gehört, gesehen, gelesen
Likedeeler 14, Sommer 2004

Irgendwo Kunst; Kunst im Irgendwo  
Romy Theman führt die Galerie am Eselsteich; Location: Hinter dem Ortsausgangsschild von Karlsburg
     
Also es gehört schon eine große Portion Mut dazu bei der derzeitigen allgemeinen Haushalts- und Bildungslage eine Kunstgalerie zu eröffnen. Vor allem wenn sie sich nicht in Berlin Downtown oder wenigstens in einer Stadt wie Greifswald befindet.
 
Wann kommen Hampelmänner in Lebensgröße? (Romy Theman)
   
Romy Theman erklärt: „Ich sehe mich als Alternative zu den verstädterten Galerien!“
Nach einer Ausbildung an der Graphik und Design Schule Anklam trat sie zur Verwirklichung ihres Traumes an. „Was Eigenes schaffen, etwas was in die Region passt und ich auch gerne mache!“. Sie suchte und fand ein zum Verkauf stehendes Gelände an der B109 hinter dem Ortsausgang von Karlsburg. Der Weg zu einer eigenen Wohnung Wand an Wand mit Werkstatt und Galerie führte zunächst zu einem Jahr im kalten Wohnwagen und dem Arbeitsamt. Diese Galerie ist eine dieser viel beschworenen Ich-AG`s, welche finanzielle Unterstützung und das notwendige unternehmerische Wissen vom Arbeitsamt erhalten. Allerdings wird von Jahr zu Jahr über die Gelder neu verhandelt, abhängig von dem Fortgang der Arbeit.
Dessen ungeachtet sagt die Galeristin: „Zeit spielt für mich keine Rolle!“ Zeit hat in ihrem Wirkungsbereich offensichtlich eine andere Bedeutung. Arbeitet die Zeit im Alltag der Meisten oft gegen sie, arbeitet sie dort für das Projekt. „Es entwickelt sich etwas mit der Zeit. Die Leute müssen sehen, wie es sich entwickelt.“
Ganze vier Jahre hat es gedauert, die alte Baracke, welche neun Jahre dem Verfall preisgegeben war, wieder herzurichten. So kam es zu dem einen Jahr im Wohnwagen. Ihre ganz eigene Geschichte hat die Baracke auch. Sie wurde in einem Arbeitslager des letzten Weltkrieges abgebaut. Nach dem Krieg am jetzigen Standort zusammengesetzt bot sie Obdach für zwölf Familien und wurde später Teil der Diabetes Klinik in Karlsburg.
 
Seit Pfingsten 2003 wechseln sich dort nun die Ausstellungen ab. Das Spektrum der Arbeiten reicht von Karikaturen über Skulpturen hin zu Fotografien, letzteres nun seit dem 1. Mai.
Im Wirtschaftsdeutsch würde man die jetzige Zeit für die Galerie wohl als Phase der Konsolidierung beschreiben. Die vorhandenen Mittel müssen ausgenutzt werden, um das Geschaffene zu erhalten. Aber gerade Kunst ist ein schweres Geschäft.
Ein Satz der das eigentliche Problem aufwirft: Kunst als Geschäft? Allein die Entscheidung, was ist Kunst und was nicht, liegt bei jedem Einzelnen. Am weitesten gefasst ist die Definition: Kunst ist das, was einer dazu erklärt.
Romy Theman sieht den Schaffensprozess als den wesentlichsten Teil der Kunst an. Am Beispiel der Bronzeplastik von Cornelia Schulze erklärt sie: „Von zehn Figuren wird bestenfalls eine etwas, der Rest wandert in die Asche.“ Diese selbstkritische Auseinandersetzung ist ihr wichtig und grenzt die Kunst vom bloßen Hobby ab. Das man den Wert einer Arbeit eines Künstlers nicht mehr so sehr schätzt, begründet Frau Theman mit dem veränderten Zeitgefühl der Gesellschaft.
Die jetzige Ausstellung, Fotografien von Paula Holunder, kam innerhalb von acht Tagen zustande. Mehr als das sie seit zwanzig Jahren fotografiert und nun zwölf Jahre hier oben lebt, konnte ich zur Eröffnung nicht von ihr in Erfahrung bringen. Die Menschen hier haben sie in ihr Leben eingelassen, so auch der Titel: „Eingelassen“. Bilder in Schwarz/Weiß zeigen Freunde und die Ihr vertraute Umgebung. Bemerkenswert das Bildnis eines stummen Zwiegesprächs zwischen Vater und Sohn gleich rechts neben der Tür.
Gerade als Fotograf ist es sehr schwer, sich von der gewaltigen Masse der Konkurrenz abzuheben. Sicherlich werden viele kommen und vorbei schauen. Aber nicht wenige werden gehen und insgeheim denken: „Das kann ich auch!“. So schleichend und verschwommen wie in der Fotografie verläuft die Grenze zwischen Amateur und Profi sonst nirgends. Die Technik ist inzwischen für jeden beherrschbar, eine Spiegelreflexkamera für jeden erschwinglich. Mit wenigen einfachen Mitteln, wie zum Beispiel dem Arbeiten mit Schwarz/Weiß-Filmen, erreicht man große Effekte. In der Masse verpuffen sie jedoch. Bleibt noch die Kunst den Apparat im richtigen Moment zu zücken.
Ob und wie es Paula Holunder gelungen ist, darüber muss sich jeder seine eigene Meinung bilden. Am Ende muss die Kunst vor dem Betrachter bestehen und das vor jedem einzelnen.
  Aber nicht nur etablierten Künstlern soll die Galerie offen stehen. Als eine Art Plattform soll sie auch jungen Künstlern zur Verfügung stehen. „Eigentlich gibt es Plattformen in allen Varianten, die wir gar nicht mehr alle füllen können!“.
Die Beschränkung auf eine intellektuelle Szene wäre der sichere Untergang für diese Galerie. Wichtig wären kleine Veranstaltungen, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Vielleicht klappt es ja mit einer Zusammenarbeit mit dem IKUWO oder dem Filmclub Casablanca. Es wäre wünschenswert, denn eine Bereicherung für beide Seiten, wäre es alle mal!
 
Sebastian Föllner