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Gibt's noch den Mann mit Zylinder?

Gentechnik und Kapitalismus. Zweiter Teil

Nachdem in der Ausgabe 2 des Likedeelers über die Technologie und die ökologischen Gefahren, die mit der Gentechnik in der Landwirtschaft verbunden sind, berichtet wurde, soll es sich im Folgenden um die gesellschaftlichen Verflechtungen der Gentechnik drehen. Warum übergehen Firmen ungeklärte Risiken und ignorieren die negativen Folgen der Gentechnik? Spätestens hier müssen wir über den Tellerrand Mecklenburg- Vorpommerns und seiner Rapsgene schauen. Schon seit einer Weile beteiligen sich Chemiekonzerne im Saatgutbereich und können so am herbizidresistenten Saatgut und zusätzlich am firmeneigenen passenden Herbizid verdienen. Daß sie an einem Rückgang des Herbizideinsatzes nicht interessiert sind, versteht sich von selbst. Viel lukrativer ist da die enge Bindung der Landwirtschaft an ihre Produktpalette. Diese Chance haben sie mit der Nutzung der Gentechnik. In diesem Zusammenhang kaufte Hoechst den größten deutschen Saatguthersteller, die Kleinwanzlebener Saatzucht GmbH (KWS), ein. Diese macht bereits seit April 1993 Freilandversuche mit genetisch veränderten Zuckerrüben. Hoechst kaufte sich 1982 mit 50 Mio. US $ den Zugriff auf die Ergebnisse der Grundlagenforschung am Bostoner Massachussetts General Hospital. Dabei ist Hoechst in der BRD in der Gentechnik nicht führend, sondern Bayer. Die Bayer AG erzielte 1990 rund 2 Mrd. DM an Einnahmen durch biotechnische Produkte. Die kostenaufwendige gentechnische Veränderung der Pflanzen wird von Industrielabors und Universitäten durchgeführt. Die Zuchtbetriebe nutzen dieses Ausgangsmaterial im Auftrag der Konzerne zur Züchtung nach konventionellen Zuchtmethoden. Wer es nun von den kleinen Betrieben nicht schafft, mit den Konzernen zusammenzuarbeiten, wird in Zukunft unter verschärftem Konkurenzdruck stehen. Die Gentechnik ist also eine Technologie der ohnehin mächtigen Konzerne. Nur sie können die Gentechnik nutzen, da sie im Besitz des notwendigen Kapitals sind, um die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Verfahren zu kaufen.

Paragraphenhengste

Der juristische Rahmen ihrer Macht liegt im Patentrecht. Durch das Patentrecht können die Konzerne schnell ein Monopol für den Saatgut- und Herbizidhandel bilden. Kleine Betriebe können sich die Gen- Lizenzen nicht leisten. Das Patentrecht geht auf die Regierung von Thomas Jefferson aus den USA zurück. Vor 200 Jahren sagte er dazu: “Wann immer das öffentliche Interesse das Interesse des Erfinders, der an einem Monopol seinen Lebensunterhalt verdient, überwiegt, dann darf kein Patent erteilt werden. Es ist im öffentlichen Interesse, daß Erfinder nicht hungern, und daß sie ihren Lebensunterhalt verdienen können.“ Damals wurde das Patentrecht im Zuge der Unabhängigkeit von England verabschiedet. Die Wissenschaft und technische Neuerungen wurden durch das Patentrecht gefördert, damit sich das jahrelang ausgegebene Geld für die Forschung rentierte. Was damals lediglich eine Existenzsicherung der Wissenschaftler bedeutete, ist heute zum Instrument der Kapitalanhäufung geworden. Das Patentrecht in den USA gilt heute nicht nur für Produktionsverfahren sondern auch für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere. Es sichert das Mitspracherecht, wer, wo, wozu die gentechnisch veränderten Organismen einsetzt, und wer sie weiterverarbeitet. Ein Beispiel dafür sind die Gentomaten von CALGEN: Der Anbau, die Verarbeitung und die Vermarktung werden durch Patente von CALGEN kontrolliert. Seit den 80iger Jahren gibt es das Patentrecht auf Pflanzen. Die Lizenzen und deren Nutzung können nun den Konkurrenten verweigert werden. Und die AgrEvo hat das Patent für ihre BASTA- resistenten Pflanzen. Und so ganz nebenbei: Das Patentrecht treibt dann auch solche Früchte: In den USA wurde von John Moore ohne sein Wissen eine Zellinie patentiert. Er klagte gerichtlich dagegen- und verlor das Verfahren...

Das alte Lied

Für die „3. Welt“ hat die Gentechnik und ihre Nutzung kaum Vorteile. Dazu sagt Jan Engels (Mitarbeiter der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit): „Viele Entwicklungsländer erhoffen sich jetzt als Genbesitzer einen großen Durchbruch. Doch das ist eine Fehleinschätzung. Denn in den meisten Ländern fehlte bisher die wissenschaftliche Infrastruktur und die technische Ausrüstung, um die Ressourcen überhaupt nutzen zu können.“ Die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit ist nicht gerade eine progressive Entwicklungs- Hilfsorganisation. Und auch unter den Mitarbeitern der Gentech- Konzerne, gibt es klare Worte zum Nutzen der Gentechnik für die 3. Welt: Howard Schneidermann von Monsanto fordert „wirtschaftliche und politische Reformen, Bildung, die Lösung der Probleme der landlosen Bauern... und dutzende von anderen Maßnahmen“ als Vorraussetzung des Erfolgs technologischer Neuerungen. Mit der Ausweitung des "Schutzes geistigen Eigentums" auf Gensequenzen haben die Industriestaaten ein neues Mittel, mit dem sie Ressourcen aus den Entwicklungsländern abschöpfen können. So hätte z.B. der US -amerikanische Konzern Merck für eine Mio. $ fast die Rechte an der Erschließung der Artenvielfalt des ganzen Regenwaldes von Costa Rica erworben. Geplatzt ist der Vertrag nur, weil eine andere Firma cleverer und nicht in ganz so großem Maßstab sich Zugang zu dem Regenwald verschaffte. Alle Erbinformationen zur Produktion von Arzneimitteln hätte sich der Konzern patentieren lassen können und hätte damit exklusive Nutzungsrechte für die Natur. Das ist eine geistige, kulturelle und materielle Enteignung der Menschen, die traditionell mit den Pflanzen und Tieren arbeiten. Von ihnen erbrachte Vorleistungen werden unvergütet übereignet. Das gilt verallgemeinert für die gesamte „3.Welt“. Denn 70% der genetischen Vielfalt befinden sich im Süden der Erde- die dortige Bevölkerung ist der Hauptbetroffene der Patentierung von Gensequenzen. Das GATT- Abkommen (General Agreement on Trade and Tariffs) legt Wert auf Schutz des geistigen Eigentums und hält damit die Hürden, an Schutzrechte zu gelangen, für Firmen gering. Es sollen durch die Gattverhandlungen 60 Mrd. US $ aus Patentlizenzen vom Süden in den Norden gebracht werden. Das Patentrecht erlaubt Patentinhabern lokale Firmen abzuhalten, etwas Eigenes zu entwickeln. Ein weiteres Beispiel, wie sich die Reichen einen Zugriff auf neue Ressourcen sichern: Die vom Norden nicht akzeptierte ursprüngliche Fassung der Biodiversitäts- Konvention von Rio sah einen freien Zugang der Ursprungsländer zu ihren Gen- Ressourcen vor. Andere Länder dürfen danach diese nur in gemeinsamer Absprache mit dem Land nutzen. Als Ausgleich dafür sollte ein Technologietransfer in die Ursprungsländer stattfinden. Aber Clinton sprach sich dagegen aus: Die Unterzeichner sollten die Patentfähigkeit von Lebewesen anerkennen und ein Technologietransfer solle nur bei Freiwilligkeit stattfinden. Auf diese Weise kann also 0,1% der Bevölkerung, denen die Gentechnik- Firmen und die Patente gehören von den anderen 99,9% profitieren. Demgegenüber meint Hoechst- Manager Hansgeorg Gareis: „Schon im Jahr 2000 müssen wir uns fragen, wie wir die Weltbevölkerung mit der herkömmlichen Landwirtschaft ernähren wollen. Da ist die Gentechnik gefordert.“ Das sehen die NGOs anders. Beim Treffen der FAO, der UN-Organisation für Ernährung, im November 1996 trafen sich auch 1200 Nichtregierungsorganisationen. Sie alle sahen gemeinsam die Lösung des Welthungerproblems in der Stärkung der lokalen Ökonomien und der Wiederherstellung der bäuerlichen Selbständigkeit. Weitverbreitet ist die Kritik an Gen- und Biotechnologie, weil sie die Abhängigkeit der Bäuerinnen vom Agro-business, den Saatgutmultis und den Chemiemultis nur noch fördert. Daher heißt es in ihrer Abschlußerklärung: „Genetische Ressourcen sind zentral zur Sicherung der Welternährung und dürfen nicht zu Eigentumsrechten werden.“ Die FAO wiederum sieht in ihrem Abschlußdokument die Förderung der Biotechnologie, die weitere Liberalisierung des Welt- Agrarmarktes nebst der Unterstützung der Agrarmultis als entscheidende Hebel zur Beseitigung des Welthungers. Ganz abgesehen davon, daß die Stickstoffixierung und Streßtoleranz bei den Nutzpflanzen derzeit noch nicht gentechnisch möglich ist, da eine Serie von Genen benötigt wird, die differenziert zu steuern sind, wäre eine Nutzung der Pflanzen in den Armutsregionen mit schlechten Böden und ungünstigen Klimaverhältnissen fraglich. Geforscht wird nämlich auch hier an Pflanzen, die im Norden genutzt werden. Afrikas kleinbäuerliche Familien bauen kaum Reis und Weizen an. Die Multis der Gentechnik interessieren sich wenig für die Nutzpflanzen der kleinbäuerlichen Wirtschaften. Und auch der Anbau herbizidresistenter Pflanzen ist nur sinnvoll mit Kauf des entsprechenden Herbizids, was einen Devisenverbrauch in den Entwicklungsländern bedeuten würde. Schon jetzt haben 700 Mio. Menschen nicht genug zu essen oder sind zu einseitig ernährt. 35 Mio. sterben pro Jahr an Hunger, darunter täglich 40000 Kinder. Mit dem Verweis auf dieses Elend versuchen nun die Gentech- Konzerne sich Fürstimmen zu erheischen- um noch mehr Elend zu verbreiten! Das Elend kommt in ihren ökonomischen Rechnungen nicht vor. Es sind andere Dinge, die sie erreichen müssen um auch weiterhin die Gewinner dieses Wirtschaftssystems zu sein. Viele bei uns genutzte Pflanzen kommen ursprünglich aus der "Dritten Welt". Die Nahrungs- und Genußmittel aus dem Süden als auch Produkte aus der einheimischen Landwirtschaft können per Gentechnik bald billiger in Reaktortanks produziert werden. Dadurch versuchen Multis sich z.B. unabhängig von Kakao- Märkten zu machen, in dem sie aus billigen Fetten Kakaofett gentechnisch herstellen. Und durch die gentechnische Herstellung von Medizin werden Sammler und Plantagenarbeiter der medizinisch bedeutsamen Pflanzen arbeitslos.

Und wie siehts bei uns aus?

Aber auch in den reicheren Ländern kann sich die Landwirtschaft grundlegend durch die Gentechnik ändern. So wurde Radiccio-Salat bisher nur von italienischen Bauern produziert, da die Pflanze wenig Ertrag brachte: Durch Gentechnik wird jetzt Inzucht möglich und damit Hochertragszüchtung. Und durch den Gen- Einbau von Herbizid- und Antibioticaresistenz will nun ein niederländischer Konzern die Hälfte des Marktes für Radiccio Saatgut erobern. Für uns Verbraucher sind hinsichtlich der Gentechnik in der Landwirtschaft zwei Entwicklungen möglich: Die Tendenz in der Frage der Ernährung geht nach Meinung von Maria Mies (deutsche Teilnehmerin am Forum der Nicht- Regierungsorganisationen (NGO) anläßlich der FAO-Versammlung (UN- Ernährungsorganisation) im November 1996) dahin, daß Reiche sich Bionahrung kaufen können, während sich die Armen des Nordens nur noch den Gen- Junkfood aus den Supermärkten leisten können. Das bedeutet, daß die Gentech- Nahrung im Vergleich zu den herkömmlichen Nahrungsmitteln billiger wird- oder die herkömmlichen teurer. In eine entgegengesetzte und trotzdem negative Richtung weist eine andere Meinung: Der Anbau patentierter Gentech- Pflanzen ist nur durch den Kauf des Saatguts oder der gesamten Linie möglich. Anfangs können die Pflanzen mittels Subvention der kapitalträchtigen Hersteller billig und unter der Anpreisung ihrer scheinbaren Vorzüge gut auf den Markt gebracht werden. Wenn herkömmliche Pflanzen zu einem bestimmten Zeitpunkt durch neue modifizierte Pflanzen weitgehend ersetzt sind, haben die Herstellerfirmen ein Beinahe- Monopol und können die Lebensmittelpreise erhöhen. Das soll genug sein zur Ökonomie der Gentechnik. Es gibt noch hunderte Beispiele, aber der Text ist lang genug gewesen. Deutlich ist dabei vielleicht geworden, daß hier nicht die Gentechnik die Ursache des Elends ist, sondern lediglich ein Mittel zur Sicherung bestehender Vormachtstellung. Die Kritik ist vielmehr hier direkt an das Wirtschaftssystem gerichtet, daß diese Ungleichverteilungen zuläßt. Die Gentechnik hier anzugreifen, im Glauben, damit soziale Verbesserungen zu erreichen, sind aus meiner Sicht mit Maschinenstürmerei vergleichbar. Die pure Technologiekritik wird wirkungslos bleiben, wenn die Auseinandersetzung nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Wirtschaftsordnung weitergeführt wird. Sie mag bestenfalls eine Zuspitzung der Verhältnisse verhindern, aber verbessern tut sie die Verhältnisse nicht.

Im 3. Teil wird über die positiven Seiten der Gentechnik berichtet sowie über die Formen des Widerstandes gegen die Gentechnik. Der Artikel findet sich hier

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