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"Ein Kilo Infos bitte" Infoladen „Zeitraffer“ legt wieder los Ein Fischladen verkauft Fisch. Logisch. Was aber tut ein Infoladen? Informationen verkaufen? Eher weniger, denn mensch kann mit der „Ware Information“ noch viel, viel mehr anfangen: anbieten, sammeln, archivieren, zugänglich machen, auswerten. Denn in einem „Laden für Information“ ist vieles anders. In
den 80er Jahren, in den neuen Bundesländern ab Anfang der 90er, entstanden
in vielen Städten der Bundesrepublik Infoläden und Infobüros. Selbstbestimmter
Raum für Austausch und Diskussion über politische und gesellschaftskritische
Themen sollte geschaffen werden. Eine linke und libertäre Kommunikations-
und Informationsstruktur, die sich nicht kriminalisieren lässt und unkommerziell-ungehorsam
den „Gesetzen des Markts“ trotzt. Information sollte mehr als eine Ware
sein, die am Kiosk für Geld zu haben ist. Diese Aufgaben übernahmen und
übernehmen Infoläden. Sie organisieren sich in lokalen Strukturen und
sorgen so für eine lokale, regionale aber auch überregionale und internationale
Vernetzung nebst Informations- und Diskussionsaustausch z.B. im „Bundesweiten-Infoladen-Treffen
(BILT)“. Viele werden es nicht wissen, aber auch in Greifswald gab und
gibt es einen Infoladen, den Infoladen „Zeitraffer“. Und das schon seit
über zehn Jahren. Ursprünglich im nunmehr leerstehenden AJZ am Karl-Marx-Platz
heimisch, zog er Mitte der 90er Jahre ins Jugendzentrum „klex“. In den
Jahren hat sich ein beeindruckendes Archiv politischer Geschichte (nicht
nur) Greifswalds angesammelt. Antifaschistische Flugblätter aus den frühen
90ern, Wahlkampfmaterial aus den letzten zehn Jahren, Ausgaben längst
eingestellter Zeitschriften, die abseits massenmedialer Beliebigkeit versuchten,
alternative Ansichten und Ansätze zu vermitteln. Nicht nur Raum für Information,
sondern auch für Ideen. Der Infoladen „Zeitraffer“ war und ist oft Nahtstelle
für Menschen aus unterschiedlichen Spektren. Ein Raum also, in dem sich
Menschen treffen, um Ideen umzusetzen und Projekte zu entwickeln. Die
Ursprünge des „Greifswalder Bündnis gegen Rechts“ im Jahr 1998 oder die
der mittlerweile nicht mehr existenten JAFA (Junge Antifaschistische Aktion)
sind hier zu finden. So unterschiedlich das archivierte Material und die
Ideen, so unterschiedlich auch die beteiligten Menschen. Menschen kommen
und gehen. Projekte entstehen und schlafen wieder ein. In den letzten
zwei Jahren war es still geworden um den „Zeitraffer“. Keine regelmäßigen
Öffnungszeiten, kaum Materialaufbereitung und ein Raum, der eher Abstellkammer,
als Arbeits- und Treffpunkt war. Traurig über das ungenutzte Potential
und das zerfallende Archiv wagten vor einiger Zeit wieder Leute einen
neuen Versuch. Seitdem hat sich einiges getan. Wer den Infoladen noch
von vor zwei Jahren kennt, wird ihn kaum wiedererkennen. Die Wände sind
neu gestrichen, ein großes Bücherregal hat die alten Sperrmüllmöbel abgelöst.
Ein Hochbett, für die, die sich gar nicht von den Büchern trennen können
und eine riesige Arbeitsfläche schaffen eine Atmosphäre, die sowohl gemütliches
Schmökern als auch konzentriertes Arbeiten möglich macht. Auch regelmäßige
Öffnungszeiten wird es wieder geben. Die Bandbreite der im Infoladen vertretenen
Inhalte reicht von Antifaschismus/-rassismus, Flüchtlingspolitik, über
Globalisierung, Neokolonialismus bis hin zu sozialen Bewegungen/Kämpfen,
Antinationalismus/Internationalismus und Antimilitarismus, Drogen und
Subkultur. Ökologie, Anarchismus, Feminismus und Anti-Atompolitik sind
Themenbereiche im gewachsenen Archiv. Einige Ideen warten noch auf ihre
Umsetzung. Computertechnik soll Internetrecherche und Bücherverwaltung
ermöglichen. Außerdem will der Infoladen, wie bereits im letzten Jahr,
Lesungen und Vorträge organisieren. 2001 gab es eine Lesung zu einer Mumia
Abu-Jamal Biografie und es waren ukrainische AnarchistInnen zu Gast, die
über ihr Land und die dortige politische Entwicklung berichteten. Beratungen
zur Kriegsdienst- und totalen Kriegsdienstverweigerung werden angeboten
und Kontakte zum „Rote Hilfe e.V.“ sind vorhanden. Die Infoladen-Leute
laden dienstags zur Volxküche in das Cafe „GUM“ ein. Dort wird vegetarische/vegane
Kost gegen Spende angeboten, womit dann andere Projekte und Aktionen unterstützt
werden können. Ein umfangreicher Büchertisch entsteht und eventuell kann
in naher Zukunft ein Info-Café realisiert werden. Wer sich in den Infoladen
einbringen möchte, ist jederzeit willkommen. Bleibt zu hoffen, dass dieses
neue alte Projekt noch einige MitstreiterInnen findet. Für Greifswald
jedenfalls nötig und ein Gewinn, denn „Wissen ist Macht - und Nicht-Wissen
macht was!“ Infoladen Zeitraffer
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