Medizin, Moneten und Moral - Universitätsklinikum von Privatisierung bedroht

Inzwischen werden wohl fast alle Greifswalderinnen und Greifswalder durch die Meldungen in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen von der Diskussion um die Gestaltung “ihrer” Universitätsklinik erfahren haben. Es geht bei der Auseinandersetzung um die wirtschaftliche Zukunft des Klinikums. Durchaus müssen Entscheidungen von großer Tragweite gefällt werden, die sowohl Veränderungen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten als auch für das angestellte Personal haben werden. Die Ausrichtung von Forschung und Lehre wird ebenso davon betroffen sein. Wenn in diesem Zusammenhang von wirtschaftlichen Problemen die Rede ist, so ist dies quasi symptomatisch für das Gesundheitswesen in der gesamten Bundesrepublik. Die zunehmenden Kosten können von den Einnahmen aus Steuermitteln und Krankenkassenbeiträgen nicht mehr ausreichend gedeckt werden. Die Inanspruchnahme von Leistungen der ambulanten und stationären Einrichtungen im Gesundheitsdienst steigt nach wie vor, und durch die Altersstruktur unserer Bevölkerung muß auch zukünftig ein Mehrbedarf abgedeckt werden. Dieses Thema ist ein Dauerbrenner für alle Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, bei den Krankenkassen und den Anbietern von Gesundheitsleistungen. Letztlich betrifft es alle, die durch die vielfältigen Einrichtungen bei gesundheitlichen Problemen umfassend versorgt sein wollen. Das Klinikum Greifswald ist eine Einrichtung, die sich den zukünftigen Herausforderungen stellen muß. Da die Geldquellen immer spärlicher fließen, wurden seit 1990 Wege gesucht, um die Wirtschaftlichkeit zu erhalten und zu verbessern. Viele dieser betriebswirtschaftlichen Lösungsversuche lassen sich als Schritte zum sogenannten “Gesundschrumpfen” erkennen. Den Beginn machte die etappenweise Auslagerung der Wäscherei, alsbald folgten die Reinigungs- und Küchendienste. Man trennte sich vom Zahntechniklabor der Zahnklinik, die Krankenhausinformatik und die Zentralsterilisation liegen inzwischen ebenfalls in privaten Händen. Die Betreuung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen wurde ebenfalls ausgelagert. Zuständig für diese Patienten sind nun die Greifswalder Odebrecht-Stiftung und das Krankenhaus Stralsund Durch das sogenannte “Outsourcing” wurden bereits hunderte Arbeitsplätze abgebaut. Über den Erfolg dieser Maßnahme ist allerdings in den aktuellen Stellungnahmen von Seiten der Universitäts- und Klinikumleitung nicht die Rede gewesen. Dafür standen bzw. stehen weitere Veränderungen an: Eine Kooperation mit dem Klinikum Karlsburg auf dem Feld der Kardiologie wurde zu Beginn des Jahres angedacht. Seit dem Sommer sorgen nun die Pläne von Uni-Rektor Prof. Kohler und ärztlichem Direktor Prof. Gaab für öffentliches Aufsehen. Sie sehen den zukünftigen Bestand des Klinikums kritisch. Die bewilligten Gelder in Höhe von 600 Mio. DM für Neubau und Sanierung bis zum Jahr 2011 kämen zu spät, um die Einrichtung konkurrenzfähig führen zu können. Sie favorisierten eine Lösung, bei der die nötigen Summen schneller aufgebracht werden könnten - die Überführung des Klinikums in private Trägerschaft. Sicherlich sehen beide Verantwortlichen die Probleme des Gesundheitswesens, die bereits oben kurz erwähnt wurden, aber direkt eine gesamte Einrichtung dieser Größenordnung in Privateigentum zu überführen, das wäre wohl ein Novum in der bundesdeutschen Klinikslandschaft. Man vergesse dabei aber nicht die Spielregeln, die in der freien Marktwirtschaft gelten. Ein Klinikum ist ein Anbieter auf dem “Gesundheitsmarkt”, und ein privater Investor will, daß seine nicht gerade knappen Investitionen möglichst “reife Früchte” tragen. Forschung und Lehre, aber auch die Versorgung von Patienten werden nach diesen Grundinteressen ausgerichtet werden. Irgendwann werden sie dann kommen, die sogenannten “Experten”, und um Gehör bitten und darauf verweisen, daß die Personalkosten einfach nicht mehr tragbar sind und man nach weiteren Einsparungsmöglichkeiten Ausschau halten müsse. Dabei stehen seit Jahren der Bettenabbau und vor allem Personaleinsparungen an oberster Stelle. Es werden sich dann wohl aufgrund der neu ausgehandelten Arbeitsverträge in nicht geringem Maße Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diverser Berufsgruppen in der Warteschlange beim Arbeitsamt wiedersehen. Doch wie sich die Bedingungen für die Patienten auswirken werden, darauf darf man ebenfalls gespannt sein. Rektor und medizinischer Direktor prophezeien die Auslagerung von weiteren Abteilungen, sollte das Privatisierungskonzept scheitern. Welche Bestandsgarantien gäbe es aber wohl in privater Trägerschaft? Werden die Betreiber sich nicht wie in gewohnter Manier die “Filetstückchen” heraussuchen und den Rest “abwickeln”? Eine medizinische Maximalversorgung wie zur Zeit scheint dann nicht mehr realisierbar und wird vielleicht insgeheim schon gar nicht mehr angestrebt. Der Ministerpräsident hat bei seinem Besuch im April erklärt, daß am Erhalt der Uniklinik nicht gerüttelt wird. Er untermauerte seine Aussagen mit den finanziellen Mitteln, die Schwerin für die Universität Greifswald für 1999 aufzubringen gedenkt. Dennoch sind seitdem die Stellungnahmen über die Zukunft des Klinikums widersprüchlich - die Fronten verlaufen quer durch Ministerien und Parteien. Eine klare Zuordnung der Positionen - “wer steht für was” - wird dabei erschwert. Inzwischen haben die Gewerkschaft, der Personalrat, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Protestaktionen für mächtigen Gegenwind gesorgt und auch Alternativen zur Privatisierung aufgezeigt. Sie favorisieren die Änderung der Trägerschaft in eine “Anstalt öffentlichen Rechts” und die Vorfinanzierung der nötigen Modernisierung durch Kreditaufnahme bei allerdings langfristigem Tilgungszeitraum. Nichtsdestotrotz sind am 27. September die Interessenten, die sich für eine Übernahme in private Trägerschaft stark machen, in Schwerin vorstellig geworden und haben ihre Konzepte präsentiert. Der Senat, das oberste Uni-Gremium, wollte sich in seiner Sitzung am 15.10. noch auf keine Lösung festlegen, sondern will nach einer umfassenden Analyse im Januar nächsten Jahres eine Entscheidung fällen. Egal welcher Beschluß gefaßt wird, Priorität haben: die adäquate Versorgung der Patienten, eine sozialverträgliche Lösung für die Mitarbeiter bei einer zur Zeit prekären Arbeitsmarktlage und die Gewährleistung unabhängiger Forschung und Lehre.


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