Befreiung vom Nationalsozialismus
Likedeeler 16, Frühjahr 2005

Leid, Tod und Widerstand
Der 60. Jahrestag der Befreiung des Frauen- KZ Ravensbrück  
Ravensbrück ist von Greifswald aus über Neubrandenburg und Neustrelitz mit dem Auto in knapp zwei Stunden zu erreichen. Trotzdem wird diese Gedenkstätte viel zu wenig in die Planung von Schulen und Initiativen der Region einbezogen.  
 

Das Konzentrationslager Ravensbrück in der Nachbarschaft der Kleinstadt Fürstenberg an der Havel war das einzige KZ auf deutschem Boden, das eigens für Frauen errichtet wurde. Zwischen 1939 und 1945 wurden hier 132.000 Frauen und Kinder, 20.000 Männer und 1.000 weibliche Jugendliche des anliegenden "Jugendschutzlagers Uckermark" gefangen gehalten, gequält und von Firmen wie Siemens & Halske, aber auch in privaten Haushalten ausgebeutet. Tausende wurden systematisch getötet, Tausende fielen den mörderischen Bedingungen im Lager zum Opfer.
Zu den inhaftierten Frauen, deren Namen besonders bekannt sind, gehörten Katja Niederkirchner, Olga Benario, Rosa Jochmann, Helen Ernst, Rosa Thälmann, Margarete Buber- Neumann, Milena Jesenská, Geneviève de Gaulle- Anthonioz, Germaine Tillion und Esther Bejarano.
Als "eine der wichtigsten Stätten zur Aufdeckung der Geschichte der Konzentrationslager im Nazi- Regime" (Schafft/ Zeidler) hatte das Museum Ravensbrück 1989 über 40 Mitarbeiter, heute sind es nur noch ein Dutzend. Von den von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten jährlich zur Verfügung stehenden rund 5,3 Millionen Euro fließen zwei Drittel nach Sachsenhausen; Ravensbrück erhält lediglich ein Drittel. Ein Großteil davon wird für Bau- und Sanierungsmaßnahmen sowie für Personalkosten aufgewendet. Der internationale Beirat der Stiftung hat 2004 in einem Memorandum "mit großer Sorge" "die bereits seit Jahren immer wieder beklagte strukturelle Unterfinanzierung der inhaltlichen Arbeit" kritisiert, die "zu erheblichen Beeinträchtigungen zu führen droht".

Die oft beeindruckenden Ausstellungen und die jährlichen Gedenkfeiern sind ideologisch zunehmend von staatlichen Vorgaben, wie der Totalitarismusdoktrin und der Marginalisierung des politischen Widerstands, geprägt. Anlässlich des 55. Jahrestags der Befreiung von Ravensbrück im Jahr 2000 konnten die Überlebenden noch politische Akzente setzen. Damals hielt die Ehrenvorsitzende der Lagergemeinschaft, Gertrud Müller, vor begeisterten Zuhörern und dem ziemlich betretenen Landtagspräsidenten von Brandenburg eine scharfe Rede, in der sie gegen den Krieg in Jugoslawien und den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland protestierte. Für sie und viele andere ist die Losung "Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!" keine Formel der Vergangenheit.

Ein weiteres Problem: sollen die ehemaligen Gefangenen nur als Opfer betrauert oder auch als Widerstandskämpferinnen geehrt werden? Immer noch gibt es Zeitzeuginnen, die ihre Erinnerungen öffentlich machen und diese Frage beantworten. In den vergangenen Jahren sind u. a. die Biographien von Barbara Reimann ("Die Erinnerung darf nicht sterben", 2000) und Esther Bejarano ("Wir leben trotzdem", 2004) erschienen, in diesem Jahr folgt die Autobiographie von Gertrud Müller.

Eine erste Gesamtdarstellung des KZ Ravensbrück ist 2003 von Bernhard Strebel vorgelegt worden. Seine auf einer Dissertation basierende, über 600 Seiten umfassende, faktenreiche Monographie enthält Kapitel über das Frauenlager, das "Jugendschutzlager" Uckermark, das Männerlager, die Außenlager, über die Bewachungs- und Personalstruktur und die Organisation der Zwangsarbeit. Strebel schätzt, dass in Ravensbrück etwa 28.000 Häftlinge, davon etwa 25.000 bis 26.000 Frauen umgekommen sind.

Der Opfer aus allen Nationen wird auch im kommenden April wieder gedacht. Am 16. und 17. April finden in Ravensbrück die Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung des Lagers statt. Vielleicht ist, wie im Jahr 2000, eine Gruppe aus Greifswald dabei?


Die Seite in der Druckausgabe (pdf 323KB)
Cristina Fischer
Internet:
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, geöffnet Di- So 9- 17 Uhr www.ravensbrueck.de
Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis e.V. www.lg-ravensbrueck.de
Ravensbrückblätter www.ravensbrueckblaetter.de
Literaturhinweis:
Bernhard Strebel: Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes. Mit einem Geleitwort von Germaine Tillion. Schöningh Verlag Paderborn 2003, 615 S., 50,00 €.