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Nicht irgendwo - sondern hier bei uns

Zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Vorpommern ein Bericht des Psychosozialen Zentrums für Migranten in Vorpommern e.V.

Das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge in Vorpommern e.V. mit Sitz in Greifswald ist hauptsächlich in den Landkreisen Ostvorpommern, Nordvorpommern, Demmin und den Hansestädten Greifswald und Stralsund tätig, darüber hinaus auf Anfrage auch in den Landkreisen Uecker- Randow, Rügen und Neubrandenburg. In den zuerst genannten Landkreisen und kreisfreien Städten leben jeweils etwa 350 Asylbewerber und Flüchtlinge. Etwa 90% davon leben in Gemeindehausunterkünften mit 100 - 200 Plätzen. Die verbleibenden 10% sind dezentral untergebracht, sie leben also in Wohnungen, die vom Sozialamt angemietet wurden. Nicht nur die Wohnungssuche stellt im ländlichen Bereich Vorpommerns ein Problem dar, sondern vielmehr die zum Teil weit abgelegenen, isolierten und schlecht ausgestatteten Heime in den Landkreisen. ln den mit Gemeinschaftstoiletten und mit Gemeinschaftsküchen ausgestatteten Heimen stehen jedem Asylbewerber und Flüchtling laut Landesverordnung 4,5 qm Wohnfläche zu. Bei einer Grundfläche von 11 oder 12 qm ergeben sich oftmals Schwierigkeiten bei der Zimmerbelegung. Bei einer geringen Zuweisung von Asylbewerbern und Flüchtlingen kann man „großzügig“ mit dem vorhandenen Platz umgehen. Schwierig wird es allerdings dann, wenn nur nach der Grundfläche an Wohnraum im Heim belegt bzw. zugewiesen wird. Entweder werden dann die Vorgaben des Landes unterschritten bzw. überschritten. Letztendlich kann man davon ausgehen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge so oder so unter enormen persönlichen Einschränkungen leben müssen und dieses nicht nur für eine kurze, vorübergehende Zeit, sondern vielmehr über mehrere Jahre hinweg. Ohne persönliche Rückzugsmöglichkeiten und zusammengepfercht auf engstem Raum ist das meist ohnehin schon labile seelische Gleichgewicht vieler Asylbewerber und Flüchtlinge in kürzester Zeit destabilisiert. Die äußeren Umstände, die in diesen Heimen herrschen, hat vor kurzer Zeit ein Student festgehalten. Ich möchte daraus zitieren: „Mit Herrn Obuba, einem Mitarbeiter des PSZ, besuchte ich dreimal das Asylbewerberheim in Anklam. Dort betreut er vor allem togolesische Asylbewerber. Diese teilen sich dort zu viert ein Zimmer von ca. 18 qm, das nur durch Schränke in Wohn- und Schlafbereich geteilt ist. Die Feuerlöscher befinden sich ebenso hinter verschlossenen Türen wie das Telefon, wenn kein Betreuer zugegen ist. Mit Frau Shukowa, ebenfalls eine Mitarbeiterin des Zentrums, fuhr ich zu den Asylbewerberheimen in Stralsund und Miltzow. Auch hier sind die räumlichen Bedingungen nicht viel besser. Im Gegenteil, denn im Heim in Miltzow schimmeln sogar die Wände. Außerdem besteht beim Spielen außerhalb des Heimes Lebensgefahr, da es sich auf einem alten Industriegelände befindet. Unter diesen Bedingungen müssen dort Kinder groß werden. Katastrophal." Dass das Spielen außerhalb des Heimes lebensgefährlich ist, ist nicht nur eine Einschätzung des Praktikanten, sondern steht schwarz auf weiß auf einer Mitteilungstafel im Heim, unterschrieben von der Heimleitung. Viele ähnliche Beispiele ließen sich noch aufzählen. Sicherlich sind nicht alle Heime lebensgefährlich, aber der bauliche Zustand und die Einrichtungen sind oftmals nicht zu akzeptieren. Wenn man weiß, dass viele der Asylbewerberheime ehemalige Fabriken, abgewrackte NVA-Liegenschaften oder LPG-Verwaltungsbaracken waren, erübrigt sich fast eine detaillierte Beschreibung. Da gibt es das Heim mit 90 Bewohnern, in dem es nur jeweils eine Toilette und Dusche für Männer und Frauen gibt. Oder aber diese Sanitäreinrichtungen sind über den Hof zu erreichen. Ganz zu schweigen von Kinder- spielzimmem, -spielplätzen o.ä. All dies gibt es in Asylbewerberheimen in der Regel nicht. Andererseits ist - wie bereits angedeutet - der bauliche Zustand und die Einrichtung einiger Heime nicht zu akzeptieren. Neben feuchten Zimmern und desolaten Treppenhäusern, Fluren und Küchen sind hier vor allem die sanitären Einrichtungen zu nennen. Ein weiteres Problem ist die Lage vieler Heime: Isoliert und abgelegen irgendwo auf dem Land fühlen sich viele Asylbewerber und Flüchtlinge abgeschoben und vergessen. Abgesehen von den Befindlichkeiten der Bewohner dieser Heime müssen Asylbewerber und Flüchtlinge viel Geld und Zeit investieren, um z.B. Behörden, Ärzte und Supermärkte aufzusuchen. Aber damit nicht genug. Die Gesetzgebung stellt Asylbewerber und Flüchtlinge auch in Vorpommern vor Schwierigkeiten und Ausgrenzungen, die vermeidbar wären. Mit der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahre 1993 wurde erstmals eine Gruppe von Menschen pauschal aus dem bis dahin gültigen Mindeststandard des Bundesozialhilfegesetzes ausgegrenzt. Dieses Gesetz wurde in der Folgezeit immer wieder verschärft. Die Kürzungen betreffen alle Lebensbereiche. Abgesehen von der gegenüber Deutschen abgesenkten Sozialhilfe bekommen Asylbewerber und Flüchtlinge in Vorpommern neben einem gestaffelten Taschengeld zwischen 80,- DM und 50,- DM Wertgutscheine zum Einkauf. Diese werden von vielen, gerade den billigen Supermärkten nicht angenommen. So sind die Flüchtlinge gezwungen, in wenigen ausgesuchten Märkten einzukaufen. Hier offenbart sich gleich das nächste Problem. Wechselgeld dürfen die Kassiererinnen nicht herausgeben. Das bedeutet, dass der Asylbewerber oder Flüchtling ganz genau berechnen muss, was er einkauft, damit er die genaue Anzahl von Wertgutscheinen dann an der Kasse vorlegen kann. Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass Flüchtlinge - obwohl sie noch 3,- DM oder 4,- DM Wechselgeld herausbekommen hätten - von Kassiererinnen weggeschickt wurden. Noch komplizierter wird es, wenn das schulpflichtige Kind von Asylbewerbern mit der Klasse einen Ausflug macht. Zum einen sind die Wertgutscheine natürlich nur im eigenen Landkreis bzw. in der kreisfreien Stadt gültig. Zum anderen nimmt keine Eisbude und kein Bockwurstverkäufer diese Wertgutscheine an. Das wenige Bargeld, das die Flüchtlinge besitzen, muss also sehr genau eingeteilt werden. Denn es muss für alles reichen: für den Schulausflug, für Schreibmaterial, für Briefmarken, für die Telefonkarte, für Zeitungen und Busfahrscheine. Viele Asylbewerber und Flüchtlinge müssen weite Strecken fahren, um zur zuständigen Ausländerbehörde bzw. zum Sozialamt zu gelangen. Wenn sie nicht gerade vorgeladen sind, müssen sie diese Fahrten von ihrem wenigen Taschengeld selbst bezahlen. Ebenfalls problematisch nach der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes ist die medizinische Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen geworden. Laut Gesetz darf nur das Notwendigste behandelt werden. Und was notwendig ist, ist selbst bei Ärzten umstritten. So kam es in der Vergangenheit immer wieder vor, dass der behandelnde Arzt, das Sozialamt und der zuständige Amtsarzt oftmals wochenlang darüber stritten, ob eine Behandlung notwendig ist oder nicht. Diese Verzögerungen wurden selbst dann in Kauf genommen, wenn es sich um Kinder handelte, die unter Schmerzen litten. Zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen gehört weiterhin die Akzeptanz durch die deutsche Bevölkerung. Abgesehen von wenigen positiven Beispielen sind Asylbewerber und Flüchtlinge in Vorpommern nicht akzeptiert bzw. nicht einmal toleriert. Da werden Kurden in Wolgast mit „Heil Hitler!“ und „Verreck du Schwein!“ begrüßt. Da wird dem Afrikaner - notfalls auch handgreiflich - klar gemacht, dass er keine deutsche Telefonzelle zu benutzen hat, oder aber die moslemische Frau aufgrund ihres Kopftuches in aller Öffentlichkeit ausgelacht. Sicherlich sind das Extrembeispiele, aber einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit stellen sie allemal dar. Ein weiteres Problem stellt die zu geringe Zahl der Beratungsangebote für Asylbewerber und Flüchtlinge dar. Neben dem PSZ, das Asylbewerber und Flüchtlinge in ganz Vorpommern berät und begleitet, und der Ausländerbeauftragten in Greifswald, die nur in Greifswald tätig werden kann, gibt es keine weiteren Beratungsstellen für Asylbewerber und Flüchtlinge. Selbstverständlich gibt es Heimbetreuer, aber die sind meist mit dem alltäglichen Heimbetrieb wie Wäsche herausgeben, Müllabfuhr bestellen, Türen reparieren usw. ausgelastet, so dass sie keine Zeit mehr für die Bewohner haben. Außerdem wünschen sich viele Flüchtlinge und Asylbewerber neutrale, nicht zum Heim gehörende Ansprechpartner. Gerade wenn es um seelsorgerliche Begleitung geht, um ganz private und intime Probleme, ist es natürlich nur zu verständlich, dass die Asylbewerber und Flüchtlinge nicht mit dem Heimpersonal sprechen möchten. Andererseits dürfen einige Beratungsaufgaben wie z.B. die Weiterwanderungsberatung nur von anerkannten Beratungsstellen durchgeführt und bearbeitet werden. Tatsache ist auch, dass viele Betreuer in den Asylbewerberheimen mit ihrer Aufgabe einfach überfordert sind, und man sich die Frage stellen muss, ob immer das richtige Personal eingestellt wurde. Zusammenfassend kann gesagt werden:

1. Die Standorte von vielen Asylbewerberheimen sind zu abgelegen, zu isoliert.

2. Der bauliche Zustand und die Einrichtungen sind nicht akzeptierbar.

3. Die restriktive Gesetzgebung - speziell das Asylbewerberleistungsgesetz - erschwert zusätzlich das Leben von Asylbewerbern und Flüchtlingen in erheblichem Maße und führt zu einer Verarmung von Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen.

4. Flüchtlinge sind - wenige positive Beispiele ausgenommen - in der Bevölkerung nicht angenommen und stoßen auf große Ablehnung.

5. Eine unabhängige und professionelle Beratung und Betreuung ist in Vorpommern nur in geringem Umfang gewährleistet.


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