Umtauschinitiative
Eine rechtliche Beurteilung
IIklicke auf's Bild
Eine Liste von Läden, die Gutscheine annehmen
IIklicke auf's Bild

Greifswald im Tauschrausch?

„Geprägte Freiheit“ und gedruckte Unfreiheit wechseln den/ die BesitzerIn

Schon im letzten Likedeeler haben wir über die entstehende „Umtauschinitiative“ berichtet. Nun hat sich einiges getan. Das noch etwas theoretisch anmutende Modell vom Tausch der Gutscheine für Flüchtlinge gegen Bargeld wird zunehmend praktischer. Die ersten GreifswalderInnen waren bereits damit einkaufen und haben verschiedene Erfahrungen in den Läden gesammelt.

Im Folgenden fassen wir noch einmal die wichtigsten Fakten zusammen. Ganz klar: ein gerechter und regelmäßiger Umtausch kann nur funktionieren, wenn sich möglichst viele daran beteiligen.
Der Kontakt zwischen tauschwilligen Flüchtlingen und Euro-Besitzern findet vorläufig im IKUWO (Goethestr. 1) statt. Dort kann jede/r Kontakt mit einem Flüchtling aufnehmen. Die Tauschpartner verabreden sich individuell zum gemeinsamen Einkauf für den eigenen Bedarf und Auszahlung von Geld in Höhe der benutzten Gutscheine. Die Flüchtlinge erhalten vom Amt eine persönliche Scheckkarte und persönliche Gutscheine, die beide vom Flüchtling zu unterschreiben sind. Unter Vorlage der Scheckkarte kann mit den Gutscheinen in bestimmten Läden eingekauft werden (Liste hier). Die Gutscheine haben eine aufgedruckte Gültigkeitsdauer von sechs Wochen. Beim Einkauf mit den Gutscheinen ist zu beachten, dass lediglich Waren des täglichen Bedarfs mit geringem Anschaffungswert erstanden werden können und höchstens 10 Prozent Rückgeld erstattet werden. Wenn mensch sich verkalkuliert hat, ist es aber möglich, einen eventuellen Restbetrag in bar zuzuzahlen.
Inzwischen sind bei der Umtauschinitiative schon Absichtserklärungen von ca. 40 Einzelpersonen und Haushalten eingegangen. Eine gute Grundlage, um jetzt regelmäßig einen Tausch mit Flüchtlingen anzubieten, aber noch längst nicht genug. Schließlich soll in Zukunft allen tauschwilligen Flüchtlingen dieses Angebot zur Verfügung stehen. Außerdem führte die Umtauschinitiative einige persönliche Gespräche mit den VerkaufsstellenleiterInnen der Einzelhandelspartner von Sodexho in Greifswald. Vor allem ging es um Information über die Ziele und Hintergründe des Tausches. Und natürlich um die Frage, wie es in den einzelnen Geschäften möglich sein wird, als Nicht-Flüchtling mit Gutscheinen einzukaufen. Überwiegend verstanden die FilialleiterInnen zwar das Anliegen, fühlten sich aber zumindest unsicher was den Einkauf mit getauschten Gutscheinen anbetraf. Eine generelle Zusage wollten sie nicht geben. Fakt ist, dass die Umtauschinitiative schon seit einiger Zeit Verkaufsstellen erfolgreich testet. Indem die GreifswalderInnen mit dem Tauschen beginnen, schaffen sie Tatsachen und lösen Diskussionen aus. Diese werden auf verschiedene Ebenen vordringen und darüber hinaus auch eine politische Auseinandersetzung bewirken. Neben der praktischen Solidarität durch Wertgutscheintausch, könnte Kritik am Wertgutscheinsystem in die öffentliche Diskussion gebracht werden. Schließlich wird die institutionalisierte Diskriminierung von Menschen anderer Nationalität oder Hautfarbe in Deutschland an solchen Einschränkungen persönlicher Freiheit beim Einkauf besonders deutlich.
Es ist nicht auszuschließen, dass deshalb der Initiative in der kommenden Zeit Hindernisse verschiedenster Art von Institutionen in den Weg gelegt werden. Die Kritik am Asylbewerberleistungsgesetz ist von den Behörden nicht gewünscht. Doch die Erfahrungen aus anderen Städten machen Mut. Die Hildesheimer Umtauschinitiative, die den Gutscheintausch überaus erfolgreich organisierte und jeden Monat einigen Hundert Flüchtlingen zu Bargeld verhalf, wurde von Seiten der Stadtverwaltung häufig angegriffen. Sie verletze angeblich geltendes Recht und man drohte ihr unverhohlen mit juristischen Konsequenzen. Der Ärger der Hildesheimer Stadtverwaltung dürfte einigermaßen groß gewesen sein, als „ihre“ Umtauschinitiative 1999 mit dem Förderpreis des Deutschen Bundestages „Demokratie leben“ ausgezeichnet wurde.
Die Göttinger Umtauschinitiative hat wegen Verleumdung gegen das Sozialamt geklagt, weil der Initiative von seiten der Behörden kriminelle Absichten unterstellt wurden. Eine Entscheidung steht noch aus. Es bleibt zu hoffen, dass Greifswalder Behörden dem Engagement gegen „gedruckte Unfreiheit“ etwas aufgeschlossener gegenüberstehen.


Was sagt das Gesetz dazu?

In einer rechtlichen Beurteilung über die „Erteilung von Vollmachten im Zusammenhang mit Wertgutscheinen für Flüchtlinge“ kommt ein Göttinger Anwalt zu folgender Ansicht: „Der Einkauf von Waren - mit oder ohne Gutschein - ist ein Rechtsgeschäft, das sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) richtet. In den §§ 164 ff. BGB ist die Möglichkeit geregelt, sich bei der Vornahme von Rechtsgeschäften durch andere vertreten zu lassen. Das bedeutet, dass der Vertreter/ die Vertreterin - gedeckt durch eine entsprechende Vollmacht - im Namen des/ der Vertretenen (hier der Flüchtling) ein Geschäft tätigt. Das Geschäft kommt auf diese Weise zwischen dem / der Vertretenen und dem Ladeninhaber zustande.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besitzt „jeder Bürger“ einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, welcher der Einwirkung öffentlicher Gewalt entzogen ist. Dieses „Allgemeine Persönlichkeitsrecht“ ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz. Hierunter fällt auch das Recht Rechtsgeschäfte abzuschließen und sich rechtsgeschäftlich vertreten zu lassen. Einschränkungen dieses Rechtes müssen in einer Rechtsnorm festgelegt und ihrerseits verfassungsgemäß sein. Entscheidend kommt es dabei auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an. Eine einschränkende Rechtsnorm gibt es im Fall der Wertgutscheine nicht. Gäbe es sie, dürfte sie einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhalten. ...“


Dies sind die aktuellen Handelspartner für die Annahme von Wertgutscheinen:

Barish-Lebensmittel — Brüggstraße 29
Minimal — Grimmer Straße und Lomonossowallee
Lidl — Gützkower Landstraße
Ratsapotheke — Markt 1
Real — Elisenpark
Penny-Markt — Hans-Beimler-Straße und Lomonossowallee
Extra — Hans-Beimler-Straße
Sky — Darßer Weg
Marktkauf — Neuenkirchen, Dorfstr.
Asia-Laden — Hunnenstraße


  zurück zur Ausgabe 8 zurück zur Hauptseite