Bei  soviel entschlossener Greifswalder Dickköpfigkeit ...
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... und Entschlossenheit ...
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... wußte die Polizei am Ende auch keine andere Variante, als den BlockiererInnen ein Angebot zu machen.
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Greifswald setzte sich in den Weg

NPD-Demo wurde am 1. September gestoppt und zum Südbahnhof umgeleitet

Dieser 1. September verlief sicher nicht ganz so nach dem Geschmack von Spiegelmacher & Co. Den Verlauf und das Ende ihrer „Friedensdemo“ hatten sich die Germanenkrieger sicher anders vorgestellt. Nicht nur, daß sich bloß rund 130 Friedensengelchen in den eigenen Reihen finden ließen. Nein, diesmal gelang es tatsächlich, sich den Nazis in den Weg zu stellen und es ihnen nicht zu ermöglichen, ihre geplante Route zu Ende zu führen. Ein Erfolg, der im Rückblick auf die Ereignisse am 14. Januar und die jetzigen Schwierigkeiten, wirksamen Protest gegen die NPD zu organisieren, schon ein wenig unheimlich anmutet. Jedoch ein Erfolg mit einigen Wermutstropfen. Einen günstigen Aufmarschtermin hatte sich die NPD ja ausgesucht. Semesterferien, Gegenprotestvorbereitungen fielen mitten ins Sommerloch. Und in der Tat, nur wenig sah im Vorfeld nach einem Gelingen der Proteste aus. Daß sich die Zahl von 7000 sicher nicht erreichen ließe, war bereits im Vorfeld klar. Doch würde sich überhaupt eine wirkungsvolle Anzahl an GreifswalderInnen und Greifswaldern an den Protesten beteiligen? Schließlich ist es ja auch Konzept der NPD durch immer wiederkehrende Aufmärsche einen Abnutzungseffekt in der Protestbewegung zu erzielen. Sicher, die Zahl von 7000 wurde nicht erreicht, dafür war das Engagement diesmal wesentlich wirkungsvoller. Bereits um halb zehn waren die ersten auf den Beinen, um am Mahnmal der Opfer des Faschismus, Kränze niederzulegen. Dies war der Freitagsrunde als Anmelder auf Anweisung des Innenministeriums noch am Vortag verboten worden. Das Verwaltungsgericht hatte jedoch nach Intervention der VeranstalterInnen das Verbot aufgehoben, so daß sich rund 150 Menschen morgens auf dem Wall einfanden (mit dabei übrigens auch ein Fotograf der Nazis, der jedoch des Platzes verwiesen wurde). An ein Betreten der Bahnhofstraße war bereits zu dieser Zeit nicht mehr zu denken. Die Polizei hatte alle Zufahrtswege abgesperrt und ließ nur Anwohner passieren. Nach der Kranzniederlegung auf dem Wall und dem Gottesdienst auf dem Greifswalder Marktplatz fanden sich dort rund zwei- bis dreitausend Menschen zur großen Kundgebung zusammen. Nach Beendigung der Kundgebung auf dem Markt erklärten verschiedene Menschen, sie würden nun das Motto „Greifswald stellt sich in den Weg“ wörtlich nehmen und zivilen Ungehorsam leisten, indem sie den Nazis durch eine Sitzblockade den Weitermarsch verwehren würden. Einige Hundert taten es ihnen gleich und zogen durch den Schuhagen Richtung Europakreuzung. Dort war bereits ein großes Polizeiaufgebot aufgefahren, welches den Zugang zum Kreuzungsbereich von allen Seiten abriegelte. Einige PolizeibeamtInnen stellten bereits hier unter Beweis, daß sie aus den Ereignissen am 14. Januar in Greifswald und der darauffolgenden Kritik an ihrem damaligen Vorgehen nicht viel gelernt hatten. Auch wenn sich der Großteil der eingesetzten BeamtInnen absolut korrekt und fair verhielt, traf das auf einige hier und später überhaupt nicht zu, z.B. die an der teilweisen Räumung einer Sitzblockade beteiligten BeamtInnen. Ein Beamter war seinem Auftreten nach offensichtlich angetrunken. Es ist wirklich die Frage, warum es immer wieder PolizistInnen gibt, die sofort und ohne Vorwarnung hart und mit Gewalt gegen friedliche ProtestiererInnen nicht der Situation entsprechend reagieren und warum immer wieder PressevertreterInnen durch einzelne Beamte behindert werden. Fraglich ist auch, warum die eigens organisierten und deutlich gekennzeichneten SanitäterInnen, die die Proteste und Sitzblockaden begleiteten und von deren Existenz die Polizei eigentlich wissen sollte, oft nicht durchgelassen wurden. Der ganze Bereich der Europakreuzung war abgesperrt und für die NPD freigeräumt. Einigen GegendemonstrantInnen war es jedoch gelungen, in die Anklamer Straße zu gelangen und sich dort auf die Straße zu setzen. Ehe die Polizei die Situation überhaupt erfassen konnte, wuchs die Zahl der BlockiererInnen schnell an, die über Schleichwege die Abriegelung der Polizei umgehen konnten. Auch an anderen Stellen in diesem Bereich setzten sich Menschen auf die Straße, oft auch ältere PassantInnen, die spontan ihr Rad auf die Straße legten und sich daneben setzten. Auch hier war das Vorgehen der Polizei sehr unterschiedlich. Während ein Zugführer ruhig und entspannt auf die PotestiererInnen einredete und seine KollegInnen überlegt und ohne übermäßige Härte die DemonstrantInnen wegtrugen, zerrten nur wenige Meter entfernt einige Beamte sinnlos an den Sitzenden herum. Ihr Verhalten wirkte ähnlich unbeherrscht und unprofessionell wie schon am 14. Januar . Auf Videoaufnahmen ist zum Beispiel deutlich zu sehen, wie ein Beamter einen Demonstranten mit Hilfe seines unter den Hals desjenigen geklemmten Schlagstocks über den Asphalt von der Straße zieht. Die Zahl der Leute, die sich auf der Straße niedergelassen hatten, war nun aber bereits so stark angewachsen, daß die Polizei es aufgab, Sitzblockaden zu verhindern. Gut 200 bis 300 Menschen machten ein Durchkommen der Nazis unmöglich. Nun begann die Zeit des Wartens auf das weitere Vorgehen der Polizei. Es wurde gesungen, Gitarre gespielt, ältere Passanten kauften Wasserflaschen und verteilten sie an die Sitzenden und eine Gruppe bunt Verkleideter versorgte die Sitzblockade unter dem Motto „Friede-Freude-Eierkuchen“ mit selbigen. Nach einiger Zeit knackte es in den Lautsprechern der Polizei und die Stimme eines Polizeiverantwortlichen erklärte, daß die Polizei nicht vorhätte, den Bereich Anklamer Straße mit Zwangsmitteln zu räumen und einen Kompromiß vorschlüge, um den Charakter des friedlichen Protests beizubehalten. Die Sitzblockade wird aufgelöst und die DemonstranInnen ziehen sich hinter die Kreuzung Anklamer Str./Beimlerstr. zurück, damit die NPD in die Beimlerstr. umgelenkt werden kann. Im Gegenzug versichert die Polizei, daß die NPD direkt und sofort zu ihrem Abfahrtspunkt Südbahnhof zieht und von dort die Abfahrtszüge besteigt. Auf die Aussage der Polizei vertrauend, die Nazis würden jetzt zum Südbahnhof laufen und von dort dahin verschwinden, von wo sie gekommen sind, willigten die Meisten ein, erhoben sich und räumten den Kreuzungsbereich. Die NPD konnte daraufhin unter lautstarkem Protest ihrer GegnerInnen in die Beimlerstr. ziehen. Dorthin wurde sie nicht nur von Polizei, sondern auch von vielen GegendemonstrantInnen begleitet und die nervliche Anspannung war den Nazis deutlich anzusehen. So mußten die NPD-Ordner ihre Kameraden sehr in Schach halten. Am Südbahnhof wurde dann klar, daß die Polizei es mit ihrem Versprechen, die Nazis sofort und direkt zum Abfahrtsort Südbahnhof zu bringen, damit sie die Stadt wieder verlassen können, nicht sehr ernst meinte. Die NPD konnte auf einer Wiese noch in aller Ruhe ihre Endkundgebung abhalten. Das nennt mensch gemein hin „über'n Tisch gezogen“ oder auch „über's Ohr gehauen“. Zu Recht kamen sich die Menschen, die ihre große und druckvolle Sitzblockade für ein Versprechen der Polizei aufgegeben hatten, richtiggehend „verarscht“ vor. Von den gehaltenen Reden war durch den umgebenden, lautstarken Protest überhaupt nichts außerhalb des NPD-Trüppchens zu hören. Genauso wie am 14. Januar wurden wieder wie in alter DDR-Pionier-Fahnenappell Manier zwei verdiente Kameraden ausgezeichnet. Generell ist man bei den Nazis den alten DDR-Traditionen und Terminologien nicht abgewandt. So sprach Axel Möller, der seine Kameraden wieder mit einer seiner berühmten quakig-pommerschen Langweilreden quälte, lieber von „Rat der Stadt“ statt „Bürgerschaft“. Man wurde zwar nicht müßig, immer wieder das Friedensengagement der Nazis zu betonen, Möller jedoch schloß mit den Worten, man werde um Deutschland kämpfen und unter ihnen selbst gäbe es keinen Petershagen. Rudolf Petershagen war in den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs der Stadtkommandant von Greifswald. Er hatte auf eigene Faust Verhandlungen mit der Roten Armee aufgenommen und die Stadt kampflos an sie übergeben und damit vor der Zerstörung bewahrt. In Nazikreisen gilt Petershagen als Verräter. In einer nicht zu überbietenden Geste der Heuchelei ließen die Nazis, allen voran der wegen versuchten, gemeinschaftlichen Mordes verurteilte Spiegelmacher Friedenstauben fliegen. Recht frustriert über den doch sehr offensichtlichen Mißerfolg ihres Unternehmens „Frieden mit der NPD“ machten sich die Kämpfer für Deutschland von dannen. Am Abend ging es dann noch rund. Das Internationale Kultur- und Wohnprojekt, kurz IKUWO, war Partyzone. Zu Gast waren polnische MC's aus Szczecin die zusammen mit Rostocker und Greifswalder MC's die Turntables massierten sowie Punky-Reggae-Party und House/Drum & Bass /Elektro Spezialisten aus Greifswald, die der mehr als vollen Goethestraße 1 einheizten. Sehr angenehm war auch die Stimmung unter den BesucherInnen, von denen viele an den Protesten und Sitzblockaden in der Anklamer Str. beteiligt gewesen waren. Von „Siegesparty“ keine Spur. Es überwog die entspannte Freude, es geschafft zu haben, sich den Nazis in den Weg zu stellen und die Erleichterung, daß alles überwiegend gewaltlos und friedlich abgelaufen war. Insgesamt stießen die Greifswalder Proteste auf großes mediales Interesse. Mittlerweile ist das „Hinsetzen gegen Menschenverachtung“ ein echtes Großereignis geworden, über das sowohl lokale als auch überregionale Medien berichteten. Die Ostseezeitung widmete dem 1. September am folgenden Montag eine ganze Seite. Die Zugriffszahlen auf die extra eingerichtete Sonderseite des Likedeeler (hier) erhöhten sich für den 1. September und einige der folgenden Tage um den Faktor 20. Unter dieser Internetadresse waren Videos und erste Bilder der Ereignisse (fast) live zu sehen. Positiv dabei ist, dass sich die öffentliche Wahrnehmung ausschließlich auf die Proteste gegen die NPD fixierte. Die Nazis wurden nur am Rande erwähnt. Eine Tatsache, die besonders denjenigen widerspricht, die glauben, mensch könnte Naziaufmärschen durch demonstratives Desinteresse entgegenwirken. Nur der Greifswalder „moritz“ brachte einiges durcheinander. In einem Artikel über den 1. September wird berichtet, dass es zum ersten Mal in Deutschland gelungen sei, einen rechtsextremen Aufmarsch durch friedliche Proteste zum Abbruch zu zwingen. Erstens stimmt dies nicht (Halle, Rostock und andere Städte haben Greifswald wieder etwas voraus) und zweitens ist „Abbruch“ eigentlich etwas anderes. Weiter ist im Text von „zähen Verhandlungen“ (die es definitiv nicht gab) die Rede und von der Abschlusskundgebung der NPD scheint der Schreiber nichts mitbekommen zu haben, den die, so der „moritz“, hätte nicht stattfinden können. Naja, schön wäre es jedenfalls gewesen.

Sven Römer



T-Shirts von Demonstranten auf einem NPD-Aufmarsch in Rostock
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Die wundersame Verwandlung von Militaristen in Friedenstauben

Wer den Aufruf der NPD zur Demonstration am 1.9.01 las, sollte glauben, daß die NPD tatsächlich gegen Krieg demonstrieren wollte. Sie schimpften sie auf „jene GRÜNE[N] und Sozialdemokraten,[...] die Deutschland im Schlepptau des US - Amerikanismus in die völkerrechtswidrige Aggression gegen Serbien“ verwickelt hätten. Auch die Beteiligung an den Golf - Kriegen und den Einsatz in Somalia kritisieren sie scheinbar. Auch beim jetzt stattfindenden Krieg in Afghanistan tun sie so, als könnten sie keiner Fliege etwas zu Leide tun. Doch der Schein trügt. Im 3. Abschnitt ihres Demonstrationsaufrufes wird deutlich, wozu sie die Kriegsbeispiele mißbrauchen. Nicht etwa die Verhinderung weiterer Kriege steht im Mittelpunkt, sondern: Es könne „nicht sein, daß man dem deutschen Volk über Generationen hinweg immer wieder den 2. Weltkrieg vorhält, während man seit Kriegsende selber Kriegsverbrechen auf Kriegsverbrechen“ häufe. Und später: „daß in Deutschland kein anständiger Mensch mehr Lust“ habe, „für einen Krieg zur Kasse gebeten zu werden, den er nicht geführt“ habe. Sie wollen keine Diskussionen mehr über Hitler: Es wäre „an der Zeit nachzufragen, ob all jene Kreise, die immer wieder dafür sorgen, daß Hitler nicht sterben kann, nicht eher aus persönlichen und pekuniären Gründen daran interessiert“ wären, „daß er nicht sterben soll.“ Hier geht es ihnen also nicht um Frieden, sondern darum, dass die Kriegsverbrechen der Wehrmacht und des faschistischen Deutschland aus der öffentlichen Debatte verschwinden. Und auch die ohnehin viel zu spät kommenden und geringen Entschädigungen an ehemalige Zwangsarbeiter wollen sie nicht mittragen. Die angebliche friedliche Politik steht auch im Gegensatz zu der benutzten militaristischen Symbolik, derer sich Rechtsextreme immer wieder deutlich sichtbar auf Demonstrationen bedienen.


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