Der Lobbi e.V. organisierte auch ein Straßenfest in diesem Sommer in Wismar
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Gar nicht lustig: Teilnehmer an einer NPD-Demonstration im Juli diesen Jahres
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„Über rassistische Witze wird nur noch gelacht.“

Ein Interview mit Mitarbeitern des LOBBI e.V.

LOBBI bedeutet „Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt.“ und hat seinen Sitz in Rostock

Warum ist der Verein entstanden?

Siggi: Na ja, wir haben bereits vorher in ähnlichen Initiativen mitgearbeitet. Bereits damals haben wir von rechten Übergriffen erfahren. Teilweise sind Leute auf uns zu gekommen und haben gefragt, was unternommen werden könnte, insbesondere im Umgang mit Betroffenen rechter Gewalt. So entstand Ende letzten Jahres die Idee, einen Verein zu gründen. Aufgrund der Sommerlochdebatte letzten Jahres war abzusehen, dass möglicherweise Mittel für eine Beratung zur Verfügung stehen würden. Dann kam das Civitas-Programm, und ab diesem Zeitpunkt haben wir im Prinzip konkret daran gearbeitet. Im März 2001 gründeten wir diesen Verein. Danach haben wir die meiste Zeit damit zugebracht, Konzepte und Anträge zu schreiben und unser Vorhaben Menschen und Initiativen vorzustellen, die auch zu dem Thema arbeiten. Seit dem 1.Juli werden wir über Civitas finanziert und konnten dadurch drei Anlaufstellen in Wismar, Neubrandenburg und Rostock einrichten, sowie sechs Leute hauptamtlich und vier Menschen auf Honorarbasis einstellen. Die erste Weiterbildung haben wir nun hinter uns, bei der wir erste Erfahrungen mit anderen Beratungsinitiativen austauschen konnten. Später soll auch mit Behörden, Institutionen und Verbänden gesprochen werden, die konkret Betroffene rechter Gewalt an uns vermitteln können bzw. mit denen wir aufgrund unserer Arbeit zusammenarbeiten werden.

Tim: Zu ergänzen wäre noch, dass wir gute Kontakte zur Opferperspektive Brandenburg haben, und von den MitarbeiterInnen natürlich schon vieles an Erfahrungen über die Arbeit mitgekriegt und teilweise auch Ideen übernommen haben.

Was unterscheidet Euch von anderen Opfervereinen und Gruppen, die sich für Opfer von Gewalt engagieren?

T.: Zunächst einmal die klare Ausrichtung auf Opfer rechter Gewalt. Die ausschließliche Ausrichtung auf diese Betroffenengruppen ergibt, dass unser Ansatz deutlich über eine sozialpädagogische Helfertätigkeit hinausgehen soll. Wir wollen versuchen, über die konkrete Hilfe hinaus, langfristige Veränderungen im Interesse der Opfer anzustreben. D.h. einerseits Opfergruppen stärken, sie unterstützen, damit sie selbst erfolgreicher für ihre Rechte eintreten können. Auf der anderen Seite wollen wir versuchen, eine Entsolidarisierung mit den Tätern herbeizuführen, d.h. langfristig eine Atmosphäre zu schaffen, in der Übergriffe nicht mehr stattfinden können bzw. deutlich stärker geächtet werden.

Ihr arbeitet konkret für Opfer rechter Gewalttaten. Es gibt ja neuerdings wieder Diskussionen über den Gewaltbegriff an sich. Was ist das Besondere an der rechten Gewalt? Es gibt ja die Theorie der Gleichsetzung mit anderen Gewaltausrichtungen?

T.: Erstmal denke ich, dass die Besonderheit - das kann man auf ganz verschiedenen Ebenen betrachten - in der Quantität liegt. Im Vergleich zu anderen Ausrichtungen ist dies ein gewaltiger Unterschied. Wenn die so genannte politisch motivierte Gewalt verglichen werden soll und inhaltliche Sachen ganz außer Acht gelassen werden, dann läßt sich anhand der Zahlen erkennen, dass es für die Betreuung von Opfern sog. linker Gewalt eigentlich kaum Bedarf gibt. Das ist wahrscheinlich das geringere Argument. Der deutlich entscheidendere Grund ist, dass rechte Gewalt ein klarer Ausdruck von rechter Politik bzw. rechtem Politikverständnis ist. Deshalb muss eine Auseinandersetzung mit rechter Gewalt auch immer eine Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut sein. Wie gesagt, denken wir, dass rechtsextreme oder rechte Gewalt ein Grundpfeiler rechter Politik ist. Das ergibt sich klar daraus, dass Rechtsextremisten den Anspruch haben, eine Gesellschaft aufzubauen, die Gewalt als ein zentrales Fundament ansieht. Vielleicht noch mal allgemein zu dieser Gewalt- oder dieser Totalitarismus-Diskussion. Einerseits denken wir, dass diese Theorien rechtsextreme Gewalt relativieren und entpolitisieren. Teilweise wird damit natürlich auch versucht, eine geschichtliche Betrachtung von rechter bzw. rechtsextremer Gewalt bzw. rechter, rechtsextremer Herrschaft bewusst zu überspielen, in dem es zu einer Gleichsetzung zwischen rechts und links kommt. Die ganz besondere Qualität von Naziverbrechen kommt darin überhaupt nicht mehr zur Sprache. Es besteht die Gefahr, dass diese Verbrechen und die heutigen rechten Übergriffe ihren ganz besonderen Ausdruck der Menschenverachtung verlieren.

Rechtsextreme sowie rechte Gewalt ist also ein Ausdruck von rechten Schlägern auf der Straße. Gibt es Eurer Meinung nach Gewalt, die sich strukturell äußert? Und ist die auch in Eurem Konzept mit verankert? Arbeitet Ihr auch mit Opfern struktureller Gewalt?

T.: Ganz wichtig für uns ist, dass die Problematik nicht nur auf prügelnde Nazihorden auf der Straße, also den in der Gesellschaft bekannten Naziskinheads, beschränkt wird. Diese verkörpern den Rechtsextremismus für die normalen Leute. Wir wollen uns nicht nur auf diese Naziskinheads oder Neonazis konzentrieren, sondern auch gegen rassistische und rechtsextreme Strukturen und Gedankenmuster, die in der Mitte der Gesellschaft verankert sind, vorgehen. Es ist notwendig, auch auf alltägliche rassistische Diskriminierung einzugehen. Dieser Begriff rechte Gewalt umfasst also nicht nur die Stiefeltritte von Neonazis. Dazu gehört natürlich auch, dass wir uns für sog. Randgruppen einsetzen wollen, die natürlich auch von institutionellem Rassismus oder Ausgrenzungen durch Behörden betroffen sind und die von Polizei oder Ämtern diskriminiert werden. Das gehört für uns genauso zur Arbeit wie eine Hilfe für Betroffene von direkter körperlicher Gewalt durch Nazis auf der Straße.

S.: Dazu finde ich es wichtig zu sagen, dass gerade diese prügelnden Neonazis sich in ihrer Argumentation immer auf die Gesellschaft berufen und sich als ausführender Arm dieser sehen, indem sie genau diesen Rassismus aufgreifen, der aus der Mitte der Gesellschaft kommt und von sich sagen, dass sie, wenn sie losziehen und Minderheiten angreifen, den gesellschaftlichen Konsens austragen.

Wie versucht Ihr konkret, diesem alltäglichen Rassismus entgegenzutreten? Das löst sich ja nicht, indem Ihr dem Opfer an sich helft. Damit wird ja nicht dieses Problem aus der Welt geschaffen. Hat LOBBI noch andere Arbeitsschwerpunkte, um hier einzugreifen?

T.: Erst einmal konkret dazu: Wie sieht die Arbeitsweise von LOBBI aus? Anknüpfungspunkt ist für uns immer eine konkrete Tat, z.B. eine Diskriminierung oder ein gewalttätiger Übergriff, die uns bekannt wird. Es gibt verschiedene Wege, darauf zu reagieren. Wir gehen dabei natürlich immer aus der Sicht des Opfers an die Sache ran. Wir sehen zunächst, was will das Opfer an konkreter Hilfe. Wir analysieren mit ihm zusammen die Situation und bieten unsere Hilfe an. Darüber hinaus wollen wir diese Fälle, diese Übergriffe, auch in der Öffentlichkeit bekannt machen und dazu natürlich auch Hintergründe liefern, soweit es möglich ist. Dabei ist klar zu machen, in welcher Atmosphäre der Übergriff entstanden ist, um darüber hinaus zu sehen, welche Möglichkeit wir haben, an dieser Atmosphäre etwas zu ändern. Das beginnt natürlich mit einer Öffentlichkeitsarbeit über Presse und andere Medien, geht dann aber auch weiter bis hin zu verschiedenen Informationsveranstaltungen, bei denen Informationen über die Täter oder über die Situation gegeben werden können. Dabei ist es klar, die Situation der Opfer deutlich zu machen und somit langfristig auch Umdenkungsprozesse in der Gesellschaft anzuregen.

S.: Überlegt haben wir, dass wir auch gerade deshalb die Opferberatung machen, weil wir an einer Gewalttat anknüpfen. Einerseits, um direkt dem Opfer zu helfen, andererseits, weil wir anhand von Diskussionen mitgekriegt haben, dass es heutzutage eine gesellschaftliche Empörung nur noch über solche Gewalt gibt. Über rassistische Witze und rassistische Beleidigung wird nur noch gelacht oder hinweggesehen. Die Bevölkerung sieht sich erst ab dem Moment bedroht und ist empört, wenn eine Gewalttat stattfand.

Um langfristige Veränderungen im Denken zu erreichen, ist es doch notwendig, nach außen aufzutreten. Wie wollt Ihr in der Öffentlichkeit präsent sein, arbeitet Ihr in Netzwerken mit?

T.: Öffentlich sind wir bis heute mit einem Interkulturellen Fest am 25. August in Wismar in Erscheinung getreten, das wir u.a. organisiert und zu dem wir aufgerufen haben.

S.: Wir wollen auf jeden Fall versuchen, auf vorhandene Strukturen und Netzwerke zurückzugreifen bzw. neue Strukturen aufzubauen. Dabei existiert für uns immer ein Messwert: Wir wollen, dass irgendwann unsere Arbeit überflüssig bzw. von anderen Gruppen vor Ort übernommen wird. Dazu müssen Strukturen dort, wo sie notwendig sind, aufgebaut werden. Demokratische Strukturen möchten wir mit antifaschistischen Initiativen verbinden.

T.: Also, wir hatten ja vorher schon gesagt, dass wir Prozesse der Selbstorganisation von potentiellen Opfergruppen anregen wollen. Dazu zählen für uns neben Flüchtlingen auch nicht-rechte Jugendliche, AntifaschistInnen, Homosexuelle, Wohnungslose und engagierte Einzelpersonen. Teilweise werden bereits antifaschistisch engagierte Leute in der Rolle eines Dienstleisters gesehen, der sich um das Problem Rechtsextremismus kümmern soll. Auf Grund unserer Möglichkeiten und unserer Erfahrungen in Regionen, wo es Dominanzbestrebungen von Nazis gibt, wollen wir beim Aufbau von tragfähigen Strukturen mithelfen und wenn Interesse besteht, diese Strukturen unterstützen. Aber insgesamt ist es schon ein großes Problem, Strukturen in ländlichen Gebieten zu schaffen.

Was heißt das konkret in Rostock?

T.: In Rostock haben wir eine Situation, die im Vergleich zu großen Gebieten in Mecklenburg-Vorpommern schon Strukturen vorweist bzw. in der es bereits Netzwerke gibt, auf die wir aufbauen können. Diese wollen wir nutzen und auch Kooperationen mit den jeweiligen Akteuren anstreben. Wir haben den Anspruch, uns in solche Netzwerke einzubringen und solche weiterzuentwickeln, um die vorhandenen Potentiale bündeln und ausbauen zu können. Wir hatten im Vorfeld lokalisiert, was es an potentiellen Kooperationspartnern gibt und haben mittlerweile einen Kreis von Kooperationspartnern gefunden, mit denen wir hauptsächlich in den drei Städten Neubrandenburg, Wismar und Rostock, in denen unsere Büros existieren, zusammenarbeiten werden.

Das hört sich ja umfassend an. Gibt es trotzdem noch etwas, was ausgebaut werden müsste?

T.: Ja, auf jeden Fall. Ein umfassenderes Netzwerk aus Juristen, Ärzten und Therapeuten ist in den drei Städten noch aufzubauen. Wir suchen noch immer nach engagierten Juristen, die mit uns zusammenarbeiten bzw. an die wir Opfer vermitteln können, die dann von ihnen engagiert unterstützt werden. Ein weiteres Problem ist das Fehlen von Psychologen gerade für traumatisierte Opfer. Ein gutes ambulantes oder stationäres Angebot für diese Menschen gibt es kaum bzw. überhaupt nicht. Auf eine Zusammenarbeit mit diesen Stellen sind wir angewiesen, da wir selbst keine psychologische und juristische Beratung anbieten können und wollen.

Der Verein „Bunt statt Braun“ ist hier in aller Munde. Arbeitet ihr mit oder gibt es andere Verbindungen? Im letzten Monat [Juli] hat sich ein weiteres Bündnis gegründet, das Antifaschistische Jugendbündnis Rostock. Könnt ihr dazu was sagen?

S.: Das Bündnis „Bunt statt Braun“ entstand 1998 unter dem Namen Bündnis gegen Rechts, erst später vollzog sich die Vereinsgründung. Als Einzelpersonen oder ehrenamtliche Mitglieder in anderen Initiativen und Vereinen waren wir an der Gründung des damaligen Bündnisses beteiligt. Es hat über die Jahre hinweg Entwicklungen gegeben, die wir nicht mehr mittragen konnten. Wir sind aber noch punktuell mit dem Verein verbunden und engagieren uns in verschiedenen Arbeitsgruppen. Im Juli 2001 gründete sich das Antifaschistische Jugendbündnis, u.a. waren MitarbeiterInnen des LOBBI e.V. daran beteiligt, die noch ehrenamtlich in anderen Initiativen aktiv sind. Dieses Bündnis hat das Ziel, mit verschiedenen politischen und kulturellen Gruppen, Vereinen und Initiativen zusammenzuarbeiten.

T.: Die Entwicklung, die das ursprüngliche „Bündnis gegen Rechts“ zum Verein „Bunt statt Braun“ genommen hat, eine Entwicklung, die viel diskutiert wurde, führte zu einer Kritik an den Zielen und auch an den Aktionen des Vereins „Bunt statt Braun“. Und ich denke, dass das Antifaschistische Jugendbündnis eine Reaktion auf diese Kritik ist. Das Jugendbündnis will versuchen, zu dem ursprünglichen Charakter, den das „Bündnis gegen Rechts“ einmal hatte, zurückzukommen. Und das auch klar mit einer jugendspezifischen Ausrichtung. Denn „Bunt statt Braun“ hat einen Charakter angenommen, der für Jugendliche wenig attraktiv ist. Da sind einerseits die Ziele, die auf eine städtische Imagepflege hinauslaufen und andererseits die Ausrichtung auf Aktionsformen wie z.B. die Friedensfeste und anderes, die wir so nicht mittragen können.

Du hast ja schon angedeutet, dass Differenzen zum Verein „Bunt statt Braun“ existieren. Kannst Du das noch konkreter ausführen? Gibt es noch andere Gründe, die es euch schwierig machen mit diesem Verein zusammen zu arbeiten?

T.: Wir reden an dieser Stelle hauptsächlich als Einzelpersonen, weil der Verein LOBBI ja noch nicht lange existiert und es daher wenig Erfahrung in der Zusammenarbeit mit „Bunt statt Braun“ gibt. Aus meiner eigenen Sicht sehe ich die Probleme einerseits in der Analyse der Situation vor Ort, im Umgang mit Rechtsextremismus und auch im Umgang mit verschiedenen Widerstandsformen. Das hat sich gerade beim letzten NPD-Aufmarsch gezeigt, bei dem es im Vorfeld deutliche Differenzen gab. Da gab es einen ziemlich desillusionierenden Umgang des Bündnisses „Bunt statt Braun“ mit der Suche nach anderen Protestformen, die sofort als kontraproduktiv, gewalttätig und erfolglos dargestellt wurden. In der Diskussion wurde sich dagegen gesträubt, sich mit der Form des zivilen Ungehorsams in Form von Sitzblockaden auseinander zu setzen. Da würde ich mir wünschen, dass sich der Verein „Bunt statt Braun“ mehr an Initiativen, wie zum Beispiel dem Greifswalder „Bündnis gegen Rechts“ orientieren würde, das von der politischen Ausrichtung ähnlich gelagert ist, aber den Protest wesentlich deutlicher zum Ausdruck bringen will, als es „Bunt statt Braun“ macht bzw. bis jetzt getan hat.

Könnt ihr euch vorstellen, die vorhandenen Differenzen zu überwinden bzw. die gemeinsamen Punkte herauszuarbeiten?

S.: Dazu sind in Zukunft einige Diskussionen notwendig.

T.: Ausschlaggebend ist es, wie es geschafft wird, sich aus den unterschiedlichen Positionen heraus, unvoreingenommen zusammen zu setzen. Da sollte nicht von vornherein auf vorherigen Positionen bestanden werden, sondern eine gegenseitige Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft deutlich gezeigt werden. Im Vorfeld der letzten Nazidemonstration war nicht zu erkennen, dass ein Kompromiss erzielt wurde, der für alle tragbar war.

Um noch mal auf Eure harte Kritik an dem Verein „Bunt statt Braun“ zurückzukommen: Hat sich aus dieser Kritik heraus das Jugendbündnis gegründet? Seht Ihr trotz der Kritik eine Legitimation für den Verein „Bunt statt Braun“ und könnt Ihr es trotzdem begrüßen, dass dieser Verein, der faktisch noch immer ein Bündnis darstellt, existiert?

T.: Das es eine harte Kritik ist bezweifle ich. Auf alle Fälle hat ein Bündnis, das sich gegen Rechts engagiert oder engagieren will, eine Bedeutung, die ich dem Verein „Bunt statt Braun“ auch nicht absprechen kann. Hauptsächlich zwei Gründe führten zur Gründung des Jugendbündnisses: Erstens die Kritik an „Bunt statt Braun“; Zweitens der Versuch ein jugendspezifisches Bündnis aufzubauen. Dass es weiterhin eine Zusammenarbeit mit „Bunt statt Braun“ geben muss und geben wird, ist klar. Die Zukunft wird zeigen, wie diese Zusammenarbeit aussehen kann. Von verhärteten Fronten möchte ich hier nicht sprechen, weil es die Situation nicht so wiedergibt, wie sie ist.

Wenn Ihr das so sagt, drängt sich die Frage auf: Wieso konnten nicht die verschiedenen Jugendgruppen in das bereits bestehende Bündnis „Bunt statt Braun“ eintreten? Wäre dadurch nicht eine Erneuerung des Bündnisses durchaus möglich gewesen? So wird doch jetzt versucht, sich von außen anzunähern?

S.: Mehrere Gruppen waren damals Mitbegründer des „Bündnis gegen Rechts“ in der Stadt. Sie haben sich jedoch im Laufe der Zeit zurückgezogen, gerade wegen des bereits beschriebenen Prozesses und teilweise auch, weil im Bündnis heute Vertreter der CDU sitzen, die eine Politik vertreten, die zur heutigen Situation beigetragen hat. Andererseits sind am Jugendbündnis viele Leute beteiligt, die vorher wenig bzw. keine Erfahrungen mit politischen Prozessen hatten. Wir haben darauf geachtet, dass kulturelle Gruppen sich beteiligen, dass sie sich antifaschistisch in der Öffentlichkeit äußern können, was durch die Entwicklung von „Bunt statt Braun“ nicht mehr gewährleistet wird.

T.: Bündnisarbeit liegt natürlich nicht allen, das sehen wir auch im Jugendbündnis, in dem verschiedene politische Positionen anzutreffen sind. Es ist schon notwendig, Kompromisse zu finden, die eigene Position zu überdenken und auf andere zuzugehen, ansonsten funktioniert so ein Bündnis nicht. Dazu bedarf es einer gewissen Erfahrung, um sich darauf einlassen zu können. Für junge Leute, die gerade anfangen, sich politisch zu engagieren, ist es schwierig, sich mit einem Bündnis wie „Bunt statt Braun“ zu arrangieren. Das liegt aber nicht nur am Charakter von „Bunt statt Braun“, sondern ist ein Problem von Bündnisarbeit im Allgemeinen.

Prinzipiell erhofft Ihr Euch dennoch eine Annäherung der beiden Bündnisse, auch im Hinblick auf einen gemeinsamen Protest? Würdet Ihr das unter allen Bedingungen versuchen oder falls keine kritische Hinterfragung der Position des Bündnisses „Bunt statt Braun“ erfolgt, die Zusammenarbeit unterlassen?

S.: Das liegt an uns. Wir müssen den Diskussionsprozess anregen, damit ein kritisches Hinterfragen möglich wird. Trotzdem stellt das Jugendbündnis eine Alternative zu „Bunt statt Braun“ dar. Wir werden aber auf jeden Fall mit „Bunt statt Braun“ zusammenarbeiten.

T.: Das bedeutet natürlich nicht, dass es in Zukunft nicht auch grundsätzliche Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten geben kann, so dass die Bündnisse getrennte Sachen machen. Es muss nicht in jedem Fall zu einer Zusammenarbeit zwischen den Bündnissen kommen, aber trotzdem ist ein Bruch zwischen den beiden Zusammenschlüssen nicht anzustreben. Auf vorhandene und gewachsene Strukturen sollte zurückgegriffen werden.

Die Stärke einer politischen Bewegung hier in Rostock könnte sich dadurch entwickeln, dass sich die verschiedenen Organisationen, Bündnisse und Vereine über Gemeinsamkeiten definieren und nicht über die Unterschiede, wie es oft gemacht wird. Wie seht Ihr das?

S.: Die Gemeinsamkeit ist ja erst mal der Kampf gegen Rechtsextremismus, die Definition ist bei beiden Bündnissen klar. Es bleibt abzuwarten, wie dieser Kampf gegen Rechtsextremismus umgesetzt wird.

T.: Ich denke, dass beide Ansatzpunkte und beide Organisationsformen in Rostock nebeneinander bestehen können und auch ihre Daseinsberechtigung haben. Es bleibt eine Frage des Aufeinanderzugehens und der Abstimmung, gemeinsame Aktionen durchzuführen bzw. Aktionen des Anderen zu unterstützen, sowie in der Zukunft zusammenzuarbeiten. Ich möchte aber noch einmal sagen, dass sich das Jugendbündnis nicht als „Gegenspieler“, der aus der Kritik an „Bunt statt Braun“ heraus entstanden ist, versteht. Ich denke, dass sich beide Bündnisse ergänzen. Es sind verschiedene Organisationen, die verschiedene Menschen ansprechen, die es auch mit verschiedenen Formen des Ausdrucks von Protest versuchen. In Zukunft muss im Einzelfall gesehen werden, wie sich Gemeinsamkeiten herauskristallisieren.

Wir danken für das Gespräch.

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Das Gespräch führten Katja Schlegel und Björn Kluger von der Redaktion der Rostocker „Stadtgespräche“


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