Das letzte Bild von Janusz Korczak unmittelbar vor der Deportation in das Vernichtungslager
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Namen nur Schall und Rauch?

Greifswald begeht sein Stadtjubiläum. Es gibt Festveranstaltungen, Reden werden gehalten. Wer aufmerksam durch die Stadt geht, wird sich an dem erfreuen, was sich verändert hat: Der Markt, der Fischmarkt mit dem Brunnen von Jastram, das sorgsam restaurierte Quistorp-Haus in der Bachstraße...

Es gibt aber auch Dinge, da wünschte ich mir, daß man sorgsamer wäre. Komme ich z.B. hin und wieder in die Feldstraße und gehe an dem inzwischen rekonstruierten Gebäude des BiG vorbei, dann sehe ich wohl, daß man Sinn für die Kunst zu haben scheint, zumindest keine Kosten gescheut hat. Ich weiß auch-sogar die Zeitung berichtete darüber-,daß diese Bildungseinrichtung einen guten Namen hat. Seine Mitarbeiter sind bewährte und fleißige Pädagogen. Einen guten Namen? Hat sie denn einen? Sie hatte einen! Zumindest ihre Vorläuferin. Einen guten Namen, wie ich finde: Janusz Korczak. Und wenn ich dort vorbeigehe, frage ich mich: warum ist dieser Name verschwunden? Warum ist das BiG heute namenlos? Weiß man denn nicht, daß Janusz Korczak ein hervoragender Pädagoge war? Weiß man denn nicht, daß dieser Mann, vor die Wahl gestellt, sein eigenes Leben zu retten und die ihm anvertrauten Kinder -jüdische Kinder- im Stich zu lassen, sich entschied, mit ihnen gemeinsam in den Tod zu gehen? Um bei den Namen und Bildungsinstituten zu bleiben. In der Beimlerstraße befindet sich die Berufliche Schule der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität. Sie trug einmal den Namen „Abraham Jacobi“. Warum hat man sich von diesem Namen getrennt? War es allein wegen der Länge oder vielleicht deshalb, weil Abraham Jacoby 1850 dem „Bund der Kommunisten" angehörte? Weiß man denn nicht, daß dieser Mann in den Vereinigten Staaten ein hochgeachteter Arzt war? In einem 1911 erschienenen Buch ist über ihn zu lesen: „[...] bedeutender Stabsarzt. Ihm verdanken viele, viele Krieger Gesundheit und Leben. Einer der hervorragensten Ärzte Amerikas überhaupt. Achtundvierziger. Lebte 1910 noch als rüstiger Greis in New York, hochgeachtet als einer der besten Männer, welche Deutschland Amerika gegeben hat.“ (Wilhelm Kaufmann: Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkriege. München und Berlin 1911, S. 515.) Nicht würdig, daß eine medizinische Berufsschule seinen Namen trägt? Was mag ein amerikanischer Gast, der unsere Stadt besucht, drüber denken? Vielleicht ein Anstoß, zu korrigieren, was man all zu schnell über Bord geworfen hat. E.K.

Anm. d. R.: Jacoby ist auch in dem von der F.- Ebert- Stiftung herausgegeben Band "Juden in Vorpommern" (Schwerin 1996, kostenloser Bezug) erwähnt. Dort heißt es: "Berühmtheit erlangte Abraham Jacoby (1830- 1919), der 1847/48 drei Semester Medizin in Greifswald studierte. Er nahm dann in Berlin und im Westen Deutschlands an den Revolutionskämpfen teil, schloß sich dem Bund der Kommunisten an, ging 1853 in die Vereinigten Staaten, wo er Freundschaft mit Carl Schurz schloß, am Bürgerkrieg auf seiten der Nordstaaten teilnahm, Professor für Kinderheilkunde an der Columbia- Universität wurde und 1910 Präsident der American Medical Association war." (S. 50/51)


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