Hoffentlich ist diese Leiche zu groß, um sie im Keller zu beerdigen
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Abend in der Stadt?!

Eine Greifswalder Tragödie, die am Ende keine Überraschung mehr war

Viele wissen bestimmt mit dem Namen „Cafe QUARKS“ oder „AJZ“ etwas anzufangen, haben schon mal davon gehört oder gelesen, oder sind nicht selten selbst dort Gäste bei unterschiedlichsten Veranstaltungen gewesen. Doch seit Februar 2000 gibt es dieses Projekt nicht mehr. Die BewohnerInnen verliessen das Haus am Karl-Marx-Platz 19 freiwillig am Tag vor dem offiziellen Räumungstermin, dem 4.Feb. 2000 - zweifellos ein einschneidender Verlust für die Greifswalder (Jugend)Kulturlandschaft. Doch wie konnte es soweit kommen? Und wie wird es jetzt weitergehen?

Das sind Fragen, die sich bei mir schon seit geraumer Zeit aufwerfen. Um ein besseres Verständnis für die Angelegenheit zu erlangen, folgt jetzt erstmal eine grobe Chronik des AJZ.

1991 Das ehemalige Kinderheim „Hertha Gefke“ wird - nach längerem Leerstand - durch Jugendliche besetzt, um dort politische und kulturelle Freiräume für die Umsetzung eigener Ideen zu schaffen. Damals sind die Eigentumsverhältnisse des Hauses noch ungeklärt. Aufgrund dieser Tatsache duldet die Stadt die Besetzung.

1992 Es kommt zur Gründung des AJZ e.V., um eine Förderung des Projekts zu erreichen und um ansprechbar zu sein. Das Konzept des Vereins zeigt viele noch offene Möglichkeiten im Bereich der Jugendarbeit auf (z.B. ein alternatives Cafe mit Möglichkeit für Musik- und Filmveranstaltungen, regelmässig stattfindende Volksküche mit sozialen Preisen, eine Selbsthilfewerkstatt für Fahrräder und KFZ, einen Infoladen und vieles mehr). Die Gemeinnützigkeit des Vereins wird anerkannt und es erfolgt eine Förderung durch die Stadt Greifswald. Im Laufe der folgenden Jahre wird ein grosser Teil der Ideen in die Praxis umgesetzt.

1993 sind die Eigentumsverhältnisse geklärt - das Haus wird an eine Hamburgerin rückübereignet. Die Mitglieder des AJZ e.V. treten mit der Alteigentümerin in Verbindung, können jedoch nach mehreren Versuchen keine Einigung über die Zukunft des Alternativen Jugend Zentrums am Karl-Marx-Platz 19 erzielen. Die Besitzerin strengt kurze Zeit später eine Räumungsklage gegen die BewohnerInnen an, die Stadtverwaltung gibt vor, keinen Handlungsspielraum zu haben, da es sich beim besagten Haus nun um Privateigentum handele. Die Jugendlichen machen diese Misere öffentlich und fordern von der Stadt ein Ausweich-objekt - ein Haus, wo das Konzept des Vereins umsetzbar ist. Zu dieser Zeit befinden sich noch zahlreiche leerstehende Gebäude in städtischem Besitz. Die Stadtvertreterversammlung macht nach einiger Zeit Angebote, die jedoch von vornherein inakzeptabel sind, da die entsprechenden Objekte baupolizeilich gesperrt bzw. zu klein sind, um das vorgelegte Konzept zu verwirklichen. Im Sommer ’93 erfolgt darauf hin die Besetzung der Falladastr. 9, um gegen die städtische Hinhaltetaktik zu protestieren. Die Stadtvertreter reagieren mit erhöhter Gesprächsbereitschaft und der Zusage, dass schnell eine Lösung gefunden werde. Die Jugendlichen räumen das Haus freiwillig, bevor eine polizeiliche Zwangsräumung erfolgt.

1994 Die Stadt Greifswald stellt aufgrund der brisanten juristischen Lage des Projekts die finanzielle Förderung des AJZ e.V. ein. Im Sommer ’94 wird die Falladastr. 9 nach genau einem Jahr erneut besetzt, da sich in dieser Zeit keine Lösungen für das Problem des AJZ ergeben hatten, maßgeblich verschuldet durch mangelnde Gesprächsbereitschaft seitens der Stadt. Als die Räumung der Falladastr. 9 unmittelbar bevorsteht, verlassen die Jugendlichen das Gebäude und es wird wenig später die Baaderstr. 11 besetzt. Die BesetzerInnen fordern ein eigenes Haus für die Umsetzung eines Wohn- und Kulturprojekts ähnlich dem AJZ. Ausserdem werden die Forderungen des AJZ e.V. unterstützt. In den folgenden Jahren sowie auch 1993 und 1994 finden im AJZ bzw. ab 1996 im „Cafe Quarks“ (Umbenennung) in relativ regelmäßigen Abständen Konzerte mit namhaften Bands bzw. DJ’s, Parties, Filmvorführungen, Vorträge zu verschiedensten Themen und andere kulturelle Veranstaltungen statt. Das Stammpublikum wächst stetig. Auch im Hinblick auf die musikalische Ausrichtung der Events ist das Cafe Quarks quasi einzigartig in der Region um Greifswald. Viele Anhänger der elektronischen Kläge und fetten Grooves treffen sich hier, da es sonst kaum Angebote für sie gibt. Gleichzeitig verschärft sich aber auch die Verhandlungssituation - die Alteigentümerin will die Jugendlichen aus dem Haus haben, da ein Verkauf sonst undenkbar wäre, es sei denn, an die BewohnerInnen selbst, doch diese werden von den angesprochenen Banken für nicht kreditwürdig erklärt, und der Verein verfügt kaum über Eigenkapital (die Einnahmen durch Veranstaltungen decken gerade mal die laufenden Kosten ab - sämtliche Arbeit am und im Haus erfolgt ehrenamtlich!) durch die Verweigerung der Fördermittel seitens der Stadt ist der weitere Ausbau der laufenden Projekte stark behindert bzw. unmöglich geworden. 1999 Das Cafe Quarks ist mittlerweile akut von der Räumung bedroht, die Verhandlungen mit den Banken erweisen sich endgültig als Sackgasse, es kommt zu einer erneuten Kontaktaufnahme mit Institutionen der Stadt und das Problem wird vielfältig diskutiert und gelangt damit auch wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Abgesehen von einer generellen Sympathieerklärung seitens der Stadtvertreterversammlung stellt sich jedoch kein nennenswerter Erfolg für die Mitglieder des AJZ e.V. ein. Verschiedene Finanzierungskonzepte scheitern an fehlenden Mehrheiten in den entsprechenden Gremien. Im Oktober erfolgt ein regelrechter Feldzug der Greifswalder Ämter gegen die selbstverwalteten, alternativen Jugendprojekte Cafe Quarks, Pariser und Klex bei dem u.a. das Cafe Quarks quasi geschlossen wird. In der Folgezeit gibt es immer wieder Auflagen bei Veranstaltungen bis hin zum vollständigen Verbot von Parties und Konzerten. Es kommt zu einer Demonstration im November ’99 und im Zeitraum November / Dezember 1999 werden 1700 Unterschriften für den Erhalt des Cafe Quarks gesammelt.

2000 Am 21.Januar wird in der Mensa eine Benefiz-Party für das Cafe Quarks durchgeführt. Es erscheinen über 800 zahlende Gäste und es kommen insgesamt 8000 DM in die Quarks-Kasse. Am 4. Februar ist dann der offizielle Räumungstermin, der von den Rechtsanwälten der Eigentümerin rigoros wahr gemacht wird. Die BewohnerInnen des Cafe Quarks verlassen an den Tagen davor nach und nach ihre Wohnräume und finden Unterschlupf bei Freunden sowie auch im Pariser. Der Versuch des Kolping-Werks, einem kirchlichen Verhandlungspartner des AJZ e.V., den Termin für die Räumung zu verschieben, um das Haus möglicherweise gemeinsam zu finanzieren, schlägt fehl und damit auch die letzte Hoffnung der BewohnerInnen, im Haus bleiben zu können. Soweit zur Entwicklung des AJZ bzw.Cafe Quarks. Aus der Chronik (die nur sehr grob die markanten Punkte des Geschehens wiedergibt) lässt sich jedoch lesen, das es nicht an Beliebtheit des Cafe Quarks mangelt.Wie konnte es also soweit kommen, dass so ein beliebter Jugendtreff geschlossen wird? Erstmal ist da sicher der Handlungsunwille der Stadt zu nennen. Die städtischen Stellen waren immer bestrebt, die selbstbestimmten und selbstverwalteten Jugendzentren zu kontrollieren. In den ersten Jahren bis zur Rückübereignung des Hauses konnte aufgrund der juristischen Lage des Projekts keine Räumung des Hauses durch die Stadt veranlasst werden, da es eine gesetzliche Regelung gab, nach der eine Hausbesetzung die eine bestimmte Anzahl von Monaten bestand, behördlicherseits geduldet werden musste. Die finanzielle Förderung des AJZ e.V. erfolgte nach der Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins basierend auf dessen Satzung und Konzeption. Aber die Stadt (gemeint sind natürlich Behörden wie das Jugendamt, oder auch die amtierende Stadtregierung) zog sich sehr schnell aus der Affäre, indem sie die finanzielle Förderung nach der Rückführung des Gebäudes einstellte, um nicht selbst in’s Feuer der Kritik zu geraten oder juristisch belangt werden zu können. Die Stadtvertreter stellten sich nicht auf die Seite der Jugendlichen und halfen bei der Lösung von deren Problemen, sondern sie gruben dem Projekt noch zusätzlich das Wasser ab. Auch in den darauffolgenden Jahren war man in der Stadtvertretung offensichtlich eher nicht darum bemüht, die Misstände, die einen nicht unbedeutenden Teil der städtischen Jugendlichen betrafen und betreffen, aufzuheben. Die Verhandlungen um ein Ausweichobjekt waren eine einzige Farce und eine Meisterleistung in Verzögerungstaktik. Für alle Beteiligten ist mehr als deutlich geworden, dass eine derartige Lösung von städtischer Seite nicht erwünscht war und ist. Alle Sympathieerklärungen durch die Stadtvertreterversammlung in letzter Zeit sind nichts als blosse Lippenbekenntnisse, denen keine nennenswerten Taten folgen werden. Doch das ist nur ein Aspekt von vielen. Hinzu kommen noch die zuletzt kompromisslosen Nachbarn, die - neu hinzu gezogen - an keinem Kompromiss mit den Jugendlichen interessiert waren. Die Vormieter im Karl-Marx-Platz 18 konnten sich wegen des Lärms bei einigen Veranstaltungen immer mit den BetreiberInnen des Cafe Quarks einigen, so dass ein gutes Einvernehmen herrschte. Mit den neuen Nachbarn wurde jedoch alles anders. Eine Beschwerde jagte die nächste, so dass zuletzt ständig die Polizei bei Konzerten auftauchte und darauf drängte, die Musik leiser zu machen, ansonsten würde die gesamte Technik beschlagnahmt. Auch die kompromisslose Haltung der Alteigentümerin bzw. ihre Profitgier hat einen nicht unwesentlichen Anteil an der Entwicklung des Projekts ( eigentlich würde „Abwicklung“ hier besser passen ...). Zuletzt äusserte sie über ihre Anwälte, dass sie das Haus nicht in die Hände von Jugendlichen geben werde, und es demzufolge auch nicht an selbige verkaufen werde. Doch auch die BewohnerInnen des Cafe Quarks selbst haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Es wurde ab dem Jahr 1996 so gut wie keine Öffentlichkeitsarbeit mehr gemacht (abgesehen von den Veranstaltungshinweisen), bis die Situation für das Projekt bereits wirklich brenzlig wurde. So waren die Probleme des AJZ e.V. einem Grossteil der GreifswalderInnen unbekannt und so konnte auch kein Druck erzeugt werden, um die Verhandlungen mit der Stadt günstig zu beeinflussen. Die BewohnerInnen beurteilten sowohl ihre Situation als auch diverse Konzepte (beispielsweise zur Finanzierung des Hauskaufs durch Kredite) äusserst unkritisch, was dazu führte, dass die Zeit knapp wurde bevor eine passable Lösung für das räumungsbedrohte Haus gefunden werden konnte. Doch bei aller Kritik haben die Leute vom AJZ e.V. die Solidarität von sehr vielen Menschen in und um Greifswald und das ist gut so. Denn das Quarks ist Teil der Greifswalder Kultur und damit ebenso erhaltenswert wie z.B. das Theater oder der Mensa-Club. Aber mit dieser Solidarität ist auch eine gewisse Verantwortung verbunden, nicht selbst in Resignation zu versinken und das Projekt zum Stillstand kommen zu lassen, sondern aktiv zu werden bzw. zu bleiben und kontinuierlich daran zu arbeiten, dass die Räumung des Karl-Marx-Platz 19 nicht zum endgültigen Aus für das Cafe Quarks wird. Die Verhandlungsbasis war zwar schon mal besser, aber noch ist längst nicht alles verloren. Wie von ehemaligen BewohnerInnen des geräumten Hauses zu vernehmen ist, wollen diese erstmal alle Möglichkeiten der Verhandlung mit der Stadt ausschöpfen. Es fragt sich allerdings, ob dies nicht schon längst der Fall ist (die Chronik der Ereignisse spricht da eine sehr deutliche Sprache ...). Wie auch immer die Verhandlungen laufen werden, die Räumung hat einen Konflikt herauf beschworen, der sich nicht einfach in Luft auflösen wird. Und die „Befleckung“ des Rathauses wird nicht der letzte Protest sein, der von frustrierten Jugendlichen auf die Strasse getragen wird! Auch im 750. Jahr der Stadtgeschichte ist Kultur von Jugendlichen für Jugendliche gefragt und so wird auch der Kampf um dieses Projekt weitergehen!

Für (hoffentlich) aktuelle Informationen zum Thema steht Euch die Homepage des Cafe Quarks zur Verfügung unter www.cafequarks.de


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