Abends halb Zehn in Greifswald
klicke aufs BildII
Der furiose Auftritt der russischen Band "Novi Kompositori"
klicke aufs BildII

Buntes Leben in der Goethestraße

Der Greifswalder IKUWO e.V. wird bald ein Jahr - ein Rückblick

Heute kann man ohne Übertreibung sagen, dass die Greifswalder Kulturlandschaft etwas an Farbe hinzugewonnen hat. Das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IKUWO) ist zum festen Bestandteil der Greifswalder Kultur- und Politikszene geworden.

Obwohl erst im Frühjahr vergangenen Jahres gegründet und trotz teilweise recht provisorischer räumlicher Verhältnisse, fanden in und um das Haus in der Goethestraße 1 eine Fülle von Veranstaltungen statt. Die allererste öffentliche Veranstaltung war eine Begrüßungsparty für ausländische AustauschstudentInnen. An diesem Abend kamen bereits etwa 200 Menschen zusammen, um gemeinsam im Saal zu tanzen oder sich einfach im Cafébereich (Vereinskantine) zu unterhalten. Nach ersten Renovierungsarbeiten wurde das Café Anfang Juni offiziell provisorisch eröffnet. Seitdem ist die Vereinskantine täglich außer Mittwoch und Sonntag geöffnet. Hier treffen sich regelmäßig verschiedenste Gruppen und Initiativen, wie z.B. die OrganisatorInnen des Greifswalder Internationalen Studenten Festivals, die Lokale Erasmus Initiative und die Schüler gegen Rechts. Neben gelegentlichen Tanz- und Konzertveranstaltungen fanden im Saal einige Vorträge, Filmvorführungen und Workshops statt. Besonderen Anklang fanden die Auftritte von Olaf Schubert und der russischen Band Novi Kompositori. Die Einnahmen eines Konzertes mehrerer Lokalbands im Juli wurden einer Initiative in Chiapas (Mexiko) gespendet. Im Juni 2001 wurde die Hausfassade im Rahmen des Fresko- und Malprojekts optisch erheblich aufgewertet. In der Zeit lebten und arbeiteten etwa 20 Leute aus Polen im Haus. Seit Ende Juni ziert die Fassade das Motiv eines bunten Schiffes, das erfolgreich getauft werden konnte. Der August stand ganz im Zeichen städtisch geförderter Sanierungsarbeiten. Das Dach und das Heizsystem wurden erneuert. Die Heizungssanierung sorgte noch bis in den Dezember hinein für eine abenteuerliche Atmosphäre. In Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe können straffällig gewordene Jugendliche ihre auferlegten gemeinnützigen Arbeitsstunden im Haus ableisten. Da gab es sehr gute, aber auch schlechte Erfahrungen. Das Haus in der Goethestraße1 bot für interessante Vorträge und Filme im Rahmen der Greifswalder Entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationstage (GEBIT) ein gut besuchtes Forum. Die Greifswalder Amnesty International Gruppe nutzte den Saal ebenfalls. Seit Dezember letzten Jahres wird in der Kantine jeden Samstag der „Kessel Buntes“ aufgesetzt. Gekocht werden Gerichte von meist internationaler Besetzung. Natürlich gab und gibt es auch Schwierigkeiten. Zuerst einmal wäre es schön, wenn noch mehr Leute im Verein mitmachen würden. Zeitweise ist die Arbeit im laufenden Betrieb kaum zu bewältigen. Ein anderes Problem ist das der Lärmemission, die vor allem von Tanzveranstaltungen im Saal ausgeht. So musste mit den im frisch sanierten Nachbarhaus lebenden Menschen der Kompromiss gefunden werden, dass laute Aktivitäten im Saal nur zweimal monatlich stattfinden und maximal bis 2.00 Uhr in den Morgen hineinreichen. Dieser Kompromiss schmerzt zwar, ist aber durch einen früheren Partybeginn etwas auszugleichen. In der wundergespickten Zukunft ist eine Schallisolierung für den Saal geplant. Die Umsetzung scheiterte bisher an der permanenten Geldnot des Vereins. Die Einnahmen reichen kaum, um die Miete samt den recht hohen Nebenkosten für das Haus zu zahlen. Darum muss für Veranstaltungen eine Saalmiete erhoben werden. Außerdem kam es in der Vergangenheit häufiger zu Diebstählen von Geld und Technik aus den Räumlichkeiten der Kantine. Auch das Wohnprojekt ist aus baulichen Gründen weit langsamer angelaufen als geplant. Bisher wohnen zwei Marokkaner und drei „Einheimische“ in dem Haus. Verstärkung naht aber bald aus Polen und der Ukraine. Im Kantinenbetrieb fällt auf, dass der Besucheranteil von Ausländern teilweise noch geringer als erwünscht ist. Das Café soll aber eine Begegnungsstätte einheimischer und ausländischer Menschen sein. Durch Aktivitäten wie die der Umtauschinitiative, wird das Haus hoffentlich auch bei AsylbewerberInnen zur bekannten Adresse. Das braucht sicher Zeit. In Zukunft sollen Aktivitäten auch stärker in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, wie z.B. dem Ulenkrug und dem TIKO in Wismar koordiniert und durchgeführt werden. Das IKUWO in Greifswald ist ein Ort, der zu freiem Denken und Tun einlädt und Raum für viele Ideen lässt. Und auch wenn es hin und wieder stressig ist, am Ende überwiegt doch der Spaß am Erreichten und die Zuversicht, dass es noch bunter und lauter weitergehen wird.
Hagen Koksch


  zurück zur Ausgabe 8 zurück zur Hauptseite