fremde heimat

2.10.2007


Seit Anfang August diesen Jahres existiert das Modellprojekt "Aktiv gegen Rechtsextremismus und Rassismus - Demokratiestärkende Bildungsarbeit im ländlichem Raum". Projektträger ist der Verein Soziale Bildung e.V., ein staatlich anerkannter Bildungsträger aus Rostock. Interviewter ist einer der Koordinatoren des Projektes Christoph Schützler, diplomierter Sozialgeograph.

 
Wer ist Soziale Bildung e.V. und was macht dieser Verein?
 
Soziale Bildung e.V. existiert seit 2001. Der gemeinnützige Verein engagiert sich in drei Bereichen: Bildung, Kultur und Politik. Im Jahr 2005 wurde der Verein als Bildungsträger mit dem Schwerpunkt auf politische Jugend- und Erwachsenenbildung staatlich anerkannt. Der Verein bietet verschiedene Schulprojekttage und Seminare z.B. zu den Themen Rechtsextremismus, Rassismus, Globalisierung und Gentechnik an. Jährlich führt der Verein eine Studienreise zu der Gedenkstätte "Auschwitz-Birkenau" durch. Weiterhin ist der Verein Herausgeber des alternativen Stadtmagazins "Fußnote" und engagiert sich auch im kulturellen Bereich u.a. in Form der Organisation von Lesungen, Vorträgen und Filmvorführungen. Anfang 2008 eröffnet der Verein ein Veranstaltungs- und Kulturcafé im Rostocker Stadtviertel KTV. Alle Angebote des Vereins haben immer auch ein politisches Anliegen. Es geht grundsätzlich um die Förderung von demokratischem, selbstorganisiertem Engagement. Menschen sollen ermutigt und unterstützt werden, sich mit und in ihren Anliegen einzumischen und Dinge, die ihnen nicht passen, zu verändern.
 
Was ist das Anliegen ihres neuen Modellprojektes?
 
Auf dörfliche geprägten Gegenden haben wir es häufig mit einer verquickten Situation zu tun: Arbeitslosigkeit, Abwanderung, triste Zukunftsaussichten, fehlende soziale und kulturelle Angebote, und häufig wahrgenommene Gleichgültigkeit bzw. Irrelevanz von Seiten der "großen" Politik lassen ein Klima entstehen in dem sich rassistische und rechtsextremistische Tendenzen besonders gut breit machen können. Schulen und allenfalls die örtliche Kirche stellen so etwas wie letzte Bastionen der örtlichen Zivilgesellschaft dar, in denen die regionale Situation überhaupt öffentlich behandelt wird. Aber auch hier setzen sich rechtsextremistische Verklärungen und Verkürzungen aktiv durch. Die Schule wird beliebter Ort der Rekrutierung und Ideologisierung von rechts.
Das Modellprojekt reagiert auf diese Situation und versucht den öffentlichen Ort Schule zu aktivieren. Es geht dabei weniger darum in "klassischer" Weise auf die Inhalte von Unterricht Einfluss zu nehmen. Im Vordergrund steht der Sozialraum Schule: Schule als Ort vielfältiger Begegnung, wesentliche Instanz der Sozialisation von Jugendlichen, einem Ort an dem sich soziale Probleme bemerkbar machen und der das Potential hat diese Probleme jenseits rechtsextremistischer Instrumentalisierung öffentlich aufzugreifen. Das Modellprojekt kann hierfür durch Bildung, Analyse, begleitende Beratung und Vernetzung der demokratischen Potentiale einen unterstützenden Beitrag leisten.
Wir haben zum Ziel gemeinsam mit den Akteuren der Schule Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren, zu entwickeln und zu erproben. Die Gegebenheiten vor Ort müssen dabei berücksichtigt werden, um für eine langfristige Zusammenarbeit, Begleitung und Unterstützung die Basis zu schaffen und eben nicht an den Akteuren in ihrer jeweiligen Situation vorbei zu arbeiten.
 
Wie sieht die Vorgehensweise aus?
 
In der ersten Phase, die seit dem 1. August läuft werden gezielt Kontakte zu Schulen und deren Umfeld in den Landkreisen Bad Doberan, Güstrow, Demmin und Nordvorpommern geknüpft. Dies geschieht durch eine Vielzahl von Veranstaltungen u.a. für SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und gezielten Erstkontaktgesprächen u.a. mit Schulen, KommunalvertreterInnen und Vereinen. Ziel ist es die Sozialräume kennen zu lernen und die Angebote des Modellprojektes näher zu bringen. Daran anknüpfend werden in insgesamt 15 Schulsozialräumen umfangreiche sozialwissenschaftliche Analysen gemacht, die es ermöglichen rechtsextremistische Tendenzen sichtbar zu machen, die demokratischen Potentiale zu identifizieren und geeignete Vorgehensweisen vorzuschlagen. Wir gehen davon aus, dass sich die Entstehung und Verbreitung von Rechtsextremismus und Rassismus nicht allgemein erklären lässt, sondern immer von ganz spezifischen örtlichen Voraussetzungen abhängig sind, an denen dann auch demokratisch angesetzt werden sollte. Die jeweiligen Sozialraumanalysen mit den entsprechenden bzw. abgeleiteten Empfehlungen werden den Schulen, Gemeinden und Behörden zur Verfügung gestellt um selbständig gezielte Veränderungsprozesse anstoßen zu können. Drei bis vier der Sozialräume werden als Modellsozialräume ausgewählt. Auf Basis einer gemeinsamen, alle Akteure einbeziehende Vorgehensweise soll hier über den gesamten Projektzeitraum von drei Jahren gezeigt werden, wie es möglich ist Veränderungsprozesse zu initiieren, die rechtsextremistischen und rassistischen Bestrebungen keinen Platz zur Entfaltung geben. Diese Phase wird durch zahlreiche Informations- und Qualifizierungsangebote, soziale und kulturelle Einzelprojekte, kontinuierliche Beratung und Begleitung und aktivierende Vernetzung aller demokratischen Ressourcen begleitet. Wir hoffen auf Ergebnisse, die sich auf andere Regionen mit ähnlichen Problemlagen übertragen lassen.