Meine Schreibtischlampe marschiert am Führer vorbei
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Einige Betrachtungen zur Zeit

Es gibt Dinge, die find ich einfach zum Kotzen. Rosinen in Vanillepudding zum Beispiel, Sebastian Ratjen oder in der Mensa an Ausgabe vier anstehen, mit zwei Studenten im Nacken, die sich gerade über den gestrigen Mensa- Club- Abend unterhalten und dabei feststellen wie unheimlich toll und hip die Leute und vor allem sie selbst mal wieder waren. Und für alles gibt es gute Gründe. Rosinen in Vanillepudding ist wie Starwars mit Werbeunterbrechungen, Sebastian Ratjen der mit seinem grotesken Karrieredrang sicher schon manchen in ehrlichem und verständnisvollen Abenteurertum in den wilden Osten gekommenen Mitwessi in Verlegenheit gebracht hat: „Ja den Sebastian, den kenn ich ... ja der kommt auch von drüben ... nein es gibt auch normale Leute dort.“ Bei Leuten die sich über den Mensa-Club und supercoole Aufreißergeschichten unterhalten, bin ich, anstatt mir Gründe einfallen zu lassen, eher damit beschäftigt, mir zu überlegen, mich jetzt gleich oder doch lieber erst später zu übergeben. Zum Glück nimmt der Essenausgabezivildienstleistende mit der tollen Kochmütze mir die Entscheidung mit einem geübten Kellenschwung mit meiner Portion darauf ab. Danke! Es gibt aber auch viele Dinge, die finden wir Scheiße, ohne aber so recht zu wissen, warum eigentlich. Ein solcher Fall sind zum Beispiel Nazis. Eine Spezies, die hier zu Lande nicht gerade spärlich gesät ist und in Stadt und Land auch recht üppig gedeiht. Fakt ist, daß mir bei diesem Kraut ganz besonders schlecht wird. Aber warum eigentlich? Weil ihre politischen Ziele und Methoden einfach nur menschenverachtend sind und nur dazu taugen, bekämpft zu werden? Gut, das trifft auf ‘ne Menge Politiker aus so einigen Parteien auch zu. Was also noch? Die politische Lächerlichkeit ihrer Phrasen und Pseudoargumente und die Idiotie ihrer Ideologie füllen ja mittlerweile Bände. Doch ein anderer Punkt, nicht minder wichtig, ist bis jetzt noch völlig vernachlässigt worden und bedürfte endlich mal ausführlicher Klärung: Nazis sind auch häßlich wie die Nacht!!! So das mußte mal gesagt werden. In den letzten zwei Jahren mit den häufigen Wahlkämpfen und den in erquickender Regelmäßigkeit auftretenden Wahlschlappen (zumindest hier im Land) konnte ich dies ausgiebig studieren. Mit germanischem Trara, festen PG-Blick der so ein bißchen sagen sollte: „Hej, hier steht vielleicht dein nächster Blockwart“ nahmen sie des öfteren die Parade der Greifswalder Bürger und Bürgerinnen am Mühlentor ab. Es war schon ein illustres Häuflein, was sich dort der kollektiven Lächerlichkeit preisgab. Leute, die vor 60 Jahren höchstwahrscheinlich selbst mit schwarzem Dreieck ins nächstgelegene KZ gebracht worden wären. Ein „Verteidiger“ der „Ehre seines Volkes“, die ja auch die seine sei, mit Gesicht und Bart wie NDR-Walroß Antje und den Haaren von Gildo Horn. Leute, die uns durch ein über ihren Bauch spannendes T-Shirt mitteilen wollten, daß sie, der sonstigen Körperform nach zu urteilen, ein stark verfettetes Herz für Deutschland haben. Leute in Tracht, soeben dem „Nazi-Stadl“ entsprungen. Leute in Pseudoskinheadkleidung und so weiter und so weiter. Alles wirklich interessant, aber keinesfalls schön anzusehen. Aufgefallen ist mir neben einer vor Dümmlichkeit nur so strotzenden Aura und ziemlich stillosen Klamotten, daß die guten alten germanischen Schönheitsideale, gelinde gesagt, etwas aus der Mode geraten sind. Eigentlich könnte man ja zufrieden sein, denn das was Nazis im Kopf haben, bekommen in der Regel ja nur bestimmte Berufsgruppen zu sehen. Wie zum Beispiel Klärwerksmitarbeiter, Bauern beim Ställe ausmisten oder Klempner die zu verstopften Klos gerufen werden. Aber nein. Nazis sind sozusagen die Fleischwerdung ihrer eigenen Gedankenwelt. Wenn sie wirklich so wären, wie es ihre eigenen Schönheitsideale verkünden, eben groß, athletisch, blond, blauäugig, usw. dann könnte man ja sagen: Na gut, da wo andere Leute Gehirn haben, eröffnen sich bei ihnen bestenfalls die unendlichen Weiten des leeren Raums, sie sind aber wenigstens (schaurig) schön anzuschauen. Aber nix! Heiße Luft! Bittere Erkenntnis des letzten Wahlkampfs! Entweder klein und plump, oder groß und fett. Dazwischen sind anscheinend alle Gene gelöscht. Bei diesen typisch germanischen Idealen denke ich immer gleich an Arno Breker und seine Skulpturen oder die von Leni Riefenstahl in ihren Olympia- und Parteitagsfilmen suggerierte Ästhetik des III. Reichs, mit der man ja auch heute wieder salonfähig ist, wie zuletzt Rammstein in ihrem Video „stripped“ unter Beweis stellten. Athletische, große, muskulöse Körper stürzen sich akrobatisch von einem Sprungturm ins Wasser. Der Gedanke, Maik Spiegelmacher würde wie in solchen Bildern mal vom Sprungturm ins Wasser plumpsen, löst bei mir jedenfalls spontane Heiterkeit aus. Eine weitere wunderbare Begegnung möchte ich dem Leser aber keinesfalls vorenthalten. Vielleicht ist dieser deutsche Recke, nebenbei auch mein persönlicher Lieblingsnazi, ja auch anderen an den Wahlständen am Mühlentor aufgefallen. Zum Glück ist dieser NPD- Wahlkampfhelfer in einer „Kennzeichen D“ Reportage vom vergangenen Jahr über den Wahlkampf der NPD hier in der Region für die Nachwelt festgehalten. Wer auch einmal in diesen „Mehr Mut zur Häßlichkeit“-Genuß kommen möchte, kann mir ja eine leere Videokassette schicken. Der Lacherfolg auf Partys ist immer wieder verblüffend: Weiß geschnürte Pseudo Docs, ein für die Figur viel zu kleiner Körper der sich in eine blaue Bomberjacke zwängte; darauf ein kugeliger Kopf, an dem sich außer Brauen und einem Pubertäts-Oberlippenbärtchen keine weiteren Haare befanden; mit einem Blick, mit dem andere normalerweise erst nach so einigen Litern Bier in die Welt schauen. Das Beste aber an diesem gründlich in die Hose gegangenem Versuch der Natur, menschliche Erbanlagen mal ganz anders und vor allem besser zu kombinieren, quasi die Sahne auf dem braunem Häuflein war sein sächsischer Dialekt. Insgesamt also ein echtes Kunstwerk, wie Joseph Beuys es nicht besser hin bekommen würde. Aber so langsam wird mir auch klar, warum Nazis so sind. Ihr Trick besteht vielleicht darin, so wie ganz normale Leute zu sein und so breiteste Akzeptanz zu finden. Zu sein wie eben ganz normale Leute, denen man auch auf der Straße begegnet oder in der Irrenanstalt oder hinter Gittern im Zoo. Na ob Ihr damit durchkommt?


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