegen Rassismus“ in Mecklenburg- Vorpommern organisiert. Erfolgreich- 1500 Karten wurden verkauft, die linke/ alternative Jugend aus M-V und andern Bundesländern besetzte nicht nur den Markt, sondern auch umliegende Straßen und Dächer. Neun Stunden lang spielten auf dem erst kürzlich fertiggestellten Greifswalder Marktplatz acht Bands verschiedener Musikrichtungen. Ohne Honorar- denn die Einnahmen des Festivals sollen der antirassistischen Arbeit des Bündnisses gegen Rechts zugutekommen. Die Hamburger Guitar-Rock- Band „Tomte“ und „DaS KArtell“ aus Lübeck hatten die schwierige Aufgabe des Beginns. Aber die Menge kam schnell in Bewegung. „Wahre Schule“ aus Berlin bot im Anschluß daran eher ruhigen Hip Hop, danach brachte „Across the Border“ die Menge mit energiegeladenem Folk Punk zum exstatischen Abtanzen. Auch die Budapester Gruppe „Korai Öröm“ (World Groove) und die „Bush Chemists“ aus London (Neo Dub) sorgten für Begeisterung. Beide Bands ließen sich am Abend noch in zwei Jugendklubs zu Aftershow- Parties bitten. Zu Höhepunkten des späten Abends wurden erwartungsgemäß „Tocotronic“ aus Hamburg mit ihrem sanften Punk und die Berliner Popgruppe „Blumfeld“, beide mit nachdenklichen Texten und politischen Inhalten. Das Publikum hatte Gelegenheit zum Toben, wurde aber in der letzten Stunde durch soften Sound besänftigt, so daß die fast unglaubliche Harmonie dieses Tages bis zum Ende anhielt. Für zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte auf dem Festplatz sorgten Infostände des Bündnisses gegen Rechts, des Eine Welt Ladens, der Friedensinitiative, der BI Kernenergie, von Cuba si und amnesty international. Besonders der Infostand des Bündnisses gegen Rechts- der mit einem erstmals breitgefächerten Angebot eine Art Premiere erlebte- war ständig umlagert. Für Furore sorgte eine erst am Vorabend aus der Druckerei gekommene Aufkleberedition, die, ebenso wie Antinazi- Plakate der IG Metall, Flugblätter und Infobroschüren kostenlos verteilt wurde. Der NPD- Kreisverband hatte seit Wochen systematisch die in der Stadt geklebten Festivalplakate abreißen lassen. Genauso systematisch klebte das Bündnis nach. Diese und andere Arten, antifaschistische Präsenz zu zeigen, waren, wie ein boykottierter NPD- Infostand, offenbar Grund genug für die Rechten, sich in triefendem Selbstmitleid zu ergehen. In einem wenige Tage vor dem Festival verbreiteten Flugblatt beklagen sie sich bei den „lieben Bürgerinnen und Bürgern“, daß es „sehr schwer“ sei, „Sie für unsere Arbeit zu begeistern oder Unterstützung zu bekommen“. „Ein Problem“, so die NPD, „welches uns schwer zu schaffen macht.“ Das Flugblatt, dem Publikum auf dem Platz in Auszügen vorgelesen, erregte Heiterkeit. Das Festival war seit Wochen intensiv vorbereitet worden. Im Streß der letzten Vorbereitungstage gelang es aber leider nicht mehr rechtzeitig, die Asylbewerberheime in genügendem Maß mit Karten einzudecken, und die Betroffenen blieben größtenteils einer antirassistischen Veranstaltung fern, deren Eintrittspreis von 21,- bzw. 25,- DM ihr Budget weit überschritt Trotz dieser Einschränkung war das Konzert ein phantastischer Höhepunkt in der ansonsten kargen politischen Kulturlandschaft Mecklenburg- Vorpommerns. Einen Tag lang gehörte Greifswald den Linken, und junge Leute aus der Region konnten sich „Mut abholen“, wie ein Veranstalter es formulierte. Diesen Mut werden sie hier auch dringend brauchen.

CF

Aufkleberedition: Neonazis stoppen/ Stoppt Rassismus/ Smash Fascism/ Aufruf für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit. Blau/orange/weiß, A7. Stückpreis: 10 Pf. + Porto. Zu bestellen beim Bündnis gegen Rechts, c/o JugendMedien, Lange Str. 14a, 17489 Greifswald.


 

„Festival gegen Rassismus“ war ein Erfolg (OZ vom 31. Mai).

Wer hätte gedacht, daß es in einer verschlafenen Stadt wie Greifswald möglich ist, mehr als 1500 Menschen für eine politische Stellungsnahme auf die Straße zu locken. In einer Stadt, in der sich trotz Universität lediglich 5O-15O Leute regelmäßig donnerstags zusammenfinden, die friedlich gegen den Krieg protestieren, in einer Stadt, in der sich 60 Menschen finden, um sich an einem Wochenende über die Gefahren der Atomkraft zu informieren oder in einer Stadt, in der sich 50 Menschen finden, um einen Stand der rechtsextremen Partei NPD zu boykottieren. Es ist gut, daß sich überhaupt Menschen finden, denen diese Probleme scheinbar nicht egal sind, doch ist es nicht erschreckend, angesichts allein 6000 StudentInnen, daß es nicht mehr sind? Ist es wirklich so, daß der Großteil der StudentInnen die Studienzeit als eine einzige große Party betrachtet? Man könnte es meinen, denn egal ob für ein Ende des Krieges, für eine Energiewende oder für ein Ende von rassistischen Übergriffen, es sind immer dieselben Gesichter. Politisches Engagement ist kein Volkssport. Mit ein wenig Übertreibung könnte man meinen, die Veranstaltungen oder Aktionen im eigenen Kreis abzuhalten wäre genauso effektiv, als wenn man versucht, die Masse miteinzubeziehen. Doch dem ist glücklicherweise nicht ganz so. Und dies ist zum größten Teil dem Optimismus einiger weniger Leute zu verdanken, die es immer wieder schaffen, doch ein wenig wohlverdiente Aufmerksamkeit zu bekommen. Schade nur, daß man hierfür mit musikalischen Höhepunkten, also mit Spaß und Vergnügen auffahren muß, um die Masse hervorzulocken. Das beste Beispiel dafür ist, daß sogar von der Ostsee- Zeitung als erfolgreich bzw. grandios betitelte „Festival gegen Rassismus“ am 29. Mai auf dem Greifswalder Marktplatz. Am Tag des Ereignisses schrieb der Lokalteil der OZ: “Das als `Festival gegen Rassismus` angekündigte Event ist die größte Konzertveranstaltung, die Greifswald je erlebte.“ Das ist richtig, doch viel wichtiger müßte man noch hinzufügen, ebenfalls die größte Musikveranstaltung in Greifswald, die unter einem so heiklen Motto wie Rassismus steht. Und das in einer Gegend, in der eine ausländische Autorin ihre Lesereise abbrechen muß, weil für ihre Sicherheit nicht garantiert werden kann, oder in der ein Jugendlicher von „guten Deutschen“ so zusammengeschlagen wird, daß er für einige Zeit ins Koma fällt, weil er sich schützend vor seine schwedischen Gastfreunde stellte, oder in der mit Äxten und Baseballschlägern auf Jugendliche losgegangen wird, mit welcher Begründung auch immer. Solch ein „Event“ ist hier nötiger denn je, zumal es, wenn man den Medien glauben schenkt, keine Probleme mit rechtsradikalen Jugendlichen in Mecklenburg Vorpommern gibt. Wie denn auch, wenn in den meisten Fällen ein rechtsradikaler Hintergrund überhaupt nicht bekannt oder einfach heruntergespielt wird. Schadet ja auch dem Tourismus! Doch das saubere Image ist längst angeknackst, oder warum fragt eine auf dem Festival spielende Band, ob sie bei der Anreise nach Greifswald an einer Raststätte haltmachen kann!? Die Leistung war es also, 1500 überwiegend Jugendliche zu solch einem Motto zu vereinen. Und es tat gut, die Masse bei Parolen wie „Nazis raus“ gröhlen zu hören. Masse zeigen, nicht allein dazustehen, war an diesem Tag für einige wirkungsvoller als die Musik. Wenn man dann noch zusätzlich erfährt, mit welchen verhälnismäßig bescheidenen Mitteln dieses Festival zustande kam, dann kann man erst recht stolz darauf sein. Hut ab vor allen, die daran beteiligt waren und darauf, daß dies nicht das letzte Festival dieser Art war!


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