Zonic Nr. 11,5
Die neueste Ausgabe 12,5

Randstandsblicke auf das eigene Medium

Eine sehr undankbare Aufgabe eigentlich: das Selbstbild zu entwerfen in Eigenwahlworten, ein Sich-Erklären in die Öffentlichkeit, die da für sich einzig (wie einzeln) der Spiegel sein sollte, in dem ein Entzerrbild jenseits der programmatischen Verkrampfung sich bewegen kann. Unmöglichkeit der Gleichzeitigkeit von Drinne-Seins- und reflektierender Draußen-Position - was also sonst als eine Mischung aus Werbungspathos, Relevanz-Zerzweifel und schief entworfenem Manifestations-Aufruf (eher an das Eigen-Ich gerichtet) kann da entstehen...? Nun, wir wissen es nicht, probieren es trotzdem: Chancenverwertung ist die Devise, sowieso.

Zonic ist eine solche Chance. Eine nur bedingt spontanistische Aktivitätschance, die nicht zu ergreifen bzw. zu erschaffen wir keinen Grund hatten. Wir, das waren 1993 als Ur-Nucleus zwei: Karsten Massow und Alexander Pehlemann. Es galt (mehr/weniger): Alles oder Nichts (relativ natürlich), diese alte Peripherie-Existenz-Frage im Sinne von Provinz als Chance (nicht nur zum Scheitern!)- eine, die ob der wesentlichen Auf-sich-Stellung, der kulturellen Nährbodendünne, der allzu oft öden Weite des Bewegungsfeldes, das zu transzendieren man ansetzt, einem die Möglichkeit offeriert, Selbstbestimmung auszuprobieren, sich selbst den Ort zu bestimmen, zu gestalten gar, ansatzweise diktatorisch, zumindest selbstermächtigend, fast ohne Kulturkonkurrenz also, bzw. in einer selbst gewählten, allzu fern-nahen, übertragenen. Was als kopierte 60er-Auflage mit handkoloriertem Comic anfing, klassischer Fanzine-Start mit der alleinigen Motivation des Machens an sich, ein über Zwischenschritte entwickelter, anfangs noch leicht tapsiger Gang zum eigenen Medium, als und mit Botschaft, zum Do-it Yourself, ganz altschulig autonom-punkig tradiert, wenn man so will: diese Tradition will; Wurzellinien lassen sich gern auch anders ziehen, willkürlich oder nicht. Eine Zeitschrift also, ein Magazin, vom Rand - gemessen an Kultur- und Medienzirkulation in den diesstaatlichen Grenzen - her seine Beiträge einwerfend in legerer, vielfaktorell abhängiger Unregelmäßigkeit, selbstbewusst spielend mit der tautologischen Assoziationsvorgabe „Zone“, gern mit dem Lem´schen, viel mehr Tarkowski´schen Stalker als ikonografischer Bezugshilfe, metapherhafte Bezeichnungskrücke für das Tun, die genug Rückzugstiefe und Deutungsoffenheit besitzt, ausreichend SPIELraum... in aller Ernsthaftigkeit, versteht sich. Vielleicht so: der mediale Stalker, der mit Ahnungen und Teilwissen von den Dingen loszieht, um andere teilhaben zu lassen an der Wahrnehmungszonenrealität, wie sie sich aus der hiesigen Perspektive mitteilt und übertragen, eingefügt und verarbeitet wiederum mitteilen läßt. „Kulturelle Randstandsblicke und Involvierungsmomente“ ist die Unterzeile zum Zonic, ein eigentlich zur Nummer 9, der letzten selbst kopierten Ausgabe, aus der Denk-Hüfte heraus schnellgeschossener Werbeslogan, der die Sache aber dennoch ziemlich trifft.
Das Zonen-Bezugssystem ist in altkaltkriegerischer Weise genauso auf den Osten (an sich?) als Fundgebiet anwendbar, osteuropäische Subkultur spielt eine Vorderrolle, eine als Hauptnebenspezifikum, als mittige Charaktersäule in der Statik der Wesensarchitektur. Das hat viel mit aus dem eigenen Bauchnabel heraus entwickelten Präferenzen zu tun, genauso aber auch mit Sozialisation, Frühlenkung..., gegebenenfalls auch mit dem zusätzlichen Distinktionsgewinn als Potential-Versprechen, mit der Suche nach dem Eigenen wie dem Besonderen, zudem dem medial sonst sträflich vernachlässigten in aller nicht überraschenden Ignoranz - die natürlich schnell in Nischen-Hypes kippen kann. Der „kulturelle Randstandsblick“ ist so ein doppelter in der Perspektive, denn wie hier, Greifswald, eine Abseitigkeit vom vermeintlichen Zentrum bestimmend ist, ist genauso aus dem gedrehten Blickwinkel gen Ost unser Betrachtungspunkt die Randzentrale, sitzen wir am Rand des in fast jeder Hinsicht gefüllten Tellers, ob gewollt oder nicht, aus jenem unser Dasein speisend. Doppelte Peripherie, doppelt permeabeles Angrenzen- eine ideale Voraussetzung zur Umverteilung, eine Verpflichtung geradezu, was nicht zuletzt ein Moment der Involvierung, der eigenen wie der des sogenannten anderen. Selbstsetzung in Zusammenhänge, die im Bestfalle solche des regen Austausches. Alles mit-, in- und nebeneinander, irgendwie, manchmal auch durch-, durchaus: eine Ebene der Bewegung scheint nie zu reichen, viele Plateaus müssen her, wenn auch vielleicht nicht gleich tausend. Was übertragen auch für die Zeitung gilt. Festlegbarkeit ist Zonic-Sache nicht, der Kompositionsentwurf ist eigen, eigenwillig vielleicht, die Marginaliät in der medialen Zirkulationshölle ist in gewisser Weise zugleich willkommene relative Unabhängigkeitsposition von erpresserischer Zeitgeistthematik, zumindest in der Form der Reflexion, die oft genug unter Entschleunigungsbewegung stattfindet, was dann zugegeben aber auch eine Art Zwang zur Andersartigkeit ist. Anders-Art-Ich. Bzw.: Wir (und ALLES nur im Wir möglich). Das die Marginalität auch eine ökonomische Schwergewichtskomponente hat, existentiell reale, dass zudem hier das leidvolle Problem der distributiven Verteilung, also des eigentlichen Wirksamwerdens vor Leseraugen, sich einordnet, sei angedeutet, mehr nicht. Bestimmendes durch die Zonic-Linse betrachtetes Mittelpunkt-Element ist Musik. Musik zwischen Avant- und Pop-Gestalt, zwischen Untergrund und Überbau, zwischen überbetont zweckfreiem selbstgenügsamen Hedonismus und intellektuellem Konzeptionalismus mit Polittendenz oder spiritueller Verdunklungsbedrohlichkeit, zwischen den Stilen sowieso: Reggae, Dub, Ragga, Disco, House, Drum ´n ´Bass, Hip Hop, Folk, Experimentelles, Elektrik, (Rest/Post/Punk/ Stoner...) Rrrrrock; verwirrend bezeichneter Schubladen sind da noch viele mehr. Dem kann zwischen Kino, Literatur, Kunst, Kulturallgemeinem, Gesellschaftlichem... alles mögliche beigeordnet werden, anteilig zunehmend, und auch hier gilt: alles mit-, in- und nebeneinander; Wechselwirkungsverhältnisse, Mischeinander, Durchdringlichkeiten. Was in der Entwicklung fortschreitend auch für die im Heft kombinierten Sichtweisen in ihrer Ausdifferenziertheit geltend gemacht werden muss, zunehmend vermischt sich die durch Freundesbeziehungen vernetzte und erweiterte Urzelle mit gezielt geköderten Mit- und ZuarbeiterInnen, die durchaus sozusagen professionell ähnlich gelagert sich Kenntnis und Reputation erarbeitet haben und deren Mitwirkung, dies sei eingeräumt, auch als eine Form von Wertschätzung empfunden wird. Werbepathos? Nein, keine Namen jetzt. Mehr Andeutung, Ahnungsstreuung, Charakteranriss nicht, www.zonic.de kann da in Archivtiefe hoffentlich bald mehr liefern, inwiefern sich aus den hier gestellten Koordinaten ein Bild zusammensetzt, ist zwar fraglich, aber es ist hoffentlich Vorgeschmack genug, um nach Abgleichung zu verlangen. Vollständigkeiten stets neu-anders in Frage zu stellen ist sowieso Aufgabe: fragile Beweglichkeiten, Nur-nicht-festlegen (-lassen schon gar nicht). In jeglicher Zone wie interzonal, von Zonic zu Zonic. Immer: weiter... .
AP

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