fremde heimat
Likedeeler 16, Frühjahr 2005

Die weiß getünchte Grabstätte
 
Das neue Lager in Parchim  
Am 20. Januar 2005 kamen die Behörden der Stadt Parchim und des Landes Mecklenburg Vorpommern zum neu errichteten Flüchtlingslager nach Parchim (in der Ludwigsluster Chaussee). Die Flüchtlinge protestierten gegen das „schmutzige und inhumane Spiel“. Die Behörden hatten prominente Menschen eingeladen; sie sollten das neue und schön angestrichene Lager besichtigen. Die Flüchtlinge waren an der Vorbereitung dieses Tages so gut wie nicht beteiligt. Trotz Feiern - viele Probleme bleiben ungelöst, andere werden durch die Behörden permanent ignoriert.  
 

Die FlüchtlingsaktivistInnen hatten sich entschieden, die Feiern zum Tag der offenen Tür zu boykottieren. Sie forderten stattdessen, dass ihre Berichte, Petitionen und Klagen zumindest beantwortet werden. Das betrifft insbesondere das vom Heimleiter und den Behörden installierte Teile- und Herrsche-System im Lager. Die Aktivist/innen fordern die Öffentlichkeit auf, die Behörden kritisch zu fragen, weshalb sie sich zu all diesen Problemen nicht verhalten – und das trotz jahrelanger und kontinuierlicher Proteste von den Flüchtlingen. Wenn man die Geschichte der Dschungelheime in Tramm und Peeschen betrachtet und sieht, wie diese Lager nach Parchim verlegt wurden, bekommt man einen Eindruck von der unmenschlichen Politik, die dahinter steht.
Konkret geht es um folgende Probleme:
Heimleitung: Herr Senst und seine Mitarbeiter/innen werden von den Flüchtlingen nicht akzeptiert. Sie haben deshalb schon im Vorfeld eine Petition gegen Herrn Senst bzw. seine respressiven und diskriminierenden Methoden verfasst. Sie forderten außerdem Angestellte, die mehrere Sprachen sprechen.
Moscheen: Es gibt keine Moschee im Landkreis Parchim. Die muslimischen Flüchtlinge brauchen deshalb einen größeren Raum für ihre Gebete und Gottesdienste.
Büro: Die Flüchtlinge brauchen ein Büro – ausgerüstet mit Computern, Internet-Zugang und Telefon, um Kontakt mit der Gastgesellschaft zu erleichtern.
Das Recht auf Privatheit: Es gibt viele leere Häuser in und um Parchim. Aber die Behörden zwingen die Flüchtlinge, mit mehreren Leuten in kleinen Zimmern zu wohnen – und zwar unabhängig von Sprache, Religion, etc. Das schafft im Alltag zusätzliche Konflikte.
Sportmöglichkeiten: In dieser Hinsicht fehlt es fast an Allem.

Grundsätzlich geht es um folgende Probleme:
Legalisierung: Darum geht es den Behörden nie. Deshalb sperren sie Flüchtlinge ins Lager (ob im oder in der Nähe des Dschungels) – so wie Tiere, die die Deutschen dann besichtigen können. Abschiebungen sind ein Verbrechen gegen die Menschenrechte. Die rassistischen Methoden haben sich in den letzten Jahrzehnten leider nur wenig verändert. Obwohl die Behörden es immer wieder behaupten, das Gutschein-System ist noch nicht völlig abgeschafft: Wir Flüchtlinge fühlen uns dadurch immer wieder gequält und unmenschlich behandelt.
Residenzpflichtgesetz: Flüchtlinge werden durch dieses Gesetz auf mehreren Ebenen bestraft. Sie dürfen ihren Landkreis nicht ohne Erlaubnis verlassen, denn sie müssen den Behörden jeder Zeit in ihren Lagern, Heimen oder Dschungelorten Rede und Antwort stehen.
Arbeit: Flüchtlingen wird das Recht auf Arbeit verwehrt: Es ist nicht der Wunsch der Flüchtlinge, zum Überleben auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Die Flüchtlingsaktivist/-innen sehen sich ständig der Wut der Behörden ausgesetzt: Sie wollen nicht, dass sie ihre mit Unerbittlichkeit durchexerzierte Politik einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen.

nach einem Flugblatt von Flüchtlingsaktivist/innen aus Parchim