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JugendMonopoly in Greifswald

Gehe nicht über Los, zahle gleich 5000,-DM ein oder gehe direkt ins Gefängnis

So ähnlich lautete das Motto einer Unterlassungsverfügung des Ordnungsamtes der Hansestadt Greifswald, die dem ”Café Quarks” am 29.10.´99 übergeben wurde und die besagte, daß das Café nach Ablauf des Tages vorläufig zu schließen habe. Seitdem ist es erstmal aus - das Vergnügen - zumindest für einen nicht ganz unbeträchtlichen Teil der jungen Leute in Greifswald und Umgebung. Welches Vergnügen? Das Vergnügen auf Dub-Konzerte gehen zu können, auf House-, Drum´n´Bass-oder Goa-Partys abzutanzen oder sich einfach im skurilen Flair des Cafés bei einem Getränk zu bezahlbaren Preisen mit Freunden zu unterhalten. Soweit, so schlimm. Aber es kam noch schlimmer! Bei Aushändigung der Verfügung ließ sich die Vertreterin des Ordnungsamtes zu der Äußerung hinreißen, daß “die anderen beiden Clubs” ein ähnliches Schreiben am Anfang der darauffolgenden Woche erhielten. Gleich vorweg: die angekündigten Schreiben trafen bislang nicht bei den Betroffenen ein. Doch welche “anderen beiden Clubs” waren gemeint? Dies ist eine Frage, die sich bis heute nicht eindeutig klären ließ. Daß das Jugendhaus ”Pariser” gemeint war, darüber besteht kein Zweifel. Ob als dritter ”Club” das Jugendzentrum ”klex” oder die ”Alte Druckerei” in der Löfflerstraße gemeint war, wird erst die Zukunft zeigen. Tabula rasa in der städtischen Jugendkultur? Dieser Eindruck kann problemlos entstehen. Wie sollte man sich anders diesen drohenden Kahlschlag in der alternativen Jugendkultur erklären? Ganz ohne Vorwarnung kam das Unheil aber nicht. Etwa zwei Wochen zuvor gab es eine Begehung des Jugendhauses ”Pariser”, des Jugendzentrums ”klex” und des ”Café Quarks´” durch Vertreter verschiedener Ämter und Einrichtungen der Stadt. An der Begehung, die scheinbar auf Initiative des Ordnungsamtes hin erfolgte, nahm die geballte Ladung an staatlichen Kontroll-u. Regulierungsinstitutionen teil: das Ordnungsamt / Abteilung Gewerbe, das Bauordnungsamt, das Hochbauamt, das Jugendamt, das Amt für Brand-u. Katastrophenschutz (Feuerwehr), die Polizei, das Veterinäramt (die sogenannte Hygiene). Das Ergebnis war vernichtend. Doch begriffen die Jugendlichen vom ”Café Quarks” und vom ”Pariser” scheinbar den Ernst der Lage nicht. Es folgten keinerlei Aktivitäten, um auf die kritische Situation aufmerksam zu machen. Schon während der Begehung wurden (zum Teil haarsträubende) Auflagen gemacht. Diese alle aufzulisten, würde an dieser Stelle zu weit führen. Am glimpflichsten kam das Jugendzentrum ”klex” davon. Zwar erhielt auch das ”klex” eine Reihe von Auflagen, die die Arbeit im ”klex” noch bürokratischer werden lassen und von Jugendlichen selbstbestimmte Jugendarbeit bald nahezu unmöglich machen, doch sind diese mit entsprechendem Aufwand an Arbeit und Geld alle zu erfüllen. Jetzt müssen nur noch 15jährige Verwaltungsprofis nachwachsen, um auch in Zukunft selbstverwaltete Jugendarbeit stattfinden zu lassen. Die Lage vom ”Pariser” ist erheblich schwieriger. Dort wurden erhebliche sicherheitstechnische Mängel beanstandet. Als Folge wurden neben einer Reihe von kleineren Auflagen Veranstaltungen auf dem Dachboden untersagt. Darüberhinaus wurden die für das Haus Verantwortlichen vor die Wahl gestellt, entweder das Café zu schließen oder das Wohnprojekt sterben zu lassen. Daß diese beiden Bestandteile unzertrennlich zur inhaltlichen Konzeption des ”Pariser” gehören, interessierte die Ämtervertreter entweder wenig oder es konnte ihnen nicht ausreichend plausibel gemacht werden. Besonders durch diese Auflage war das Projekt mit seinen Inhalten ernsthaft gefährdet. Beim abschließenden Besuch der Behördenrunde im “Café Quarks” wurden ebenfalls gewisse Sicherheitsmängel festgestellt. Als Auflagen erfolgten die Erfüllung bestimmter baulicher Veränderungen, das Verkleiden der Holzbalken (Brandschutz), das Kennzeichnen der Fluchtwege, das Beseitigen der Deckendekoration (Brandschutz), etc., etc.. Da aber nach der Begehung erstmal nichts weiter passierte, machten die Projekte ihre Arbeit in gewohnter Form weiter. Bis es dann am 29.10.´99 zur Überreichung besagter Unterlassungsverfügung kam. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte einzig der Stadtjugendring Greifswald im Jugendhilfeausschuß von der Verwaltung (in diesem Fall Jugendamt) Auskunft über die Ergebnisse dieser Begehung verlangt. Dabei wurde seitens des Jugendamtsleiters deutlich gemacht, daß das “Pariser” zwar die volle Unterstützung des Jugendamtes genieße, ihn die Situation des “Café Quarks” nichts anginge, da es sich um ein illegales Projekt handele, das nicht von der Stadtverwaltung gefördert werden könne (mehr dazu im Bericht “8 Jahre AJZ - die Hintergründe). Das war am 28.10.´99. Einen Tag später also die Unterlassungsverfügung und die eingangs erwähnte Äußerung der Vertreterin des Ordnungsamtes, zwei weitere Clubs würde ein ähnliches Schicksal ereilen. Der Schock der Betroffenen war groß. Es gab keine konkreten Vorstellungen, wie jetzt weiter vorzugehen sei, wie man Widerstand leisten könne. Der HipHop-Jam am nächsten Tag, von dem Teile in allen drei Häusern hätte laufen sollen, konnte nur noch mit erheblichen Einschränkungen durchgeführt werden. Was ist seitdem passiert? Sowohl vom “Café Quarks” als auch vom “Pariser” wurden Versuche unternommen mit dem Jugendsenator Hr. Dr. Drenkhahn bzw. dem Oberbürgermeister Herrn von der Wense, Termine zu vereinbaren, was unter anderem daran scheiterte, daß die Jugendlichen nur bis in die Vorzimmer vordringen konnten und sich abwimmeln ließen. Erst auf Initiative des Jugendhilfeausschußvorsitzenden Hendrik Fulda kam ein Termin zum Thema “Café Quarks”/ AJZ zustande, der dann von Hr. Dr. Drenkhahn aber auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Bei einem weiteren Versuch, einen Termin mit ihm zu vereinbaren, kam ein Vertreter des AJZ direkt mit Herrn Drenkhahn ins Gespräch. Er erfuhr, daß der Jugendsenator bereits mit der Eigentümerin des Hauses am Karl-Marx-Platz Kontakt aufgenommen hatte. Die Eigentümerin hätte weiterhin Interesse am Verkauf des Hauses bekundet und einen Kaufpreis von ca. 350.000,-DM angegeben. Abschließend bemerkte Herr Drenkhahn, daß sich die Stadtverwaltung nicht in laufende Verkaufsverhandlungen einmischen könne. Während also von der Stadtverwaltung keine neuen Impulse ausgingen, gab es weitere Aktivitäten im politischen Raum. Abgesehen vom Jugendhilfeausschußvorsitzenden (Bündnis 90/Die Grünen) signalisierte auch die PDS-Fraktion, daß sie das AJZ unterstützen würden. Parallel zu den Vorbereitungen einer Demonstration durch die betroffenen Jugendprojekte, erfolgten Einladungen des Jugendhilfeausschußvorsitzenden Hendrik Fulda an die Fraktionen der Bürgerschaft zu einer Informations- u. Gesprächsrunde über die Situation des Projektes. Sowohl die Demonstration als auch das Gespräch fanden am 10.11.´99 statt. An der am Nachmittag angesetzten Demonstration beteiligte sich die beeindruckende Zahl von ca. 800 Demonstranten, wenn man der Ostsee Zeitung Glauben schenken will. Die Demonstration machte deutlich, welchen Stellenwert die alternative Jugendkultur für die Jugendlichen besitzt. Die innerstädtischen Jugendhäuser betonten, daß sie zusammenhalten wollen und man der Schließung auch nur eines der drei Häuser nicht tatenlos zusehen werde. Beim abendlichen Gespräch gelang es einem Vertreter des AJZ / “Café Quarks” einen leicht nachvollziehbaren Abriß über die Entstehung und die heutige Bedeutung des Projektes für die Jugendkultur zu geben. Unter der Beobachtung zahlreicher, aufmerksamer Zuhörer wurden erste denkbare Lösungsansätze gesucht und diskutiert. Die Vertreter aller anwesenden Fraktionen bekräftigten, daß sie sich für den Erhalt des AJZ stark machen würden. Sie verabredeten sich, um die verschiedenen Lösungsvorschläge weiter auszuarbeiten. Wir dürfen auf die Ergebnisse gespannt sein. Grund zur Entwarnung gibt es zur Zeit noch nicht. An eben diesem 10.11.´99 fand am Nachmittag im Rathaus eine Ämterrunde mit Beteiligung der beiden zuständigen Dezernenten und Vertretern vom Jugendhaus “Pariser” und vom Stadtjugendring statt. Gleich anfangs wurde der allgemeine Wille der Stadtverwaltung bekundet, das “Pariser” erhalten zu wollen. Die Auflagen in Übereinstimmung mit der weiteren Nutzung zu bringen, stellte das eigentliche Problem dar, das nur über Kompromisse seitens der Verwaltung gelöst werden konnte. Im Laufe des Gespräches gelang es den Vertretern vom “Pariser” und Stadtjugendring, die Auflagen zu relativieren und einen weiteren Betrieb des “Pariser” erstmal möglich zu machen. Die Vertreter der Ämter versicherten, sich mit den Leuten aus dem “Pariser” zusammenzusetzen und nach und nach Verbesserungen umzusetzen. Doch auch hier liegt der Wurm im Detail. Grundstücksfragen und finanzielle Schwierigkeiten der Stadt können dem dauerhaften Fortbestand noch einige heimtückische Stolpersteine in den Weg legen. Den Jugendhäusern ist es zunächst gelungen, große Aufmerksamkeit auf ihr Problem zu lenken und eine Menge Unterstützung zu bekommen. Daß der Kampf gewonnen ist, davon kann noch lange keine Rede sein. Aber zu kämpfen lohnt sich, wie die ersten Erfolge zeigen. Die Häuser haben aber nur dann eine Perspektive, wenn sie weiter so viel Unterstützung erhalten wie bisher. Denn die grundlegenden Probleme, die diese Situation herbeigeführt haben, sind nicht aus der Welt geschafft. Und sie können auch nicht endgültig gelöst werden. Letztlich sind es Anwohnerbeschwerden, die den Stein ins Rollen gebracht haben - von Anwohnern, die den Wert dieser Einrichtungen für die Jugend und somit für die Stadt Greifswald nicht erkennen. Und diese Beschwerden betreffen längst nicht nur die Jugendhäuser. Da wären noch das “Stahlwerk”, das “Mitten d´rin”, der “Mensaclub”, die Mensa-Großveranstaltungen der “Geo-Keller”, etc., etc.. Und schon vor etwa zwei Jahren, als es um den Nutzungsvertrag vom klex ging, ließ ein Verteter der Verwaltung durchsickern, daß “die Ballung von Jugendhäusern im Bereich Lange Straße, Kapaunenstraße und Karl-Marx-Platz als Problem” empfunden werde. Von wem auch immer? Sollten die Anwohner sich überall durchsetzen, dann .... . Es wäre ein armes Greifswald und Zeit zu gehen.


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