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Aufstehen für ein Leben

Mumia- Abu- Jamal- Demo am 5. Februar in Berlin

Bis 14.°° Uhr versammeln sich ca. 8000 Demonstranten vor dem Staatstheater in Berlin auf dem Rosa-Luxemburg-Platz. Fast alle ankommenden Demonstranten werden erst durch zwei- bis dreireihige Polizeiketten gefilzt... ob im Deo-Spray Benzin drin ist? Der gut gepanzerte und bewaffnete Polizist lässt es sich nicht nehmen, erst mal das Spay in der Luft zu verbreiten, als er sich dann doch im klaren ist, daß da wirklich nur normales Deo drin ist, versucht er es beim nächsten Kandidaten... auch mein Rucksack wird durchsucht, und zu meiner Freude darf ich sogar meine Limoflasche (hartes Glas!), nachdem sich der Polizist vergewissert hat, daß es sich leider auch nicht um Benzin, sondern nur stinknormale Limo handelt, mit auf die Demo nehmen... (bin ich damit bei einer Festnahme ein potentieller Gewalttäter? Weil das ja eine Waffe sein könnte und so???). Na gut, nach kurzem Warten auf andere Gefilzte (in zweierlei Bedeutung) geht es hinein ins Getümmel... "Linksruck" aus Berlin verteilt Schilder, die sowohl für die Mumia-Demo, als auch für die am nächsten Tag stattfindende Anti-Nazi-Haider-Demo gedruckt wurden... Dann, schon nach wenigen Minuten, ordnet sich der Zug. Eingeteilt in Mumia-Soli-daritätsgruppe-Berlin-Block, Antifa-Block, Schwulen-und-Lesben-Block und dem Städte-und-Kreise-Block, jeder mit seinem eigenen Lautsprecherwagen und eigener Musik. Kurz danach setzt sich der Zug in Bewegung. Unter dem argwöhnischen und gut gepanzerten Blick zahlloser Polizisten und Kameras geht es zur US-Botschaft. Dort wartet schon die Polizei mit einigen Wasserwerfern und die Botschaft ist à la Berliner Mauer mit Betonklötzern und ausreichend Stacheldraht versehen… das ist wirklich ein wunderbarer Anblick. Man fühlt sich so schön hilflos und weiß genau, wie toll schmerzhaft diese Wasserwerfer sein können. Aber was hilft's, daran muß man nun mal vorbei, wenn man weiter der Demo folgen will. Jetzt beginnt gerade der Hauptanwalt von Mumia Abu- Jamal, Len Weinglass, der extra für die größte Demonstration dieser Art in Europa angereist ist, mit seiner Rede. Darin fordert er neben einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Mumia "ganz nebenbei" auch die Freilassung von Öcalan, was besonders den kurdischen Teil der Demonstration außerordentlich freut. Später spricht dann auch noch Mumia selbst, von einem Tape. Doch leider bemerke ich genau in diesem Augenblick, daß mein Zug schon in wenigen Minuten fährt, und entschließe mich so, erst mal mich irgendwie aus dem Hof raus zu schlagen, um eine Telefonzelle zu finden. Wie durch ein Wunder gelingt es mir dann, aus dieser Festung zu entkommen. Auf dem Weg von der Mitte des Hofes, wo sich die Polente einen Parkplatz angeeignet hat, gerate ich noch einmal hinter die feindlichen Linien und sehe mich plötzlich von Polizisten umringt, die wie gebannt auf die Demonstranten hinterm Stacheldraht starren. Da ensteht eine merkwürdige Gespanntheit. Es hat den Anschein, als ob es auf der anderen Seite des Parkplatzes zu Auseinandersetzungen kommt (was ich aber bis heute noch nicht bestätigt gekriegt habe). Jedenfalls schallen von der anderen Seite laute unverständliche Rufe und ziemlich viel Lärm zu uns herüber. Leider kann ich die Szene nicht weiter beobachten, weil ich noch irgendwie eine Zelle (Telefonzelle natürlich) finden muß! Also gelingt es mir dann mit einer kleinen Kette von Freunden aus dem Hof hinaus zu kommen, und so finden wir dann auch gleich ein Telefon Unter den Linden. Nach einigen verzweifelten Versuchen, jemanden zu Hause zu erreichen, gebe ich auf, und wir warten noch einen Augenblick, um uns auszuruhen. Doch dann ziehen plötzlich von der gegenüber dem Brandenburger Tor liegenden Seite sehr, sehr, sehr viele grüne-weiße Wagen auf… etwa 20 bis 30 sind es (nach meiner sachlichen Schätzung). Alle schon schön verbeult von anderen Demos oder ähnlichem. Und die Fenster schön vergittert, was mich irgendwie an ein Gefängnis erinnert! Hinten drin sitzen viele grüne, ganz dicke Männchen, die ziemlich böse aus ihren Wägelchen glotzen. Als wir uns gerade auf den Weg zur Botschaft machen wollen, sehen wir schon den Demonstrationszug hinter dem Polizeiwagen auftauchen. Also entschließen wir uns kurzfristig, noch etwas zu warten, um uns dann wieder einzureihen. Kaum ist der Zug dann endlich bei uns angelangt, bleibt alles stehen. Die Lage verschärft sich… der ganze Zug wird systematisch von den Polizisten eingekreist! Was passiert jetzt? Soll die Prachtstrasse Unter Den Linden etwa in Blut gebadet werden? Unserem Blut??? Von hinten dringen beängstigende Laute zu uns. Das klingt nach Wasserwerfern und Schreien!!! Sofort werden alle übrigen Demonstranten, die sich noch keine Kette gesucht hatten, eingereiht, die Ketten werden enger, und es dürfen jetzt keine Freiräume entstehen… alles wird ziemlich eng, und ich spüre die Angst, die wohl in allen in diesem Moment umgeht. Dann setzt sich der Zug, noch mit mehreren Stopps langsam wieder in Bewegung. Aus rund 10 000 Mündern hallt es jetzt durch die Strassen „Haut ab, haut ab!“. Jetzt drücken sich noch rechts und links gut gepanzerte Polizisten um den Zug. Erst bilden sie eine Reihe, dann schon zwei! „Haut ab!“ wird lauter, aber es kommen auch andere Sprüche: „BRD – Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt“, der nicht von allen so gut mitgetragen wird. Dann geht der Zug um eine Ecke. Die Strasse ist sehr eng, und rechts und links, vorne und hinten sind noch immer die Polizisten. An der Ecke steht wieder ein Wasserwerfer zum unfreiwilligen Duschen bereit. Er steht nicht mehr stumm da, sondern zielt schon auf die Demonstranten. Sehr "beruhigend" zu sehen, wie so eine Kanone von dem Wagen auf einen zielt, und man weiß genau, daß es nur eines Knopfdruckes bedarf, um loszuschießen! Dann geht es schon weiter, der Wasserwerfer verschwindet. Die Schlußkundgebung findet nahe der Pariser Straße statt, ich als Nichtberliner weiß nicht genau, wo wir waren, halte es aber für den Platz vor der Staatsoper. Ja, da hätte der Staat dann auch fast eine Oper gespielt, oder mehr ein Drama, bloß, daß die meisten Statisten dort nicht freiwillig mitgespielt hätten! Als wir uns dann endlich alle versammelt und uns selbst wiedergefunden hatten, bewegte sich auch plötzlich, wie zum Auftakt des Dramas eine Kugel von Polizisten in die Menge hinein. Aber alles in allem ist die ganze Aktion unterm Strich sehr friedlich verlaufen. Und wie es aus dem Lautsprecherwagen vor der US- Botschaft schon richtig hieß: „Wir sind nicht das erste Mal hier, und es wird nicht das letzte Mal sein!!!!!!!!“ In diesem Sinne bis zum nächsten Mal.

InfoBox: Hinrichtungsbefehl von Mumia Abu-Jamal unterzeichnet und wieder ausgesetzt

Bereits im Heft 1 berichte- ten wir über den seit 1981 in den USA inhaftierten Journalisten und früher den antirassistischen Black Panthers angehörenden Mumia Abu-Jamal. Am 13.10.1999 wurde ein erneuter Hinrichtungsbefehl von Tom Ridge, Gouverneur des US-Staates Pennsylvenia, unterzeichnet. Ein Wiederaufnahmeverfahren wurde vom Verfassungsgericht der USA abgelehnt. Dagegen wurde von den Anwälten Abu-Jamals beim Bundesgericht Widerspruch eingelegt. Das Bundesgericht ist die letzte juristische Instanz, die den Mord verhindern kann. Die Anwälte von Mumia Abu-Jamal fordern seit Jahren gemeinsam mit Bürgerrechtsgruppen, Künstlern und internationaler Prominenz die Freilassung Abu-Jamals aus der Todeszelle und ein faires Gerichtsverfahren für ihn. Seit Anfang der 80iger Jahre ist er nach einem dubiosen Verfahren dort inhaftiert. Das Urteil sollte am 2. Dezember 1999 vollstreckt werden. Der Termin konnte aber durch den Widerspruch ausgesetzt werden. 1995 wurde bereits ein Hinrichtungsbefehl von Ridge gegen Abu-Jamal unterschrieben. Durch breiten internationalen Protest konnte er aber auch damals nicht durchgesetzt werden. 1976 wurde die Todesstrafe in den USA wieder eingeführt. Seitdem wurden mehr als 500 Gefangene hingerichtet. Ridge unterzeichnete allein in der Woche der Unterzeichnung von Mumias Hinrichtungsbehl 3 weitere Todesurteile. Am 5. Februar fand in Berlin eine Großdemonstration für Mumia Abu-Jamal statt (siehe oben). Auch weiterhin wird öffentlicher Druck notwendig sein. Ihren Protest können Sie an folgende Stellen senden:

FAX: Gouverneur Tom Ridge: 717 772 1198 u. 7177834429; Justizministerin Janet Reno: 2025144371; Oberstaatsanwältin in Philadelphia Lynn Abraham: 215 686 8024;

Briefe: Präsident Bill Clinton, White House, 1600 Pennsylvania Avenue NW, Washington, DC 20500.

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